ROSENKRANZ-BUCH



Die Richtschnur der Hoffnung
Buchrezension
Von Alexander Schwabe


Der Rom-Korrespondent Paul Badde ist ein Experte für Religion und das Heilige Land. Seine Leser nimmt er dennoch nicht ins Gebet. Dafür bringt er ihnen behutsam die Praxis des Rosenkranzgebets näher - in einem so klugen wie spannenden Buch.

Journalisten, wenn sie nicht über Lokales schreiben, haben oft das Gefühl, ihre Artikel ins Nichts hinauszusenden. Mit dem Schlusspunkt entlassen sie ihr Werk und wissen meist nicht, was es beim Leser bewirkt. Paul Badde, Korrespondent der "Welt" in Rom, bekam mindestens einmal in seiner Laufbahn Resonanz - und zwar von allerhöchster Stelle.

Als sein Telefon klingelte, meldete sich eine Männerstimme auf Italienisch: "Hier ist das Sekretariat des Heiligen Vaters." "Und hier ist der Kaiser von China", entgegnete Badde in der Vermutung, einer seiner deutschen Freunde wolle ihn verulken.

"Nein, nein", sagte die Stimme am anderen Ende, "hier ist wirklich Stanislaus Dziwisz". Er rufe im Auftrag des Heiligen Vaters an, sagte der Privatsekretär Johannes Pauls II. Der Papst lasse grüßen und wolle sich bedanken für Baddes Artikel, der "molto bravo!" sei.

Badde hatte in seiner Zeitung über einen Besuch des Papstes in Pompeji geschrieben. Dort hatte Johannes Paul II., schon schwer gezeichnet von seiner Krankheit, in der Marienbasilika Abschied von den Gläubigen Italiens genommen, indem er mit ihnen den Rosenkranz betete.

Badde, selbst gläubiger Katholik, ist Fachmann für den Rosenkranz. In seinen Jahren vor Rom war er für die "Welt" in Israel, als dort die zweite Intifada tobte. Parallel zur Berichterstattung über diesen Gewaltausbruch zwischen Palästinensern und Israelis, der das geteilte Land täglich erschütterte, besuchte er die 20 Stationen der christlichen Heilsgeschichte, von denen allein zwölf in Jerusalem liegen und die im Rosenkranzgebet erinnert werden.

 Darüber hat Badde nun ein Buch geschrieben, ein mutiges Unterfangen: Denn als politischer Korrespondent schreibt er über die sehr persönliche Praxis des Gebets. Der Autor ist sich des Risikos bewusst: "Beten gilt als doof, nicht zu beten als aufgeklärt und schlau, vom Gebet zu reden als obszön."

Doch Badde macht das Spirituelle zugänglich, indem er seinen eigenen Weg beschreibt: zunächst den professionellen als Journalist, der ihn nach Jerusalem führte. Dann die Fortsetzung der Reise ins Innere, den historisch überlieferten Rosenkranzstationen entlang: Inmitten der schroffsten Realität zeigt sich Badde eine subjektive Wirklichkeit, die ihn über den brutalen Alltag erhebt.

Badde zufolge ist dies eine Wirklichkeit, die sich einstellt, wenn sich der Beter in die "vier mal fünf Ikonen der Heilsgeschichte" versenkt: in den freudenreichen Rosenkranz, der Geburt und Kindheit Jesu betrachtet; in den lichtreichen, der das öffentliche Auftreten Jesu erinnert; in den schmerzensreichen, der Passion und Tod Jesu thematisiert und in den glorreichen, der die Auferstehung Christi von den Toten in ihren Konsequenzen betrachtet.

Es sei eine "Schau auf das Leben Christi durch die Worte hindurch". Dieses Schauen lasse das "Gerede" hinter sich; Badde bezeichnet es als ein "Sehen, das nicht seziert, sondern zusammenfügt". Da der Rosenkranz mit dem Wandern der Finger entlang der Kugelschnur und dem Kreuz den Stationen des Lebens Christi folgt, "vernäht" er die christliche Existenz mit dem "Heiligen Land". Insofern ist jeder Kranz "eine kleine Pilgerreise". "Rosenkranz beten heißt: Pilgern mit den Fingern."

Und weil Baddes "Pilgerreise" durch das "Heilige Land" führt, erfährt der Leser auch viel über die Geschichte Israels, vor allem über die vergangenen 60 Jahre seit der Staatsgründung. Zutiefst berührend sind die Kapitel über Jad Waschem, die Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem, wohin Badde 2001 den Papst begleitete.

Immer wieder berichtet der Autor von religiös aufgeladenen Momenten, die im "Heiligen Land" seinen Glauben vertieften.
Man nimmt es ihm ab: Ihm hat das Rosenkranzbeten Angst genommen und Ruhe und Friede gegeben.

Das Faszinierende dabei: Nicht der Beter muss in irgendeiner Form Besinnlichkeit herstellen, sondern das Rezitieren der vorgegebenen Worte wird den Beter im Nachhinein verändern. "Der Rosenkranz ist kein Gebet, das durch unsere besondere und angestrengte Andacht gewinnt. Im Gegenteil: Er macht andächtig", schreibt Badde. "Er nimmt keine Zeit, er schenkt Zeit. Und Ruhe. Und Frieden. Und Furchtlosigkeit. Und Gelassenheit. Nicht wir müssen dieses Gebet verändern. Dieses Gebet verändert uns".

Wer dies nicht nachvollziehen kann, dem antwortet Badde mit einem Zitat Joseph Ratzingers: "Große Dinge werden durch Wiederholung nicht langweilig. Nur das Belanglose braucht die Abwechslung und muss schnell durch anderes ersetzt werden. Das Große wird größer, indem wir es wiederholen, und wir selbst werden reicher dabei und werden still und werden frei."


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Paul Badde: "Heiliges Land. Auf dem Königsweg aller Pilgerreisen", Gütersloher Verlagshaus 2008, 272 Seiten, 19,95 Euro

ZUR PERSON

Paul Badde, seit 2000 Korrespondent der "Welt" zunächst in Jerusalem, heute in Rom und beim Vatikan. Zuvor viele Jahre Reporter bei der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Seine letzten Buchveröffentlichungen: "Die himmlische Stadt" (1999), "Maria von Guadalupe" (2003), "Das göttliche Gesicht" (2006)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 





 

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