Der formelle Akt des Austritts aus der katholischen Kirche
PÄPSTLICHER RAT FÜR DIE GESETZESTEXTE
ACTUS FORMALIS DEFECTIONIS
AB ECCLESIA CATHOLICA
Vatikanstadt, 13. März 2006
Prot. N. 10279/2006
(lesen Sie auch)
Eminenz,
schon seit längerer Zeit haben Bischöfe, Offiziale und andere Fachleute des
Kanonischen Rechtes diesem Päpstlichen Rat Zweifel und Anfragen zur Klärung
hinsichtlich des sogenannten actus formalis defectionis ab Ecclesia catholica
vorgelegt, auf den in den Canones 1086 § 1, 1117 und 1124 des Codex des
Kanonischen Rechtes Bezug genommen wird. In der Tat handelt es sich um einen in
der kanonischen Gesetzgebung neuen Begriff, der sich unterscheidet von den
anderen, eher „virtuellen“ Modalitäten (die auf dem Verhalten basieren) des „offenkundigen“
oder einfach „öffentlichen“ Glaubensabfalls (vgl. c. 171 § 1, 4°; 194 § 1, 2°,
316 § 1, 694 § 1, 1°; 1071 § 1, 4° und § 2), Umstände, in denen die in der
katholischen Kirche Getauften oder in sie Aufgenommenen durch rein kirchliche
Gesetze verpflichtet sind (vgl. c. 11).
Das Problem wurde von den zuständigen Dikasterien des Heiligen Stuhls sorgfältig
untersucht, um vor allem die theologisch-lehrhaften Inhalte dieses actus
formalis defectionis ab Ecclesia catholica genau zu fassen, und danach die
Erfordernisse oder juridischen Formalitäten zu präzisieren, die notwendig sind,
damit dieser sich als ein wirklicher „formaler Akt“ des Abfalls darstellt.
Nachdem hinsichtlich des ersten Aspekts die Entscheidung der Kongregation für
die Glaubenslehre vorlag und die gesamte Frage in der Vollversammlung untersucht
wurde, teilt dieser Päpstliche Rat den Präsidenten der Bischofskonferenzen
Folgendes mit:
1. Der Abfall von der katholischen Kirche muss, damit er sich gültig als
wirklicher actus formalis defectionis ab Ecclesia darstellen kann, auch
hinsichtlich der in den zitierten Canones vorgesehenen Ausnahmen, konkretisiert
werden in:
a) einer inneren Entscheidung, die katholische Kirche zu verlassen;
b) der Ausführung und äußeren Bekundung dieser Entscheidung;
c) der Annahme dieser Entscheidung von seiten der kirchlichen Autorität.
2. Der Inhalt des Willensaktes muss bestehen im Zerbrechen jener Bande der
Gemeinschaft – Glaube, Sakramente, pastorale Leitung –, die es den Gläubigen
ermöglichen, in der Kirche das Leben der Gnade zu empfangen. Das bedeutet, dass
ein derartiger formaler Akt des Abfalls nicht nur rechtlich-administrativen
Charakter hat (das Verlassen der Kirche im meldeamtlichen Sinn mit den
entsprechenden zivilrechtlichen Konsequenzen), sondern dass er sich als
wirkliche Trennung von den konstitutiven Elementen des Lebens der Kirche
darstellt: Er setzt also einen Akt der Apostasie, Häresie oder des Schisma
voraus.
3. Der rechtlich-administrative Akt des Abfalls von der Kirche kann aus sich
nicht einen formalen Akt des Glaubensabfalls in dem vom CIC verstandenen Sinn
konstituieren, weil der Wille zum Verbleiben in der Glaubensgemeinschaft
bestehen bleiben könnte.
Andererseits konstituieren formelle oder (noch weniger) materielle Häresie,
Schisma und Apostasie nicht schon von selbst einen formalen Akt des Abfalls,
wenn sie sich nicht im äußeren Bereich konkretisieren und wenn sie nicht der
kirchlichen Autorität gegenüber in der gebotenen Weise bekundet werden.
4. Es muss sich demnach um einen rechtlich gültigen Akt handeln, der von einer
kanonisch rechtsfähigen Person gesetzt wird, in Übereinstimmung mit der
kanonischen Norm, die ihn regelt (vgl. cc. 124-126). Dieser Akt muss persönlich,
bewusst und frei getätigt werden.
5. Es wird überdies verlangt, dass der Akt von dem Betroffenen schriftlich vor
der zuständigen kirchlich katholischen Autorität bekundet wird: vor dem
Ordinarius oder dem eigenen Pfarrer, dem allein das Urteil darüber zusteht, ob
wirklich ein Willensakt des in Nr. 2 beschriebenen Inhalts vorliegt oder nicht.
Daher wird der actus formalis defectionis ab Ecclesia catholica mit den
entsprechenden kirchenrechtlichen Sanktionen (vgl. c. 1364 § 1) nur vom
Vorhandensein der beiden Elemente konstituiert, nämlich vom theologischen Profil
des inneren Aktes und von seiner Bekundung in der festgelegten Weise.
6. In diesen Fällen sorgt dieselbe kirchliche Autorität dafür, dass der Eintrag
im Taufbuch (vgl. c. 535 § 2) erfolgt mit dem ausdrücklichen Vermerk „defectio
ab Ecclesia catholica actu formali“.
7. In jedem Fall bleibt klar, dass das sakramentale Band der Zugehörigkeit zum
Leib Christi, der die Kirche ist, aufgrund des Taufcharakters ein ontologisches
Band ist, das fortdauert und wegen des Aktes oder des Tatsache des Abfalls nicht
erlischt.
In der Gewissheit, dass der dortige Episkopat in Anbetracht der Heilsdimension
der kirchlichen Gemeinschaft die pastorale Motivation dieser Normen gut
verstehen wird, verbleibe ich mit in herzliche Verbundenheit
im Herrn Ihr
Julián Kard. Herranz
Präsident
Bruno Bertagna
Sekretär
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Die vorliegende Mitteilung wurde approbiert von Papst Benedikt XVI, der die
amtliche Bekanntmachung an alle Präsidenten der Bischofskonferenzen angeordnet
hat.