Professor Josef Rötzer im idea-Interview: Paare,
die die NER praktizieren, tun auch ihrer Ehe etwas Gutes: Die Liebe
wächst, die Erotik bleibt.
Vöcklabruck (www.kath.net / idea)
Verhütung scheint ein Hauptproblem des modernen Menschen zu sein.
Pharmakonzerne wie Schering leben zu einem erheblichen Teil vom
Verkauf der Anti-Baby-Pille. Aus Australien kam Anfang Oktober die
Nachricht, man habe eine Dreimonatsspritze als wirksames
Verhütungsmittel für den Mann erprobt. In den Hintergrund getreten ist
in der öffentlichen Diskussion die Möglichkeit, auf natürliche Weise
eine Schwangerschaft zu vermeiden. Der Mediziner Prof. Josef Rötzer
(Vöcklabruck/Österreich) hat seit 1951 die sogenannte sympto-thermale
Methode entwickelt, besser bekannt als Natürliche Empfängnisregelung
(NER).
Durch Messen der Aufwachtemperatur und
Selbstbeobachtung des Körpers können Frauen sehr genau bestimmen, in
welcher Phase ihres Monatszyklus sie fruchtbar sind. Frauen aus der
Öko-Bewegung begeistern sich ebenso für diese chemiefreie Methode wie
katholische und evangelikale Christen, die darin ein in Gottes
Schöpfung angelegtes Prinzip zur Geburtenregelung sehen. Kritiker
sagen dagegen, NER sei weder natürlich noch sicher. Eine Bilanz zieht
der 83jährige Katholik Rötzer im Gespräch mit idea-Reporter Marcus
Mockler.
Herr Prof. Rötzer, wieviele Frauen betreiben
heute Empfängnisregelung nach Ihrer Methode?
Rötzer: Darüber gibt es leider keine Zahlen. Mein
dazugehöriges Buch ist 1965 erstmals erschienen, wurde in 16 Sprachen
übersetzt, es liegt jetzt bei der 37. Auflage und wurde mehr als
500.000 Mal verkauft.
In welchen Ländern ist NER denn am stärksten
verbreitet?
Rötzer: Im deutschsprachigen Raum, in Italien, in
England, inzwischen auch in Paraguay und in Kroatien. Die meisten
Multiplikatoren sind bislang in Polen ausgebildet worden. Dort haben
auch viele Ärztinnen an Kursen teilgenommen.
Dennoch muss man sagen: In der Fachwelt ist der
Ruf der Methode nicht gerade gut.
Rötzer: Das liegt daran, dass selbst Frauenärzte
sich mit der Materie nicht auskennen. Es gibt bis heute kein
deutschsprachiges Lehrbuch der Gynäkologie, das die Zyklusbeobachtung
richtig darstellt. Das habe ich in einem wissenschaftlichen Aufsatz
nachgewiesen. Das bedeutet: Gynäkologen haben in aller Regel die
Bedeutung des Monatszyklus für medizinische Diagnosen und die mögliche
Empfängnisregelung nicht verstanden.
Warum sollte die Fachwelt so ignorant sein?
Rötzer: Die Technik hat überhand genommen. Man
misst lieber im Labor den Hormonspiegel und untersucht per Ultraschall
den Eierstock, als dass man die Beobachtungsgabe der Frauen schult,
obwohl das im Normalfall verläßlichere Ergebnisse bewirken könnte als
die Technik.
Was müsste geschehen, damit Ihre Erkenntnisse
auch in der Fachwelt einen Durchbruch erreichen?
Rötzer: Wir müssten in die Medien kommen. Ich hatte
1980 eine Sendung im ZDF um 20.15 Uhr, zur optimalen Sendezeit. Dem
folgte ein immenses Echo. Die Österreichische Rundfunk hat’s nicht
übernommen; sie sagten, sie hätten eine andere Meinung zu dem Thema.
Auch bei Frauenzeitschriften kommen wir nicht rein. Manche zuständige
Redakteurinnen haben andere Entscheidungen getroffen: Pille, Spirale,
Sterilisation. Ein Beitrag über NER würde zu sehr ihren eigenen Weg
infrage stellen, sie sind psychisch blockiert.
Gibt es von evangelischen Kirchen Unterstützung?
Rötzer: An der Basis gibt es Pfarrersehepaare, die
uns sogar sehr unterstützen. Andererseits schlucken aber auch viele
Pfarrerinnen und Ehefrauen von Pfarrern die Pille und machen sich dann
nicht mehr für den natürlichen Weg stark. Was die meisten nicht mehr
wissen: Bis zum Jahr 1930 war auch der Protestantismus zutiefst davon
überzeugt, dass Verhütung unbiblisch ist und für Christen nicht in
Frage kommt.
Das sagt schon lange keine evangelische Synode
mehr. In der katholischen Kirche haben Sie es da vermutlich leichter.
Rötzer: Anfangs nicht. Im deutschen Sprachraum
hatten wir zunächst mehr evangelische Multiplikatoren als katholische!
Die Protestanten gingen damals unvoreingenommener an die Sache. Im
katholischen Klima hieß es, nach der päpstlichen Enzyklika “Humanae
Vitae” verbiete die Kirche die Empfängnisverhütung. Davon grenzten
sich viele Katholiken ab, teilweise durfte ich in katholischen
Bildungshäusern nicht sprechen. Evangelikale Christen gingen an das
Thema aus biblischer Sicht heran – und waren deshalb viel offener für
NER. Hier hat das evangelische Missionarsehepaar Ingrid und Walter
Trobisch eine entscheidende Rolle gespielt. Frau Trobisch hat den
Bestseller “Mit Freuden Frau sein” geschrieben, der unter anderem NER
vorstellt und viele Christinnen für den natürlichen Weg gewonnen hat.
Gerade in Deutschland und in der Schweiz hätte NER ohne das Engagement
evangelikaler Christen kaum Fuß fassen können.
Warum halten Sie den natürlichen Weg für den
besseren, ja für den einzig bibelgemäßen?
Rötzer: Er ist so vom Schöpfer vorgegeben. Der
Zyklus ist auswertbar, ohne der Frau zu schaden. Die meisten
künstlichen Methoden sind Chemie, die in den Frauenkörper
hineingepumpt wird. Ich nenne das statt Umweltverschmutzung
Innenweltverschmutzung. Die krebsfördernde Wirkung der Pille wird
leider in der Öffentlichkeit heruntergespielt, etwa ihre Förderung von
Brust- und Gebärmutterhalskrebs.
Ist demnach NER gesünder?
Rötzer: Ja. Dazu kommen die Ergebnisse der
Hirnforschung. Dort hat man festgestellt, daß der Mensch im Bereich
des vorderen Stirnhirns oberhalb des Auges das sogenannte Orbitalhirn
besitzt, das für die Beherrschung der Triebe ausschlaggebende
Bedeutung hat, also ethisches Handeln letztlich erst ermöglicht. Diese
Fähigkeit, die nur der Mensch hat, kommt bei der Natürlichen
Empfängnisregelung zur Entfaltung. Es verschafft ihm die Möglichkeit,
frei zu handeln, nicht nur ein Getriebener seiner Sexualhormone zu
sein.
Warum soll NER ethischer sein als das Kondom?
Rötzer: Weil sich der Mensch mit dem Kondom der
Aufgabe der Selbstdisziplin enthebt. Er nimmt eine Abkürzung, die der
Schöpfer nicht vorgesehen hat.
Was ist denn mit Frauen, die aus medizinischen
Gründen auf keinen Fall mehr schwanger werden dürfen. Ist bei denen
nicht der Einsatz von Pille oder Kondom angemessen?
Rötzer: Gerade Frauen, die aus medizinischen
Gründen nicht mehr schwanger werden dürfen, dürfen aus denselben
Gründen auch kein Hormonpräparat nehmen. Die Pille scheidet also aus.
Man muss hinzufügen, dass moderne Pillen wegen einer niedrigeren
Hormondosierung auch eine gewisse frühabtreibende Wirkung haben
können. Das heißt: Sie verhindern nicht in jedem Zyklus den Eisprung,
verändern aber die Gebärmutter so, dass sich eine befruchtete Eizelle
– also ein Mensch in seinem frühesten Stadium – nicht einnisten kann.
Dann hätte die Pille eine ähnliche Wirkung wie
die Spirale.
Rötzer: Das kann zumindest nicht ausgeschlossen
werden. Zum Kondom ist zu sagen, dass es für die, die auf keinen Fall
schwanger werden dürfen, zu unsicher ist. Von 100 Paaren, die ein Jahr
lang mit Kondom verhüten, werden etwa 5 schwanger. Da ist NER
zuverlässiger! Verhütung ist nie sicher. Biologisch zuverlässig ist
dagegen, dass man in der sogenannten Gelbkörperphase im Zyklus nie
schwanger werden kann. Mit Hilfe der von uns entwickelten
sympto-thermalen Methode kann man diese Gelbkörperphase mit Sicherheit
feststellen.
NER setzt voraus, dass beide Partner
diszipliniert mitmachen. Was soll die Frau aber tun, wenn ihr Mann
Enthaltsamkeit ablehnt?
Rötzer: Diese Frau ist zunächst einmal
bedauernswert und muss möglicherweise bei der Empfängnisregelung
andere Wege gehen. Wir glauben aber, dass auch diese Frau Kenntnisse
über ihren Zyklus erwerben und versuchen sollte, ihren Mann liebevoll
für den natürlichen Weg zu gewinnen.
Kritiker sagen, dass NER gerade nicht natürlich
sei, weil die Frau in ihren fruchtbaren Tagen auf Sex verzichten muss
– also gerade in der Zeit, wo sie am meisten Verlangen hat.
Rötzer: In den Jahrhunderten, als man noch nichts
wusste von fruchtbaren und unfruchtbaren Tagen, kannten die Frauen
auch keine Phasen, in denen sie mehr Lust gehabt hätten.
Untersuchungen belegen, dass die Libido auch in den unfruchtbaren
Tagen sehr ausgeprägt sein kann.
Funktioniert NER denn auch bei Frauen mit sehr
unregelmäßigem Zyklus?
Rötzer: So unregelmäßig kann ein Zyklus nicht sein,
dass NER nicht anwendbar wäre. Häufig wird der Zyklus allein durch die
Beobachtung regelmäßiger. Für eine eventuell notwendige Therapie zur
Zyklusregulierung ist es geradezu Voraussetzung, den eigenen Zyklus
genau zu kennen. Zum falschen Zeitpunkt eingesetzte Medikamente
bringen den Zyklus nämlich manchmal noch stärker durcheinander.
In manchen christlichen Familien, die Nachwuchs
haben, ist von “Rötzer”-Kindern die Rede. Die Eltern sind der Meinung,
dass sie trotz Anwendung Ihrer Methode ein Kind bekommen haben. Was
antworten Sie denen?
Rötzer: Wir ersuchen alle diese Paare, uns ihre
Aufzeichnungen zu schicken. In der Regel greifen wir dabei ins Leere –
oft so weit, dass überhaupt keine Aufzeichnungen existieren! Manche
sind rein nach Kalender gegangen, andere haben während der fruchtbaren
Tage auf ein (unsicheres) Kondom gesetzt. Das hat dann mit NER nichts
mehr zu tun. Trotzdem behaupten sie, “der Rötzer” hat versagt.
Gibt es denn bei korrektem Einsatz nie
Schwangerschaften?
Rötzer: Wir haben mehr als 300.000 Zyklen gesehen,
davon 60.000 gründlicher analysiert. Es kommt hin und wieder zu
Anwendungsfehlern – mit der möglichen Folge einer Schwangerschaft. Bei
den Verhütungsmitteln sind Schwangerschaften aufgrund ihrer mangelnden
Sicherheit geradezu vorprogrammiert. Wir können heute aus unserer
Erfahrung sagen: Nichts ist sicherer als die Natürliche
Empfängnisregelung ...
... die aber etwas anstrengend ist. Zählt man
die fruchtbare Phase mit den notwendigen Tagen der Enthaltung
zusammen, so fällt mehr als ein Drittel des Zyklus für den
Geschlechtsverkehr aus.
Rötzer: Das können so viele Tage sein, es können
aber auch weniger sein. Wir sagen nicht, dass NER ein leichter Weg
ist. Aber es stabilisiert eine Ehe auch. Paare, die NER praktizieren,
sind laut Statistik kaum scheidungsgefährdet. Das liegt daran, dass
sie gelernt haben, miteinander im Gespräch zu bleiben und aufeinander
Rücksicht zu nehmen. Wir kennen viele Ehepaare, die gestalten die
enthaltsamen Tage besonders harmonisch. Und für die sind die Stunden
des Wieder-Zusammenkommens wie kleine Flitterwochen, nach denen man
sich gesehnt hat. Die Liebe wächst, die Erotik bleibt, es entsteht ein
neues Knistern. Diese reichen Gefühle verflachen, wenn Sex
buchstäblich pausenlos praktiziert wird.
Wir danken für das Gespräch.
Hintergrund: Natürliche Empfängnisregelung (NER)
Natürliche Empfängnisregelung (NER) beruht auf der
wissenschaftlich gesicherten Tatsache, dass im Regelmonat (Zyklus) der
Frau die meisten Tage unfruchtbar sind. Wenn ein Ehepaar die Zeichen
der Fruchtbarkeit zu deuten versteht, kann es bewusst eine
Schwangerschaft anstreben oder auch vermeiden. Bei richtiger Anwendung
ist die Methode zuverlässiger als Verhütungsmittel. Voraussetzung für
die hohe Zuverlässigkeit ist eine gute Motivation des Ehepaares, sich
umfassend zu informieren, sich bei Bedarf schulen zu lassen, die
notwendigen Aufzeichnungen konsequent zu führen und die angegebenen
Regeln genau zu beachten. Das wichtigste Symptom der Fruchtbarkeit ist
eine vermehrte schleimige Absonderung aus der Scheide, genannt
Zervixschleim. Er wird an den fruchtbaren Tagen im Halsteil der
Gebärmutter gebildet. Durch Beobachtung lernt die Frau, diesen Schleim
als Zeichen für die möglicherweise fruchtbare Zeit zu deuten. Mit
Hilfe der täglich zu messenden Aufwachtemperatur wird dann die sicher
unfruchtbare Zeit bestimmt. Weitere Zeichen des Zyklusgeschehens, etwa
der Zustand des Muttermundes, bringen für jede einzelne Frau wertvolle
Hinweise auf die fruchtbare und unfruchtbare Zeit.
www.iner.org
Buchtipps:
Josef Rötzer, Natürliche Empfängnisregelung. Die sympto-thermale
Methode - Der partnerschaftliche Weg, Herder, 13,30 Euro.
Josef Rötzer, Der persönliche Zyklus der Frau. Von der Vorpubertät bis
in die Wechseljahre, Herder, 9,80 Euro.
Ingrid Trobisch, Mit Freuden Frau sein, 262 Seiten, R. Brockhaus,
15,90 Euro.
Die Bücher können direkt bei KATH.NET in
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werden. Lieferung in alle deutschsprachigen Länder möglich. Es werden
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Auf KATH.NET seit dem: 31. 10. 2003 13:00 Uhr
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