Abschaffung der Ordination 


"Viele sind berufen, aber nur wenige auserwählt"
Evangelischer Beitrag
zur Abschaffung der Ordination
stiftet Unruhe im ökumenischen Prozess

Die Ordinationsdebatte im deutschen Protestantismus hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Vorweg sei klärend bemerkt: Das von der Lutherischen Bischofskonferenz veröffentlichte Dokument "Allgemeines Priestertum, Ordination und Beauftragung nach evangelischem Verständnis" (2004) hält an der Ordination fest; das wird auch aus einer Verlautbarung deutlich, die später unter dem Titel "Ordination oder Beauftragung" erfolgte. Nun aber findet sich in dem (weit verbreiteten) evangelischen Deutschen Pfarrerblatt (Mai 2006) ein Artikel, dessen Untertitel lautet: "Ein Vorschlag zur Abschaffung der Ordination".

Missverständliche Überschriften von Beiträgen stammen zuweilen von der Redaktion einer Zeitschrift, nicht vom Autor; dieser aber sagt unmissverständlich, sein Artikel ziele "auf die Abschaffung der Ordination", und er erklärt weiter: "Die Abschaffung der Ordination könnte ... verdeutlichen, dass Lutheraner ihre Vorstellung von Kirche, Gnadenzuteilung und Amt völlig anders konstruieren als römische Katholiken". (a.a.O. 246). Der Autor dieses Artikel, Stefan Scholz, schreibt das ausdrücklich gegen die Mahnung von Kardinal Walter Kasper, keine uns noch verbindenden Brücken abzubrechen (vgl. a.a.O. 247, Anm. 15). Scholz weiß offensichtlich nicht um die Ergebnisse ökumenischer Dialoge (oder er wendet sich sogar gegen diese) - die im Auftrag des Lutherischen Weltbunds mit der Katholischen Kirche auf Weltebene geführt wurden und einstimmig zur Ordination stehen; auch Dialoge auf Landesebene (in den USA und in der Bundesrepublik Deutschland) unterscheiden sich nicht davon. In diesem Dialoggeist ist die Absicht Luthers ernst genommen, die bestehende Kirche zu reformieren, aber keine neue Kirche zu gründen.

Wie der evangelische Theologe Gunther Wenz angemerkt hat, haben die römischen Konsultoren den Artikel XIV des Augsburger Bekenntnisses nicht beanstandet, weil darin lutherischerseits kein Zweifel an der Ordination gelassen und das "rite vocatus" im Sinne von "rite ordinatus" verstanden wurde. Die Confessio Augustana wollte zum Glauben der bisherigen Kirche stehen - wie es in ihr mehrfach bekräftigt wird. Augustinus Sander hat in seiner 2004 veröffentlichten Dissertation "Ordinatio Apostolica" nachgewiesen, dass Martin Luther noch 1542 und 1545 Presbyter zu Bischöfen ordiniert hat. Vor allem widerspricht die Forderung nach "Abschaffung der Ordination" gänzlich der Heiligen Schrift, die doch Norm evangelischer Theologie ist. Während Timotheus an die "Gnadengabe" erinnert wird, die ihm unter Gebet und Handauflegung in der Ordination zuteil wurde (2 Tim 1, 6) und die er nicht vernachlässigen soll (1 Tim 2, 14), ruft die Forderung nach "Abschaffung der Ordination" geradezu zur Vernachlässigung der Gnadengabe Gottes auf beziehungsweise tut die Forderung von Scholz so, als ob es solche in der Heiligen Schrift bezeugte Gnadengabe der Ordination überhaupt nicht gäbe! Hat der Auferstandene am Osterabend etwa nur den Elf den Heiligen Geist verliehen, in dessen Kraft sie Sünden vergeben konnten (Joh 20, 21ff), während nach ihnen entweder keine Sündenvergebung mehr erfolgt oder diese (was blasphemisch zu denken wäre) ohne die Kraft des Heiligen Geistes möglich wäre? Dass eine Versöhnung in der Amtsfrage und damit ökumenische Verständigung dem Autor des Artikels "Abschaffung der Ordination" völlig gleichgültig zu sein scheinen, ist leider kaum von der Hand zu weisen und ist weder zu verstehen noch zu verantworten angesichts des Gebets Jesu, "dass alle eins seien, damit die Welt glaube" (Joh 17, 21). Wer Brücken zur Einheit abbricht und nicht zugleich gegen das Mühen zur Kirchengemeinschaft auftritt, der treibt das, was man als "Etikettenschwindel" bezeichnet hat.

Ein künftiger "Ökumenischer Kirchentag" würde zur Augenwischerei, wenn vorher Barrieren in den Weg gelegt werden, die Kirchengemeinschaft und Abendmahlsgemeinschaft verhindern. "Abschaffung der Ordination" entspricht anscheinend nicht nur dem Ansinnen von Scholz, da er angibt, dieses sein "Modell" mit Teilnehmern eines Oberseminars an der Theologischen Fakultät Erlangen entwickelt zu haben. "Viele sind berufen, aber nur wenige auserwählt?" lautet der Haupttitel des Artikels von Scholz. Darin ist das im Neuen Testament überlieferte Wort (Mt 22, 14) - im Unterschied zum Gleichnis Jesu - von Scholz auf die Ordinierten bezogen und zugleich in Frage gestellt; diese Überschrift verrät etwas von dem, was an Bedenken hinter dem Artikel steht: Man fürchtet, dass durch die in der Ordination zuteil werdende "Amtsgnade" die "Gnadenstandsparität" aufgehoben wird wie in der evangelischen Zeitschrift "Zeitzeichen" (12/2005) gesagt wird; ausdrücklich heißt es darin: "Weihestatus abgelehnt"). Muss hier erneut - im Sinne von Martin Luthers Wort " A ... male informato ad melius informandum" ("von dem schlecht Informierten zum besser zu Informierenden") - dahingehend aufgeklärt werden, dass nach katholischer Lehre gilt, was der Kirchenvater Augustinus betont: "Mit euch bin ich Christ, für euch bin ich Bischof."

Um es deutlicher zu sagen: Über das Christsein hinaus, das in Glaube und Taufe zuteil wird, gibt es nichts Größeres! Der Ordinierte weiß sich katholischerseits als Diener und "Werkzeug" Jesu Christi. Wenn manche Protestanten durch die Ordination die "Gnadenstandsparität" bedroht meinen und dafür (gegen die katholische und die orthodoxe Lehre) auftreten, rennen sie offene Türen ein. Der Ordinierte ist - um es zu wiederholen - ein Diener Christi; er hat "an Christi Statt" (2 Kor 5, 20) das Evangelium zu verkünden und die Sakramente zu spenden; er soll gewiss als Hirt (Pastor) Vorbild sein in der Nachfolge des Guten Hirten Jesus Christus - jede Gabe Gottes wird zur Aufgabe, aber er soll sich weder (wie Scholz warnt) "pfarrherrlich" benehmen noch über andere erhaben dünken (a.a.O., S. 247).

Zur Infrage-Stellung des Wortes Jesu "Viele sind berufen, aber wenige auserwählt" durch Scholz ist mit dem evangelischen Exegeten Eduard Schweizer zu sagen: Es gibt die Berufung und Erwählung; gemeint ist: "Wer von Gott berufen ist, darf diese Berufung nicht als ,Besitz betrachten, sondern muss sie täglich neu leben" (NTD zur Stelle). Was die von Scholz erfolgte Infrage-Stellung von Amtsträgern durch Ordination angeht, ist etwa an Paulus zu erinnern, der seinen Römerbrief mit den Worten beginnt: "Paulus, Knecht Christi Jesu, kraft Berufung Apostel, ausgesondert für das Evangelium Gottes". Jesus "rief zu sich, welche er wollte ... Und er schuf die Zwölf, dass sie mit ihm seien und dass er sie aussende" (Mk 3, 13f). So gibt Christus "innerhalb des priesterlichen Volkes Gottes durch den Heiligen Geist vielfältige Ämter", wie im Dialogdokument "Das geistliche Amt in der Kirche" gemeinsam bekannt wird (Nr. 14). "Das von Jesus Christus mit der Berufung und Sendung der Apostel grundgelegte ,besondere Amt war damals wesentlich - es ist wesentlich in allen Zeiten und Verhältnissen" (Nr. 17).

"Die Berufung zum besonderen Amt in der Kirche geschieht seit apostolischer Zeit durch Handauflegung und Gebet. Dadurch wird der Ordinierte in das apostolische Amt der Kirche aufgenommen. Gleichzeitig wird ihm durch Handauflegung und Gebet (Epiklese) die Gabe des Heiligen Geistes zur Ausübung seiner Sendung zugesprochen und zuteil." (Nr. 32) Das ist vom Lutherischen Weltbund gemeinsam mit der katholischen und der orthodoxen Kirche konstatiert. Die VELKD wird nicht aus dieser Gemeinsamkeit mit dem Lutherischen Weltbund ausscheren, dem sie verbunden ist und angehört. Ein Ziel des von der Lutherischen Bischofskonferenz empfohlenen (inzwischen mehrfach überarbeiteten) Ordinationspapiers liegt darin, Unordnung zu beheben, die durch bloße Beauftragungen entstanden ist. Es darf aber nichts geschehen, was gegen die Intention der Reformatoren eine Neuerung darstellt und deren Absicht der Erneuerung missachtet, eine "neue Kirche" konstruiert. Die EKD und die VELKD sind gerufen und gebeten, die Ordinationsdebatte zu einem Ziel zu bringen, das ökumenische Kirchen- und Abendmahlsgemeinschaft nicht vergisst, sondern möglich macht. Die Porvooer Feststellung zeigt einen Weg dazu - unter Beachtung der reformatorischen Prinzipien. (Autor: VON HEINZ SCHÜTTE DT vom 01.06.2006 )