Vernunft und Glaube 15

Kultur und Glaube II.

Eine neue Wirklichkeit.

 

In folgenden so einfachen Satz wird eine großartige Wahrheit beschrieben: Die Begegnung des Glaubens mit den verschiedenen Kulturen hat tatsächlich eine neue Wirklichkeit ins Leben gerufen. Wenn die Kulturen tief im Humanen verwurzelt sind, tragen sie das Zeugnis der typischen Öffnung des Menschen für das Universale und für die Transzendenz in sich. Deshalb stehen sie als verschiedene Annäherungen an die Wahrheit da; diese stellen sich als zweifellos nützlich für den Menschen heraus, den sie auf Werte hinweisen, die sein Dasein immer menschlicher machen können. Insofern sich dann die Kulturen auf die Werte der antiken Überlieferungen berufen, enthalten sie — zwar unausgesprochen, deshalb aber nicht weniger real — den Bezug auf das Sich-Offenbaren Gottes in der Natur, wie wir vorher bei der Besprechung der Weisheitstexte und der Lehre des hl. Paulus gesehen haben.

 Da die Kulturen in enger Beziehung zu den Menschen und ihrer Geschichte stehen, teilen sie dieselben dynamischen Kräfte, mit denen sich die menschliche Zeit Ausdruck verschafft. Demzufolge sind Veränderungen und Fortschritte zu verzeichnen, die auf den Begegnungen der Menschen miteinander und auf ihrem gegenseitigen Austausch über ihre Lebensmodelle beruhen. Die Kulturen nähren sich aus der Mitteilung von Werten, und ihre Lebenskraft und ihr Bestand rührt von der Fähigkeit her, offen zu bleiben für die Aufnahme des Neuen.

Welche Erklärung gibt es für diese dynamischen Kräfte? Jeder Mensch ist in eine Kultur verflochten, hängt von ihr ab und beeinflußt sie. Er ist zugleich Kind und Vater der Kultur, in der er eingebunden ist. In jeder seiner Lebensäußerungen trägt er etwas mit sich, was ihn aus der Schöpfung heraushebt: seine ständige Offenheit für das Geheimnis und sein unerschöpfliches Verlangen nach Erkenntnis. Infolgedessen trägt jede Kultur das Prägemal der auf eine Vollendung hin gerichtete Spannung an sich und läßt sie durchscheinen. Man kann daher sagen, die Kultur hat die Möglichkeit in sich, die göttliche Offenbarung anzunehmen.

Die Art und Weise, wie die Christen den Glauben leben, ist auch durchdrungen von der Kultur ihrer Umgebung und trägt ihrerseits dazu bei, fortlaufend deren Wesensmerkmale zu gestalten. Die Christen bringen in jede Kultur die von Gott in der Geschichte und in der Kultur eines Volkes geoffenbarte, unwandelbare Wahrheit von Gott ein. So pflanzt sich im Laufe der Jahrhunderte das Ereignis immer weiter fort, dessen Zeugen die am Pfingsttag in Jerusalem anwesenden Pilger waren. Als sie den Aposteln zuhörten, fragten sie sich: »Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Zyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, Juden und Proselyten, Kreter und Araber, wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden« (Apg 2, 7-11). Die Verkündigung des Evangeliums in den verschiedenen Kulturen verlangt von den einzelnen Empfängern das Festhalten am Glauben; sie hindert die Empfänger aber nicht daran, ihre kulturelle Identität zu bewahren. Das erzeugt keine Spaltung, weil sich das Volk der Getauften durch eine Universalität auszeichnet, die jede Kultur aufnehmen kann, wodurch die Weiterentwicklung des in ihr implizit Vorhandenen hin zu seiner vollen Entfaltung in der Wahrheit begünstigt wird.

Die Schlußfolgerung daraus ist, daß eine Kultur niemals zum Urteilskriterium und noch weniger zum letzten Wahrheitskriterium gegenüber der Offenbarung Gottes werden kann. Das Evangelium steht nicht im Gegensatz zu dieser oder jener Kultur, als wollte es ihr bei der Begegnung mit ihr das aberkennen, was zu ihr gehört, und sie zur Annahme äußerer Formen nötigen, die nicht zu ihr passen. Im Gegenteil, die Verkündigung, die der Gläubige in die Welt und in die Kulturen trägt, ist eine wirkliche Form der Befreiung von jeder durch die Sünde eingeführten Unordnung und zugleich Aufruf zur vollen Wahrheit. Bei dieser Begegnung wird den Kulturen nichts aberkannt; sie werden sogar ermuntert, sich dem Neuen zu öffnen, das die Wahrheit des Evangeliums enthält, um daraus Ansporn zu weiteren Entwicklungen zu gewinnen.


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