Christa Meves wurde 1925 in Neumünster geboren. Sie studier­te Germanistik, Geographie und Philosophie an den Universitäten Breslau und Kiel. 1949 legte sie das Staatsexamen für das Lehramt in Hamburg ab. Anschließend studierte sie an der Universität Hamburg Psychologie und ließ sich an den Psychotherapeutischen Instituten in Hannover und Göttingen zur Psychotherapeutin ausbilden. Sie arbeitet als freipraktizierende Kinder- und Jugend­psychotherapeutin in Uelzen. Frau Meves ist mit einem Arzt verheiratet, Mutter zweier Töchter und hat 6 Enkelkinder. 1974 erhielt sie die Wilhelm-Bölsche-Medaille, 1976 den Prix AMADE, 1978 wurde ihr der Niedersächsische Verdienstorden verliehen. Sie ist Trägerin des Konrad-Adenauer-Preises der Deutschlandstiftung des Jahres 1979. 1985 wurde ihr das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse überreicht.

Freude am Katholischsein

von Christa Meves

,Wohin gehen wir? Immer nach Hause", hat Novalis gesagt Ich bin vor sechs Jahren zu Hause angekommen, und das Glück darüber wacht jeden Morgen neu mit mir auf Es ist allem Glückserleben, das ich in meinem Leben reichlich erfahren durfte, über - es ist aktivierendes Hoch­gefühl und umfriedete Beruhigung, ein unauslotbares Gehaltensein und nicht mehr verwundbare Geborgenheit Es ist das alles in einem und das fortgesetzt und so immer noch glückssteigender, immer noch mehr und weiter dankbar erhebend.

Zu meiner Firmung am 7. Juli 1987 schenkte mir mei­ne Heimatgemeinde ,Zum göttlichen Erlöser" einen Able­ger des tausendjährigen Rosenstocks vom Domhof unse­res Bischofssitzes zu Hildesheim, und mit diesem Geschenk in all seiner Symbolträchtigkeit brandete brief­korbfüllend öffentliches und vielfältigst persönlich artiku­liertes Mißtrauen an mich an, ob eine solche späte Ein­wurzelung überhaupt noch möglich sei.

Es war ein heißer Hochsommertag, als wir die kostbare Pflanze sorgsam in unseren Garten trugen - und selbst mein gärtnerisch versierter Ehemann hielt dies für ein fragwürdiges Unternehmen mit ungewisser Prognose. Und da mußte in der Tat täglich gekämpft werden: gegen Dürre und Hitze, gegen die Konkurrenz mit einer eifersüchtigen Klematis. Im ersten Winter war schützende Umhüllung gegen Frost und Schnee nötig und im folgenden Frühjahr mußte Ungeziefer vernichtet werden. Düngung wurde nötig. Doch dann begann sich der Rosenstock prachtvoll zu entfalten, er blühte zum zweiten Firmgeburtstag zu rosa Blütenpracht und überschüttet uns seitdem Jahr für Jahr mit einer Fülle rotglänzender Hagebuttenfrüchte. Die Rose mit Namen „Sancta ecclesia" hat - allen Unkenrufen zum Trotz - in unserem Garten Wurzel geschlagen!

Wie kommt es zu so viel blütenreicher Freude am Katholischsein? Den meisten Menschen, denen meine Konversion durch die Medien bekannt wurde (leider!), ist das befremdlich. Der Zeitgeist hat für Katholischsein Synonyme wie ,veraltet", erstarrt", nerzkonservativ", "funda­mentalistisch", formalistisch", ,prunksüchtig", autoritär" und neurotisierend" parat - in den elektronischen Medi­en ohnehin in oft diffamierendem Ton und manchmal sogar mitgeheult von Insidem in selbstbezichtigender Nabelschau.

Wie kann eine Publizistin, die doch auf öffentliches Ansehen geradezu angewiesen ist, sich durch so einen Schritt derart ins eigene Fleisch schneiden und sich zu einer so wenig angesehenen Institution wie der katholi­schen Kirche öffentlich bekennen? Das war nicht nur ein Tenor in dem schier endlosen Briefstrom, das war auch die Konsequenz für manche Reaktionen: Solch eine Ver­rücktheit kann nur mit Ausgrenzung bestraft werden.

All dies vorher bedacht und dennoch getan, genoß ich es in Parallelität zur Geschichte vom verlorenen Sohn (selbst auch unter den frustriert kopfschüttelnden Blicken des daheimgebliebenen Bruders" glücklich), beim Vater in der neu gewonnenen Heimat zu sein. Und es läßt sich sogar rational begründen und soll im folgenden - in Erfül­lung der so notwendigen Intention und Bitte des Heraus­gebers - versucht werden.

Zunächst: Wo viel Dunkelheit war, wird das Licht besonders dankbar empfangen. Wo viel Kälte zusammen­zog, ist Wärme besonders genußreich. Wo unruhige Sorge bedrängte, wird Entlastung besonders intensiv als Erleich­terung erlebt.

Vom Ende der 60er Jahre an stand ich zunehmend in so einer Bedrängnis. Ich hatte durch meine praktische Arbeit als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und durch meine Zusammenarbeit mit Verhaltensforschem eine Entdeckung gemacht: Seelische Gesundheit im Erwachsenenalter ist (u.a.) in einem hohen Maße davon abhängig, ob den Kindern in hinreichender und gekonn­ter Weise ihre lebensnotwendigen Urbedürfnisse erfüllt werden. Sie sind an (unzureichend bekannte) Naturgesetze gebunden, deren Befolgung durch einen instinktsicheren oder wissenden Liebeseinsatz der Eltern, besonders aber der Mutter geleistet werden müssen. Ohne diese instinkti­ve oder wissende Liebe wird der Mensch häufig später weder liebes- noch arbeitsfähig. Je unzureichender oder falsch die Pflege und Erziehung des Kindes gehandhabt wird, um so gefährdeter wird der Mensch, hinter dem Potential seiner in ihm angelegten Möglichkeiten zurück­zubleiben oder gar ganz zu verkümmern, und das heißt, süchtig, kriminell oder depressiv zu werden.

Zu der am Anfang noch sehr kreatürlichen Liebe muß für das Kind im Laufe seines Werdeganges geistliche Orientierung und Erziehung hinzukommen, damit es im Erwachsenenalter reifes Menschsein entfalten kann. Diese Erkenntnis als Frucht der Beschäftigung mit seelisch geschädigten jugendlichen und Kindern - so mein Resümee - stimmt mit der Grundaussage des Christentums überein. Ja, ich empfand meine Lehre in zunehmendem Maße als eine Konkretion der christlichen Offenbarung für eine Zeit, die in einem immer künstlicher werdenden Leben die not­wendigen Eingebundenheiten der Eltern, besonders der Mütter, nicht mehr für nötig erachtete und die Unaufgeb­barkeit ihres Wertes nicht bewußt erkannt hatte. Eine neue, bewußt christliche Priorität im Erziehungs-, Ehe­und Familienstil erschien mir die zwingende Konsequenz der Erfahrung zu sein, daß unzureichend betreute Kinder - weil irreversibel beschädigt - oft lebenslänglich leidende und auch die wirtschaftliche Prosperität mindernde Erwachsene werden. Ich erkannte hier eine bedrohliche Gefahr für alle Industrienationen, die ihren Lebensstil im Sinne einer leichtfertigen Kinderfeindlichkeit veränderten, Meine Üffentlichkeitsarbeit resultierte aus einem tief emp­fundenen Gefühl der Verantwortung und stellte gleichsam die zum Handeln moralisch verpflichtende Konsequenz der gewonnenen Erkenntnisse dar.

Zu Beginn der 70er Jahre gab es viele Menschen, auch viele kirchliche Institutionen, die das hören wollten. Aber dann entstand - angeführt von der sog. Frankfurter Schu­le - ein zunehmend marxistisch und gleichzeitig liberali­stisch geprägter Trend in der Alt-Bundesrepublik, der sich familienfeindlich - weil in der Kindererziehung soziali­stisch-kollektivistisch - und auf die Ehe destruktiv aus­wirkte. Es entstand gewissermaßen ein Konglomerat zwi­schen einer auf Biegen und Brechen durchgesetzten Gleichheitsideologie und einer vergötzten Liberalisierung der Sexualität Dies mußte die schädlichsten Folgen haben und zu erheblichen Kraftverlusten führen.

Ich kam mir in dieser Zeit vor wie die Alte in der friesi­schen Fabel, die wie gelähmt vor Entsetzen das Unwetter heraufziehen sieht, während das Volk auf dem Eis unbekümmert tanzt, so daß ihr nichts anderes übrigblieb, als die eigene Hütte anzuzünden, um wenigstens die Auf­merksamen herunterzuholen. Wer begriff, was mein Feuer meinte? Da es sich um ein Existenzproblem handelte, ging es alle an, jedes Eltempaar persönlich, die Politiker, Medi­ziner, Psychologen, Ökonomen, Pädagogen, vor allem aber auch die Theologen und ihre Kirchen, denen ich gewisser­maßen zuarbeitete. Viele Pastoren, viele Pfarrer waren auch durchaus hellhörig; aber der konspirative Trend der 70er und 80er Jahre war allzu mächtig.. Der Marsch durch die Institutionen" der Bundesrepublik zum Zwecke der soziali­stischen Gesellschaftsveränderung hatte - von der Regie­rung ungehindert - eingesetzt und führte, besonders auch durch Aufhetzung der Jugend gegen ihre Eltern, gegen Kirche und Staat zu einer Potenzierung der neurotischen Verwahrlosung bis zum Terrorismus.

Heute nach dem Zusammenbruch der kommunisti­schen Diktaturen läßt sich erkennen, daß diese zersetzen­den Prozesse als ein direkter kalter 'Krieg", scheinbar gegen den Kapitalismus, in Wahrheit aber gegen den erklärten Feind des Marxismus: gegen den christlich-  abendländischen Geist geführt wurde. Das Ausmaß der seelisch-geistigen Zerstörung, das ich durch meinen Beruf am einzelnen zerstörten Menschen wahrnahm, entsetzte mich tief und versetzte mich in Sorge um die Zukunft unserer Kinder und der irregeleiteten Bevölkerung.

In der evangelisch-lutherischen Kirchenleitung blieb man taub gegenüber meinen Interventionen und Mah­nungen. Im Gegenteil: Sie gab allen Widerstand auf und schwenkte in ein einseitig sozialistisches, ja einseitig politi­sierendes Fahrwasser ein. Die ehrwürdigsten Bastionen: Ehe auf Lebenszeit, Keuschheit vor der Ehe, eindeutige Abweisung der Abtreibung, Bewahrung der Kinder vor negativen, gewaltfördernden Einflüssen und sexuellem Mißbrauch wurden hier widerstandslos geschleift, soziali­stischen Doktrinen untergeordnet und gingen so sang­und klanglos zugrunde.

Anders der Vatikan. In dem Ausmaß, wie sich die Ver-heerungen zeigten, wurden die altehrwürdigen Festungs­wälle verstärkt, ja, es wurden in aufmerksamer Beobach­tung der Trends Akzente gegen die Zerstörung gesetzt Mit Nachdruck wurde zum Beispiel die Notwendigkeit von Familie, der Wert und die Wichtigkeit des Einsatzes der Mutter, die Fragwürdigkeit entfesselter Sexualität und die Bewahrung der Menschenwürde durch die Betonung der Unverfügbarkeit des Menschen auch über das ungeborene Kind in den Mittelpunkt vieler Verlautbarungen gestellt und unbeeinträchtigt durch das jeweils laute Aufheulen der im Trend schwimmenden und ihn aufheizenden papstfeindlichen elektronischen Medien durchgehalten. Der Vatikan erwies sich als gänzlich unangefochten durch den Sozialismus - und ließ sich auch durch seine schlei­chende Infiltration in den Westen nicht im mindesten beeindrucken.

Von dieser geistlichen Klarheit hat der Vatikan in den 80er Jahren nicht nur nichts eingebüßt Er stand vielmehr' hellsichtig auf dem Posten, eine Gegebenheit, die durch das Pontifikat des polnischen Papstes noch nachdrücklich verstärkt wurde.

Da ich aufgrund erfahrungswissenschaftlicher Schulung die positiven und negativen Auswirkungen verschiedener Lebensstile zu unterscheiden vermochte, war es für mich eine bestürzende Erkenntnis, daß diejenige Kirche, die meine Vorfahren im 16. Jahrhundert verlassen hatten, im Gegensatz zum Protestantismus unerschüttert bei ihrem Glauben und (das zeigte sich mir nun) damit bei der Wahrheit blieb, während das Versagen der evangelisch­lutherischen Kirchenleitung und die daraus resultierende „Schwindsucht" der Mitglieder darin gründete, daß sie in die ideologischen Fänge des atheistischen Sozialismus mit seiner selbstgebastelten Utopie und einem irrealen Men­schenbild geraten war, was nach christlichem Glauben I ende schlechthin bedeutet und mit ihm absolut unvereinbar ist

Es wurde mir in diesem Zusammenhang schmerzlich bewußt, wie die evangelisch-lutherische Kirche auch bereits im Nationalsozialismus versagt hatte, wie ,deutsch­christliche" Pastoren Kinder mit irregeleitet hatten. Und ich erinnerte mich, wie 12jährige mit dem „richtigen", nämlich dem Glauben an den großen Führer", voll Ver­achtung auf die Schüler der katholischen Schule schauten, die dieser veralteten und hinterweltlerischen Kirche angehörten, die im Glauben an Christus beharrten, statt sich dem - wie die Mehrheit wähnte - herrlichen Auf­bruch der neuen Zeit anzuschließen.

Auch hier bereits hatte allein die katholische Kirche dem Rausch der faschistischen Verführung in realistischer Nüc hternheit widerstanden. Sie - und in Treue zu ihr eine e erhebliche Schar neuer Märtyrer - waren bei ihrer im Lehramt War formulierten Wahrheit geblieben, die sich bereits damals erneut vor der Geschichte als die absolute Wahrheit erwies.

Diese Erfahrungen bildeten aber lediglich den Boden, auf dem meine Vorstellung reifte, daß für mich die entla­stende Wahrheit dort zu finden sein müßte, wo sie sich langfristig mit_ guten Früchten - den Ideologien dieses Jahrhunderts widerstehend - durch ihr Beharren auf unaufgebbaren Säulen im Alltag bewährt hatte.

Meine Zuneigung wuchs vor allem dadurch, daß ich - auf diese Weise hellhörig geworden - als ein scheuer Zaungast bei den katholischen Veranstaltungen, zu denen man mich vielfältig rief, an den Messen teilnahm. Da kam etwas auf mich zu, das mich unbewußt bereits beim Sin­gen der großen klassischen Messen von Bach, Mozart bis Schubert ergriffen hatte: die Mächtigkeit der hier heilig bewahrten Anbetung. Am Erfahren des Gegensatzes zu den strubbelig-verklampfter evangelischen Gottesdiensten wuchs meine Sehnsucht nach rein erhaltener Andacht Hier wurde mir klar, daß die Gegenwart des Herrn etwas strukturell Unvergleichbares mit dem Erinne­rungsmahl der evangelisch-lutherischen Kirche ist Es bleibt nicht im Vorfeld stehen, sondern bedeutet unmit­telbare, uns von Christus durch den bevollmächtigten Priester gewährte Teilhabe am Heilsgeschehen, an der Gemeinschaft mit dem Herrn.

Ich habe begreifen müssen, daß das uns durch Christus inkarnierte Himmelslicht, die Liebe, ein unsere Natur und Realität überschreitendes Phänomen ist, das empfangen sein will und das, inkarniert und realisiert, die Naturgeset­ze zu durchbrechen in der Lage ist Die mystische Ver­wandlung von Wein und Oblate in Blut und Leib Christi ist deshalb die allein angemessene Form des Empfangs einer Begnadung von uns Menschen, die ohne eine sol­che„himmlische" Liebe Verlorene blieben. Deshalb ist die Wundermacht unseres Gottes in jeder heiligen Messe neu gegenwärtig. Und hier schließt sich ein Kreis: Dieses Geschehen als ein persönliches Gnadengeschenk zu ver­stehen, bewirkt Freude und Dankbarkeit

Als ich erst einmal (als ein immer häufigerer Zaungast) erfaßt hatte, was Messe bedeutet, und wie sehr ihr der Wahrheitskern des Christentums in heilige Handlung umgesetzt wird, bekam ich bald auch Zugang zu Bereichen der katholischen Kirche, die mir vorher gänzlich fern gewesen waren. Mir wurde die hohe Bedeutung der Gottes-Mutter als verbindendes Glied zwischen den Men­schen und der göttlichen Dreifaltigkeit klar. Was braucht denn unsere entmutterte Zeit mehr als das menschliche Vorbild dieser Mutter aller Mütter? Wie wenig können gerade wir emanzipierten Frauen des 20. Jahrhunderts sie entbehren? Was für ein Verlust ist es, Maria als Gespräch­spartnerin preiszugeben und stattdessen nur von den Familienvätern Mitleiden an Nöten mit den Kindern und traurigen Zuständen einzufordern? Kann uns nicht gerade bei so mancher Not das Leben Marias, die Art und Weise, wie sie ihr Schicksal trug, wie sie sich vollständig hinter ihren Sohn zurückstellte, mehr Trost, Orientierung und Hilfe vermitteln?

Ich bin sehr froh, nun eine katholische Mutter und Großmutter sein zu dürfen, ja überhaupt eine katholische Frau, so daß ich mich nicht mehr länger dem Anspruch des Zeitgeistes aussetzen muß, dasselbe sein zu sollen wie ein Mann! Katholizität beschenkt uns durch Christus mit gleichberechtigter Menschenwürde; aber sie respektiert selbstverständlich die geschöpfliche Andersartigkeit der Frau (was wissenschaftlicher Geschlechterpsychologie ent­spricht). Ja, Katholizität billigt der Frau am Beispiel Marias einen besonderen Auftrag zu: die Voranlaufende zu sein im Bereich hingebungsvoller Liebe. Die Liebe aber ist im Christentum der höchste göttliche Wert Für die gefühls­offene, liebevolle Frau, hat die katholische Kirche durch Maria sogar ein ganz besonderes Gespür.

Wie unterstützt und ummäntelt kann sich gerade heute eine gläubige Katholikin von Maria fühlen! Schwere Ent­scheidungen, z.B. die, ein ungewolltes Kind auszutragen oder leidvolles Mutterschicksal anzunehmen und durch­zustehen - wieviel eher kann das gelingen im Hinauf­blicken auf das große unsterbliche Fiat` und das ,Pieta-Schicksal' der Heiligen? Wie sehr ist es mit dieser Sicht­weise vorstellbar, daß Maria bei Gott ein besonderes Erbarmen für leidvoll Geschundene zu erflehen vermag? Und wie stimmig fügt sich hier ein, daß die katholische Kirche Maria unter den Heiligen den Vorrang einräumt Ihr „Ja' am Anfang in Nazareth bis nach Golgatha war schließlich die freie Entscheidung eines Menschen für Gott - trotz schwerster Bedrängnis!

Und schließlich ist für gläubige katholische Mütter gerade die Liebe zur Gottesmutter herzerwärmend. Ich wende mich besonders gern an Maria, wenn kleine müt­terliche oder großmütterliche Sorgen anstehen: mit der Bitte, daß ein Fieber vorübergeht, ein Kinderohr nicht mehr schmerzt, eine Wunde heilt Ich nehme nämlich mit aller Freiheit eines Christenmenschen an, daß unsere hei­lige Mutter hier einige Vollmachten hat - ganz im Sinne des großen Gretchengebets im Faust-Drama Goethes: „Ach, neige Du Schmerzensreiche, Dein Antlitz gnädig meiner Not''

Ich habe einmal - bedrängt von der erschütternden Nachricht, daß eine junge uns nahestehende Witwe, die für ihre Kinder noch dringlichst gebraucht wurde - an einem Lungenkrebs erkrankt war, alle kleinen Enkel zusammengeholt und habe sie in unserer Kirche vor der Marienstatue (nachdem sie ein Licht gespendet hatten) die Hände falten und für das Leben dieser Mutter beten las­sen - natürlich auch mit dem unaufgebbaren Nac,.lsatz: ,Aber nicht unser, Dein Wille geschehe, heiliger Herr!' Die Witwe hat die Operation überstanden und ist heute - nach mehreren Jahren - gesund! Das ist ohne Zweifel Kunst der Ärzte - aber warum nicht auch die Einwirkung Marias?

Auf dem Weg solcher Erfahrungen wurden für mich auch die Sakramente zur zentral bejahten Freude. Wer begreift, daß Christi Kreuzestod den Teufelskreis der Menschheit (Abfall von Gott, Verelendung in der Verlo­renheit und Tod) durchbrochen hat, der versteht, daß ein gnädiger Gott diejenigen mit ewigem Leben beschenkt, die diese weit offene Tür wahrnehmen. Ihm wird es des­halb selbstverständlich sein, ein neugeborenes Kind so rasch wie möglich durch die Taufe in diesen heiligen Schutz zu stellen und den Erziehungsauftrag zu erfüllen suchen, dem Kind diesen Geist und dieses Wissen zu übermitteln. Wer - wie Drewermann - das heilige Sakra­ment nur als einen Guß kalten Wassers versteht, der ein schlafendes Kind verschreckt, kann von der existenziellen geistlichen Notwendigkeit dieses Sakraments einfach nichts begriffen haben. Für uns ist die Taufe viel mehr ein großes Freuden- und Gnadenfest In unserer Familie dau­ert es regelmäßig zwei Tage. Es beginnt mit einem Abend der Taufvorbereitung aller Gäste und Paten durch geistli­che Unterweisung und schließt die Taufgemeinde vor dem Kirchgang durch ein Bittgebet für den Täufling mit ein. Was für eine Freude ist es, Christenglück bei diesem Fest bewußt in den Mittelpunkt zu stellen!

Ebenso empfinde ich nachdrückliche Übereinstim­mung beim Miterleben einer katholischen Hochzeit - mit der sakramentalen Weihe auf Lebenszeit, mit dem Ver­sprechen des Zusammenstehens in guten und in weniger guten Tagen! Wie traurig dagegen eine Trauung, bei der der Pastor betet, die Ehe möge halten, solange es gut geht" und in der Predigt den beiden dafür auf die Schul­ter klopft, daß sie es mal eine Zeit lang mit der Ehe versu­chen wollen! Zu welch provisorischer Daseinshaltung wird das Paar so genötigt, wie wird Versuchung gewiss maßen gleich mit abgesegnet! Wenig verwunderlich ist es dann, daß hierzulande jede dritte Ehe geschieden wird und Jahr für Jahr mehr als 100.000 unmündige Kinder zu Scheidungswaisen werden. Und da wir Therapeuten wissen, daß dieses Schicksal eine oft lebenslängliche, tief­greifende seelische Verwundung bedeutet, die Lebens­kraft, Lebensfähigkeit und das Leistungsvermögen min­dert, deshalb kann das katholische Ehesakrament nur als ein notwendiger Schutz gegen den leichtfertigen Schick­salstrotz der Menschen verstanden werden, die sich selbst ganz bestimmen wollen.

Gewiß gibt es auch Ehen, deren Trennung trauriger­weise unumgänglich wird, um schwerste Schäden zu ver­hindern; aber viele der Scheidungen heute wären unnötig, wenn die Partner Ehe und Familie noch als Auf- trag von Gott verstünden, als Aufgabe auch des Aneinan­der- und Miteinanderwachsens, des Lemens von wertvol­len Eigenschaften wie Rücksicht, Vergebung, Verzichtbe­reitschaft und Nächstenliebe, statt des Verharrens in infantiler Egozentrik. Auch auf diesem Feld zeigt das Großexperiment: moderner Liberalität, wie sehr die Anweisung Christi der Wahrheit, nämlich einer realisti­schen Einschätzung menschlicher Schwachheit und der Notwendigkeit beschützender Grenzzäune entspricht Für mich ist es deshalb geradezu eine Entlastung des Mitlei­dens an der Not von Scheidungswaisen, daß meine Kir­che den überzeitlichen Schutzmantel der Einehe auf Lebenszeit als Sakrament parat hält.

Eine glückliche Katholikin bin ich aber auch dadurch geworden, daß mir nach 20jähriger Beobachtung des ab 1964 mächtig einsetzenden Verhütungszeitalters klar wurde, daß selbst die Enzyklika Humanae vitae beschüt­zende Wahrheit ist Die Pille vor allem hatte entfesselnde Folgen: Der Ehebruch wurde so nun auch für die Ehefrau ungefährlich und in diesem Zuge gesellschaftlich mittler­weile sogar moralisch hoffähig.

Verheerend wirkte sich die Verführung der Jugend zu vorehelichem Geschlechtsverkehr aus. Unterleibsinfektio­nen, für die die jungen Mädchen wesentlich anfälliger sind als ältere Frauen, und Abtreibungen (da trotz Auf­klärung in vermehrtem Maße Schwangerschaften eintra­ten) zerstören oft die Fortpflanzungsorgane, nicht selten irreversibel. Die hohe Unfruchtbarkeitsrate der Frauen in der Bundesrepublik und der Geburtenschwund bestäti­gen das. Die Abspaltung der Sexualität von der Liebe und ihre Technisierung entwertete und minderte lieben­de Fühlfähigkeit und fügte so jungen Seelen Schaden zu. Außerdem ist es heute nicht mehr wegdiskutierbar, daß sowohl die Uterus-Spirale wie die Pille (außer ihrer potentiell abtreibenden Wirkung) schwere körperliche Schäden hervorrufen können: So kann die Spirale Eilei­terentzündungen auslösen, die Gebärunfähigkeit zur Fol­ge haben. Und die Pille erhöht bei langfristiger Einnahme als Spätfolgen Thrombosen, Lungenembolien, Schlagan­fälle, Herzinfarkte und die Brustkrebsgefahr (sogar das Bundesgesundheitsamt sah sich jüngst genötigt, die Phar­maindustrie anzuhalten, diese neu abgesicherten Risiken auf dem Beipackzettel zu vermerken, idea 1/93, Seite 8).

In den. Verhütungsmitteln ist eben doch eine verführe­rische Teufelsklaue' versteckt Das Streben nach der Erfüllung des Sinns des Menschenlebens, die Liebe in der Welt zu mehren und so mit daran zu bauen, daß das Reich Gottes auf Erden komme, wird durch sie bedeu­tend schwieriger. Verantwortungsbewußte Elternschaft läßt sich - wie der Vatikan rät - nur durch liebevolle, evtl. auch verzichtbereite Absprache miteinander erreichen. Ein solcher vatikanischer Wegweiser ist deshalb unum­gänglich für Hirten, die das Glück und den Segen ihrer Herde suchen; denn das findet der Mensch nur, wenn er sich um Hellhörigkeit und Einfühlung in seinen Näch­sten, eben um Liebe, bemüht Seinem tiefsten seelischen Bedürfnis - dem nach seelisch-geistiger Höherentwick­lung - kann er nur so gerecht werden.

Ich habe einst als Adept der Tiefenpsychologie der ,Befreiung zur Sexualität' zunächst in Maßen wohlwol­lend gegenübergestanden, bis ich in meinem Berufsalltag sah, wie grausam die seelischen Verwundungen waren, die so heraufbeschworen wurden (einschließlich der Dressur zur Entschämung, der Legitimierung der Perver­sitäten, der Promiskuität und der Pornographie). Ich habe mit den Verführten (besonders mit den jungen Mädchen) gelitten und über die so schwerwiegenden Folgen prote­stierend geschrieben. Viele hörten - aber eine Trendwen­de gab es dennoch nicht Es ist allein die katholische Kir­che, die als Fels in der Brandung steht und jegliche Schmähung stoisch im Wissen um die bereits bestätigte Wahrheit erträgt Es ist für mich Freude, Halt und Hoff­nung dort zu finden, wo von der Wahrheit keine Abstri­che gemacht werden.

Zur Übereinstimmung mit der Kirche gereicht mir gerade auch das scheinbar so unmoderne Sakrament der Buße. Psychotherapeutische Praxis macht erfahrbar: Nur durch eine begrenzte Zeit läßt sich Schuld unbeschadet verdrängen. Wer dann weiter die Stimme des Gewissens unter Verschluß zu halten sucht, wird krank - oft psycho­somatisch, oft auch psychisch: durch freiflottierende Angstanfälle, durch Zwangshandlungen, durch Phobien etc. Und die Nöte sind erst zu bannen, wenn die vom Gewissen schuldig gesprochenen Taten oder Gedanken wiedergutgemacht und ausgesprochen worden sind. Frei­lich hat sich die Vorstellung Sigmund Freuds, daß so langfristig Ruhe in die Seele einkehre, meist als trügerisch erwiesen. Das Wegreden des Therapeuten durch ein Relativieren von Schuld als mÜbergewissenhaftigkeit« trifft nicht in denjenigen Fällen, in denen das Gewissen es besser weiß. Es meldet sich erneut durch die Rückkehr und Resistenz der Symptome. Auch die jungianische Ziel­vorstellung, den Menschen in der Therapie dahin zu führen, sich samt all der schwarzen Seelenanteile in Gelassenheit anzunehmen und zu ertragen, funktioniert in der Praxis lange nicht so herrlich wie in den anweisen­den Schriften; denn der Mensch möchte nicht jämmer­lich schlecht sein, er hat ein Bedürfnis nach Bereinigung, nach Verbesserung im wahrsten Sinne des Wortes.

Das Sakrament der Buße berücksichtigt viel fundamen­taler diese seelische Bedürftigkeit des Menschen. Es ermöglicht in der Beichte das Aussprechen des sittlich Ungeordneten gegenüber einem Menschen, der ermäch­tigt ist, von Schuld und Sünde loszusprechen. Und der zudem im Fall schwer drückender Sündenlast dem Beich­tenden Bußpflichten auferlegen kann. Die Chance, so wirklich frei zu werden, ist selbst psychologisch wesent­lich wahrscheinlicher als das Absegnen und Tolerieren des Nicht-Tolerierbaren durch einen atheistischen Psy­chotherapeuten. Daß dennoch heute der Zulauf zu die­sen Seelenärzten groß ist, während die Beichtstühle leer bleiben, hat mit einer Verführung der Menschen zu tun, die ihm vorgaukelt, sich heutzutage selbst erlösen zu kön­nen, oder der Erlösung gar nicht mehr bedürftig zu sein.

Manchmal hat diese traurige Abkehr von einem Sakra­ment höchster psychohygienischer Kompetenz auch etwas mit Ungeschicklichkeit, mit Machtanmaßung oder allzu großer psychologischer Unkenntnis des Priesters zu tun. Es ist heute, wo Seelenkrankheiten verschiedenster Art boomen, nötig zu wissen, wie sie sich ausdrücken, um im Beichtstuhl hilfreich reagieren zu können. Hier wäre gewiß Fortbildung auf den Priesterseminaren durch katholische Fachleute nötig; aber solange die Zahl gläubi­ger katholischer Fachleute so verschwindend gering ist, ist es besser, dergleichen zu unterlassen, statt die Schafe den Wölfen auszuliefern. Auch hier mag die zu weit gehende Öffnung der evangelischen Diakonie für jede 'Menge atheistischer Psychologen als Vorbilder und die oft destruktiven Auswirkungen solchen Procedere als War­nung stehen. Besser eine priesterliche Ungeschicklichkeit als eine seichte Legitimierung des ungeordneten Verhal­tens, die den Hilfesuchenden bedrängt

Meine Freude an der Beichte geht über die Erkenntnis des heilsamen Wertes des Bußsakraments noch hinaus. Ich selbst genieße geradezu die so viel bescholtene stren­gere Moral der katholischen Kirche, besonders auch ihre nachdrückliche Weisung, die Zehn Gebote einzuhalten. Ich habe die Forderung des Zeitgeistes nach liberalisti­scher „Autonomie' als eine gefährliche Anmaßung, ja als eine verführerische Lüge erlebt. Wir sind nicht mit abso­luter, sondern mit eingeschränkter Freiheit begabt Wer die Grenzen, die der geschöpfliche Gottesgehorsam setzt, mißachtet, gerät leicht mit Devisen wie: Erlaubt ist, was gefällt' und Der Zweck heiligt die Mittel" in diabolisches Fahrwasser.

Ich schätze das strenge Reglement der Kirche allein schon deshalb, weil es mich auffordert, einen legeren Umgang mit mir selber in Frage stellen zu können. Dank­bar akzeptiere ich, daß die Kirche lehrt, unnachsichtiger gegen vielerlei Schlendrian zu sein, in der Erkenntnis, daß ich jenseits des Todes mit einem gerechten Gott rechnen darf. Es ist für mich auf- und anregend, an der Schwelle zum Alter noch einmal in eine so lehrreiche Schule zu gehen, die es mir ermöglicht, an mir zu arbeiten.

Freude bedeutet für mich deshalb nicht nur das Buß­sakrament, sondern auch das der Priesterweihe. Es ist doch einfach natürlich, daß die Diener Christi eines besonderen Status bedürfen! Es erscheint mir nicht nur nötig, daß der Priester höher steht, damit er uns als Vor­bild bei unserem Bemühen um Höherentwicklung dient - er besitzt ja durch seinen Auftrag unzweifelhaft bereits eine größere Gottesnähe. Mit der evangelisch-lutheri­schen Praxis ist das nicht vergleichbar, denn dort ist schließlich mit der Säkularisierung des Jesus von Naza­reth, dem die Gottessohnschaft vielfach von Seiten protestantischer Theologen abgesprochen wird, jeder gewöhnliche Sterbliche in der Lage, dem anderen das Brot des Lebens" zu reichen. So wird auch der Pastor dort als ein ganz gewöhnlicher Sterblicher ohne Heiligkeit ver­standen, der eigentlich kein besonderes moralisches Vor­bild mehr zu sein braucht Die hohe Zahl der Scheidun­gen von evangelisch-lutherischen Pastorenehen ist Folge dieser Auffassung. Und wie kläglich ist es, diese real exi­stierende Größe des Priesters (die heute mehr noch als früher elitärste Entscheidung bedeutet) durch das Hervor­zerren von Menschlichem-Allzumenschlichem kleinma chen zu wollen! Schauen wir hier auf Christus, der Simon Petrus trotz dessen Versagens schließlich mit der Grün­dung der Kirche beauftragt

Das ganze Bild kann freilich nur lückenlos stimmig bleiben, solange die Kirche nicht als irgendeine weltliche Institution verstanden, sondern als Leib Christi heilig gehalten wird. Deshalb auch dürfen wir uns freuen an mächtigen Kathedralen und an ihrer herrlichen, künstle­rischen, ja sogar an prunkvoller Ausstattung. Das alles gehört zur Verherrlichung, ist Ausdruck der Anbetung des Herrn, betont die göttliche Kostbarkeit Das Kostbar­ste ist dafür eben gerade angemessen. Dafür haben unse­re katholischen Vorfahren oft ein besseres Gespür gehabt als wir heute, die wir uns an diesem heiligen Eifer nicht nur freuen, sondern verschämt darüber nachdenken, ob Ausstattung auch soviel kosten darf. Wir sollten uns klar machen, daß die prachtvollen Dome, die uns aus der Ver­gangenheit erhalten sind, auch als Zeichen der Glaubens- tiefe der damaligen Generationen stehen und sie als Ansporn für uns bewundern.

Es bereitet mir schutzbietende Freude, um die Ver­heißung zu wissen, daß diese Kirche, unser in Ewigkeit unsinkbares Schiff, der Leib Christi ist, so daß selbst „die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden«.

 

(Aus dem glaubenbestärkenden Buch "VON DER LUST KATHOLISCH ZU SEIN" - 15 persönliche Bekenntnisse - MM-Verleg-Aachen, das leider immer noch vergrif­fen ist. Mit bester Empfehlung)

 

 

 

 

 

 

 

 

  









 

Portal ]  [ Adopte a un Seminarista ] [ Aborto ]  [ Biblia ]  [ Biblioteca ]  [ Blog siempre actual ]  [ Castidad ]  [ Catequesis ]  [ Consulta]  [ Domingos ]  [ Espiritualidad ]  [ Familia ] [ Flash]  [ Gracias ]  [ Gráficos-Fotos ]  [ Homosexuales ] [ Intercesión ]  [ Islam ] [ Jóvenes ] [ Liturgia ] [ Lecturas DomingosFiestas ]  [ Lecturas Semana TiempoOrdin ]  [ Lecturas Semana AdvCuarPasc ]  [ Mapa ]   [ Matrimonio ]  [ La Misa en 62 historietas ] [ Misión-Evangelización ]  [ MSC: Misioneros del Sagrado Corazón ]  [ Neocatecumenado ]  [ Novedades ]  [ Persecuciones ]  [ Pornografía ] [ Reparos]]  [ Sacerdotes ]  Sectas ]  [ Teología ]   [ Testimonios ]  [ Textos ]  [ Tv Medios Comunicación ]  [ Útiles ]  [  Vida Religiosa ]  [ Vocación a la Santidad ]  [ ¡Help Hilfe Ayude! ]  [ Faith-English ]  [ Glaube-Deutsch ]  [ Búsqueda ]  [  ]