Vernunft und Glaube 17

Die Theologie braucht die Philosophie.

Ein weiterer bedeutsamer Standort der Philosophie ergibt sich, wenn die Theologie selbst die Philosophie hineinzieht. In Wirklichkeit hat die Theologie immer den philosophischen Beitrag gebraucht. Sie braucht ihn auch weiterhin. Da die theologische Arbeit ein Werk der kritischen Vernunft im Lichte des Glaubens ist, ist für sie bei ihrem ganzen Forschen eine in begrifflicher und argumentativer Hinsicht erzogene und ausgebildete Vernunft Voraussetzung und Forderung. Darüber hinaus braucht die Theologie die Philosophie als Gesprächspartnerin, um die Verständlichkeit und allgemeingültige Wahrheit ihrer Aussagen festzustellen. Nicht zufällig wurden von den Kirchenvätern und von den mittelalterlichen Theologen nichtchristliche Philosophien für diese Erklärungsfunktion übernommen. Diese historische Tatsache weist auf den Wert der Autonomie hin, den die Philosophie auch in diesem dritten Standort bewahrt, zeigt aber zugleich die notwendigen und tiefgreifenden Veränderungen auf, die sie auf sich nehmen muß.

Würde sich der Theologe weigern, von der Philosophie Gebrauch zu machen, liefe er Gefahr, ohne sein Wissen Philosophie zu treiben und sich in Denkstrukturen einzuschließen, die dem Glaubensverständnis wenig angemessen sind. Der Philosoph wiederum würde sich, wenn er jeden Kontakt mit der Theologie ausschlösse, verpflichtet fühlen, sich eigenständig der Inhalte des christlichen Glaubens zu bemächtigen, wie das bei einigen modernen Philosophen der Fall war. Im einen wie im anderen Fall würde sich die Gefahr der Zerstörung der Grundprinzipien der Autonomie ergeben, deren Garantie jede Wissenschaft mit Recht für sich fordert.

 In diesem letzten Teil  will ich einige Forderungen aufzeigen, die heute die Theologie — und zuvor noch das Wort Gottes — an das philosophische Denken und die modernen Philosophien stellt. Wie ich bereits hervorgehoben habe, muß der Philosoph nach eigenen Regeln vorgehen und sich auf seine eigenen Prinzipien stützen; die Wahrheit kann jedoch nur eine sein. Die Offenbarung mit ihren Inhalten wird niemals die Vernunft bei ihren Entdeckungen und in ihrer legitimen Autonomie unterdrücken können; umgekehrt wird jedoch die Vernunft in dem Bewußtsein, sich nicht zu absoluter und ausschließlicher Gültigkeit erheben zu können, nie ihre Fähigkeit verlieren dürfen, sich fragen zu lassen und zu fragen. Indem die geoffenbarte Wahrheit von dem Glanz her, der von dem subsistenten Sein selbst ausgeht, volle Erhellung über das Sein gewährt, wird sie den Weg der philosophischen Reflexion erleuchten. Die christliche Offenbarung wird somit zum eigentlichen Ansatz- und Vergleichspunkt zwischen philosophischem und theologischem Denken, die zueinander in einer Wechselbeziehung stehen.

 Daher ist es wünschenswert, daß sich Theologen und Philosophen von der einzigen Autorität der Wahrheit leiten lassen und eine Philosophie erarbeiten, die im Einklang mit dem Wort Gottes steht. Diese Philosophie wird der Boden für die Begegnung zwischen den Kulturen und dem christlichen Glauben sein, der Ort der Verständigung zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden. Sie wird hilfreich sein, damit sich die Gläubigen aus nächster Nähe davon überzeugen, daß die Tiefe und Unverfälschtheit des Glaubens gefördert wird, wenn er sich mit dem Denken verbindet und nicht darauf verzichtet. Und wieder ist es die Lehre der Kirchenväter, die uns zu dieser Überzeugung führt: »Dasselbe glauben ist nichts anderes als zustimmend denken [...]. Jeder, der glaubt, denkt; wenn er glaubt, denkt er, und wenn er denkt, glaubt er [...]. Wenn der Glaube nicht gedacht wird, ist er nichts«. Und an anderer Stelle heißt es: »Wenn einer die Zustimmung aufgibt, gibt er den Glauben auf, denn ohne Zustimmung glaubt man überhaupt nicht«.

 Die beiden obengenannten Forderungen ziehen eine dritte nach sich: Erforderlich ist eine Philosophie von wahrhaft metaphysischer Tragweite; sie muß imstande sein, das empirisch Gegebene zu transzendieren, um bei ihrer Suche nach der Wahrheit zu etwas Absolutem, Letztem und Grundlegendem zu gelangen.

 Das ist eine selbstverständliche Forderung, die sowohl für die auf Grund der Weisheit wie auch für die auf analytischem Wege gewonnenen Erkenntnis Geltung hat; es ist im besonderen eine Forderung an die Erkenntnis des sittlich Guten, dessen letzter Grund das höchste Gut, Gott selber, ist. Ich spreche hier nicht von der Metaphysik als einer bestimmten Schule oder einer besonderen geschichtlichen Strömung. Ich möchte nur bekräftigen, daß die Wirklichkeit und die Wahrheit das Tatsächliche und Empirische übersteigen. Zudem will ich die Fähigkeit des Menschen geltend machen, diese transzendente und metaphysische Dimension wahrhaftig und sicher, wenngleich auf unvollkommene und analoge Weise, zu erkennen. So verstanden, darf die Metaphysik nicht als Alternative zur Anthropologie gesehen werden, gestattet es doch gerade die Metaphysik, dem Begriff von der Würde der Person, die auf ihrer geistigen Verfaßtheit fußt, eine Grundlage zu geben. Besonders die Person stellt einen bevorzugten Bereich dar für die Begegnung mit dem Sein und daher mit dem metaphysischen Denken.

Wo immer der Mensch einen Hinweis auf das Absolute und Transzendente entdeckt, öffnet sich für ihn ein Spalt zur metaphysischen Dimension des Wirklichen: in der Wahrheit, in der Schönheit, in den sittlichen Werten, in der Person des anderen, im Sein selbst, in Gott. Eine große Herausforderung, die uns am Ende dieses Jahrtausends erwartet, besteht darin, daß es uns gelingt, den ebenso notwendigen wie dringenden Übergang vom Phänomen zum Fundament zu vollziehen. Wir können unmöglich bei der bloßen Erfahrung stehenbleiben; auch wenn diese die Innerlichkeit des Menschen und seine Spiritualität ausdrückt und verdeutlicht, muß das spekulative Denken die geistliche Mitte und das sie tragende Fundament erreichen. Ein philosophisches Denken, das jede metaphysische Öffnung ablehnte, wäre daher völlig ungeeignet, im Verständnis der Offenbarung als Vermittlerin wirken zu können.

 


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