Buchs (www.kath.net) Nun ist er also inthronisiert, Papst
Benedikt XVI., „der Deutsche“, „der Konservative“, „der
Nachfolger des Grossinquisitors“, „die lange Hand des finstern
Mittelalters“, „der Papa Ratzi“ und wie er sonst noch betitelt
wurde. Der Nachfolger des Petrus, was übersetzt ‚der Fels’
bedeutet, scheint wirklich ein Stein des Anstosses zu sein.
Laut einer Umfrage von ‚10 vor 10’ des Schweizer Fernsehens
DRS vom 22. April findet die Hälfte der Schweizer Bevölkerung
die Wahl von Joseph Kardinal Ratzinger zum Papst gar nicht
gut. Da mag wohl noch anderes als Glaubensüberzeugung
mitschwingen.
In einer Zeit, wo Information nur
im Kurzfutter von Schlagzeilen vermittelt werden kann, bleibt
manches auf der Strecke, was auch noch berücksichtigt werden
müsste. „Der Deutsche“ wurde er genannt. Welche Gefühle sollen
damit angesprochen werden? Erinnerungen an die deutsche
Geschichte? Etwa Warnung vor einer Gefahr? Die Kirche nennt
sich römisch–katholisch. Römisch deshalb, weil es innerhalb
dieser Kirche noch 21 orientalisch–katholische gibt. Mit
Nationalität hat das nichts zu tun. Das Wort ‚katholisch’
weist darauf hin, dass für die katholische Kirche, auch für
ihr Oberhaupt, die Nationalität wirklich keine Rolle spielt.
Ein weiteres Schlagwort ist der
Begriff „konservativ“. Dieser Begriff wird negativ eingefärbt.
Als konservativ betitelt wird, wer aneckt, nicht mit der Masse
der bestimmenden Meinungsmehrheit brüllt. Weshalb
‚konservativ’ als etwas Bedrohliches hingestellt wird, bleibt
schleierhaft. ‚Konservativ’ bedeutet bewahren. Das Christentum
wie auch das Judentum, ja, Religionen überhaupt, sind in sich
konservativ. Die ganze Bibel ist ein konservatives Buch. Es
will die Erinnerung bewahren, was Gott alles an Gutem seinem
Volk getan hat. Der Kampf gegen die Erinnerung gehört zum
bewährten Mittel Machthabender. Ein Blick in die Geschichte
zeigt, wie Eroberer immer als erstes Spuren der Erinnerung
auszulöschen versuchen, um die Identität eines Volkes zu
brechen. Gerade das jüdische Volk ist ein Musterbeispiel
dafür, wie die Bewahrung der Erinnerung geholfen hat, die
Identität zu erhalten durch alle Schreckenszeiten hindurch.
Joseph Ratzinger war Präfekt der
römischen Glaubenskongregation. Dass in jedem Betrieb die
Qualitätssicherung hochgehalten und Controlling betrieben
wird, gehört zum Standard moderner Ökonomie. In der Kirche
jedoch soll es jedoch anders sein. Da wird eine Einrichtung,
welche überprüft, ob eine Meinung der Grundlage der Bibel und
der Überlieferung der kirchlichen Lehre entspricht, plötzlich
in die Ecke eines Geheimdienstes gedrängt. Und, schwupp, wird
mit der Wahl von Joseph Kardinal Ratzinger der alte Begriff
des „Grossinquisitors“ hervorgezaubert. Auch da sei die Frage
erlaubt: Welche Absicht steckt dahinter? Soll die Erinnerung
an die Hexenprozesse wachgerufen werden? Die
Glaubenskongregation als lebensbedrohende und
lebensgefährliche Institution?
Zum Jubiläumsjahr 2000 legte
Papst Johannes Paul II. ein Schuldbekenntnis ab zu den
Verirrungen in der Kirchengeschichte. Dies wurde
heruntergespielt. Jetzt aber wurde umso mehr ein verstaubtes
Schreckgespenst heraufbeschworen, als ob die Kirche unfähig
wäre, aus der Geschichte zu lernen. Und – forderten die
modernen, aufgeklärten Ideologien nicht auch ihre Millionen
von Opfern, angefangen von der französischen Revolution bis
hin zu den Opfern des Nationalsozialismus und des Kommunismus?
Wenn vom „langen Arm des finstern
Mittelalters“ gesprochen wird, dann zeugt dies schlichtweg von
Unkenntnis. Da wird das aufklärerische Cliché nachgeplappert,
was vor der Aufklärung, wäre geistige Finsternis gewesen. Die
Aufklärung hob die Autonomie des Menschen hervor, die sich von
nichts bevormunden lassen dürfe. Ob diese Autonomie nur zum
Guten führte, können eigentlich nur die Opfer moderner
Ideologien beurteilen, welche sich den menschlichen
Autonomieansprüchen nicht unterwarfen.
Es gäbe eine lange Liste weiterer
kritischen Begriffe, die hinterfragt werden könnten. So wird
der römisch–katholischen Kirche immer wieder vorgeworfen, sie
wäre hierarchisch statt demokratisch. Die Hierarchie wird als
prinzipieller Makel dargestellt. Massstab kirchlichen Handelns
und Denkens ist nun einmal nicht das Denken der breiten
Mehrheit, sondern die Offenbarung Gottes, wie sie durch die
Heilige Schrift gegeben ist.
Die Bibel aber ist kein Buch, welches die Zustimmung einer
Mehrheit findet. Würde demokratisch darüber befunden werden,
was Gültigkeit haben soll und was nicht, bliebe nicht mehr
viel übrig vom Inhalt der Bibel. Nicht zuletzt dürfte ein
Blick in die jüngste Geschichte zeigen, dass auch die
Demokratie an ihre Grenzen kommt. Diktatoren jeder Couleur
liessen sich demokratisch wählen. Demokratien wurden
demokratisch abgeschafft, wie z.B. beim
Reichsermächtigungsgesetz 1933 in Deutschland.
Mit grösster
Selbstverständlichkeit wird immer wieder behauptet, die Kirche
verbiete Empfängnisverhütung. So stimmt das nicht.
Familienplanung ist geradezu gefordert, um den Kindern eine
würdige Existenz zu ermöglichen. Abgelehnt werden Methoden der
Empfängnisverhütung, welche die Verantwortung einseitig der
Frau überlassen, wie zum Beispiel durch die Einnahme der
Pille. Gefördert wird die natürliche Geburtenplanung, welche
beide der Partner gleicherweise in Pflicht nimmt. Und wenn
dann noch behauptet wird, die katholische Kirche wäre
verantwortlich für die Bevölkerungsexplosion in der Welt, dann
zeugt dies von Blindheit. Die grösste Geburtenraten finden
sich weitgehend dort, wo der Einfluss der katholischen Kirche
praktisch gleich Null ist.
Immer wieder wird von Kritikern
die Autonomie und das Selbstbestimmungsrecht des Menschen
eingefordert. Nimmt jedoch die Kirche in ihren Entscheidungen
dieses Selbstbestimmungsrecht in Anspruch, wie zum Beispiel
beim Nichterlauben der Priesterweihe der Frau oder der
Zölibatsgesetzgebung, dann wird sie der
Menschenrechtsverletzung bezichtigt.
Papst Benedikt XVI. ist
eingesetzt. Die Medien wenden sich wieder andern
Grossereignissen zu. Ruhe kehrt ein. Es ist zu hoffen und zu
wünschen, dass sich in- und ausserhalb der
römisch–katholischen Kirche die Aufmerksamkeit wieder auf das
konzentriert, worauf der Papst in seiner Predigt vom 24. April
hingewiesen hat: „Das eigentliche Regierungsprogramm aber ist,
nicht meinen Willen zu tun, nicht meine Ideen durchzusetzen,
sondern gemeinsam mit der ganzen Kirche auf Wort und Wille des
Herrn zu lauschen und mich von ihm führen zu lassen, damit er
selbst die Kirche führe in dieser Stunde unserer Geschichte.“
Dekan Erich Guntli, Pfarrer
in Buchs,
St. Gallen |