VON DER LUST KATHOLISCH ZU SEIN

Herausgeber Herr Michael Müller in Aaachen, MM.Verlag

An fünfzehn glaubenshilfreichen Lebensbeispielen kann man in diesem Buch nachlesen, daß Katholischsein das Leben an Mitmenschlichkeit, Geistigkeit, Großzügigkeit, Verantwortlichkeit, Einsatzfreude und Lebenserfüllung reich macht und lächerliche Spaßgestalten von heute bei weitem an Qualität und Wert für die Menschheit übertrifft. Christen sind die wahren Hoffnungsträger für eine bessere Welt.

Ich schäme mich für manche arrogante Kirchenkritiker, die vom Christentum keine Ahnung haben und sich selbst um das größere Leben betrügen. Ich schäme mich auch für die vielen Getauften, die in der gottlosen Masse mitlaufen und ihr Leben seelenleer machen, sich von ihrer Kirche distanzieren und nicht merken, daß sie die Hoffnung gegen Hoffnungslosigkeit eingetauscht haben, hohe Mitmenschlichkeit gegen weniger Menschlichkeit oder gar Unmenschlichkeit.

Im Folgenden erzählt der Herausgeber dieses wertvollen Buches, das ei­nes der wenigen ist, die ich in den vergangenen Jahren zweimal gelesen habe, aus seinem Christenleben.

 

Michael Müller

Michael Müller wurde 1958 in Aachen geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften, Geschichte und Romanistik an den Universitäten Köln, Bonn und Montpellier legte er mit der „Agentur für Publizistik und Reportagen" den Grundstein für den „mm verlag" und die gleichnamige „Agentur für Werbung und Konzeption". Michael Müller ist verheiratet, Vater von zwei Kindern und lebt in Aachen.

 

Gedanken zur Einführung

Geborgenheit und Spannung

Lust?

Selten empfinde ich Lust, des Nachts aufzustehen, weil eines unserer Kinder schreit Und meiner Frau geht es wohl ebenso. Doch unabhängig vom momentanen Lustgefühl, unabhängig davon, ob uns nun gerade danach ist, ein wei­nendes Baby zu trösten oder mit einem kranken Kind auf dem Arm auf und ab zu gehen, tun wir es, wenn es die Situation erfordert Oft verständnisvoll, bisweilen leise flu­chend, meistens ohne nachzudenken.

Es mag ein wenig weihevoll klingen, doch wir tun es aus Liebe. Aus Pflicht und Treue, besser noch: aus Treuepflicht Denn - und das mag befremdlich klingen in einer Zeit, die vornehmlich mit Gefühlen argumentiert - wir sind davon überzeugt, daß Liebe vor allem Treue bedeutet Treue zu einer einmal in Freiheit getroffenen Entscheidung. In diesem Falle: der Entscheidung für Kinder. Natürlich - Gefühle sind wichtig, lebenswichtig. Doch sie können auch trügen und sind häufig nichts anderes als Launen.

Und wie verhält es sich mit meinem Glauben? Ehrlich gesagt, ich verspüre nicht immer gerade Lust, katholisch zu sein. Denn auf den ersten Blick bringt das Bemühen um ein katholisches Leben doch so manches Unangenehme, Lästige mit sich. Vorausgesetzt, man nimmt es ernst. Es mag Menschen geben - und ich sage dies ohne jede Ironie -, denen es Vergnügen, ja Lust bereitet, sich tagein, tagaus um die. Beachtung des Dekalogs und der christlichen Tugenden zu bemühen. Bei mir ist das anders.

Gewiß, auch ich strenge mich an. Doch ich gestehe offen, das Einhalten fester Gebetszeiten, um mit Gott Anliegen und den Tag zu besprechen, schon allein das fällt mir häufig schwer, wenn Arbeit und Hektik des Alltags warten. Kleine Opfer, die ich Gott anbieten möchte: ein Lächeln für einen ungebetenen Gast, eine fröhliche Miene, wenn ich abends nach Hause komme, meist noch in Gedanken an berufliche Verpflichtungen. Die konzentrierte Arbeit, wenn Ablenkungen locken, der freiwillige Verzicht auf eine Annehmlichkeit, die Annahme einer kleinen Unannehmlichkeit oder gar eines Leids, das Gott zuläßt Die Ehrlichkeit im Geschäftsleben, wenn doch eine kleine Unkorrektheit unentdeckt bliebe. Das Verkneifen einer lästernden Bemerkung über einen Dritten, die mir im Freundeskreis einen billigen Lacher sichern würde. Oder die Keuschheit und Enthaltsamkeit, wenn die Triebe zu anderem drängen. Der Besuch der Heiligen Messe am Sonntag oder wochentags. Nein, rechte Lust dazu empfinde ich selten.

Trotzdem bin ich aber gerne katholischer Christ Und daß ich es trotz aller Höhen und Tiefen seit nunmehr fünf-unddreißig Jahren bin, liegt weniger an mir als vielmehr an der Gnade Gottes und an der Entscheidung meiner Eltern, mich taufen zu lassen und im katholischen Glauben zu erziehen. Warum aber bin ich es geblieben, wenn mir die Lust; die Laune und manchmal auch der Kopf empfahlen, andere Wege zu beschreiten? Warum, wenn ich in unserer Gesellschaft oft als Außenseiter belächelt oder gar beschimpft werde? Was bringt es mir, katholisch zu sein? Sicher zu viele Fragen für eine Einführung - eine möchte ich herausgreifen.

Was bringt's?

Immer mehr Menschen sind heute bemüht, Geist und Körper zu trainieren, um ihr Ego zu entdecken und ihre Selbstverwirklichung voranzubringen. Sie besuchen Yoga-Kurse, beschäftigen sich mit dem Schamanismus, erleben in Selbsterfahrungsgruppen die Wunderwelt der eigenen Psyche, versprechen sich von autogenem Training endlich die finale Bewußtseinserweiterung oder begeben sich auf die Suche nach dem klassischen Ging. Sie nehmen an teuren Wochenendseminaren teil, die gegen üppige Bezahlung dem Menschen den Kopf zu befreien und die Eröffnung neuer beruflicher und privater Perspektiven garantieren.

Das Zauberwort, das die allzu oft sinnentleerte und orientierungslose eigene Existenz in den Griff zu bekom­men verspricht, heißt ganzheitlich. Es gilt, so hört und liest man allenthalben, eine Ganzheitliche Lösung anzustreben. Dieser vermeintliche Zaubertrank läßt schlagartig alles in hellem Licht erscheinen; Körper und Seele gesunden, bislang verborgen oder in Nebel getauchte Probleme liegen mit einem Mal klar erkennbar auf dem Tisch - und brauchen nur noch der Reihe nach gelöst zu werden. Es geht mir nicht darum, diese kostspieligen Therapien zu verulken. Ganz sicher haben sie ihr Gutes und können Menschen helfen, wieder Halt zu finden und dem Dasein Sinn zu verleihen. Mir geht es um etwas anderes, etwas für mich einfach Unfaßliches.

Vergangene Woche betrat ich eine große Buchhandlung, deren Sortiment ausschließlich von Umsatzaspekten diktiert wird. Man hatte wieder einmal umgeräumt Das eh schon recht bescheidene Ressort Theologie und Kirche war in eine hintere Ecke umgezogen. Es hatte das Feld geräumt für zwei Cousinen - die Esoterik und die Fernöstliche Weisheit. Ich möchte ein paar Renner aus diesen Sparten nennen, deren Titel weitaus beeindruckender die Orientierungsbedürfnis und Sinnerwartungen unserer Zeit verdeutlichen alslange Erläuterungen:

Selbsthypnose, kreative Imagination in Beruf und Alltag; Karma, wie unser Tun zum Schicksal wird; Das Gesetz von Ursache und Wirkung jenseits von Schuld und Sünde- Die Heilkraft der richtigen Schwingungen; Radionik und Pendeln; Tagebuch einer spirituellen Schulung durch einen Sufi-Meister; Der Schamane in uns; I Ging, Handbuch zum klassischen Ging. -- Hunderte dieser Exemplare stehen dort und warten auf den Patienten Ein gigantisches Geschäft; es scheint den Menschen etwas zu bringen. Nur von katholischer Spiritualität keine Spur.

Was bringt es mir, katholisch zu sein? Mein Zugang zum katholischen Glauben ist und war nie rein emotional, sondern eher rational. Entscheidend für mich waren stets die drei Grundfragen der heidnischen Schule der Gnosis frühchristlicher Zeit: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Wer bin ich? Und von allen Antworten, die die mir bekannten Ismen auf diese Fragen nach dem Sinn des Lebens und der menschlichen Existenz bereithalten, erscheinen mir die Antworten des katholischen Glaubens nicht allein die vernünftigsten, sondern auch die human zuträglichsten zu sein. Das bedeutet freilich keineswegs, daß ich nicht verstehe und respektiere, wenn die Vernunft Menschen zu anderen Antworten führt Unbegreiflich aber ist mir, warum heute Millionen Zeitgenossen das Katholische als psychisch verkrümmend, persönlichkeitszerstörend oder antiquiert verwerfen und zugleich von schwingenden Pendeln in Atem gehalten werden, selbsthypnotisiert nach Gings oder dem Schamanen in sich suchen! Warum sie sich im gemeinsamen Gebet zu den alten ägyptischen Göttern zusammen­finden (der Pharaonenkult ist wieder en vogue], über glühende Kohlen laufen und sicher auch bald wieder aus tierischen Eingeweiden lesen werden!

All diese Wege werden ernsthaft diskutiert - nur die katholische Spiritualität wird belächelt und außen vor gelassen. Dabei ist gerade das Christentum weder antiquiert noch zeitgemäß - es bietet einfach zeitlose Antworten auf die aktuellen Fragen. Mein langjähriger Beichtvater pflegte zu sagen: „Man muß schon viel glauben, um nicht glauben zu müssen." Wenn der Glaube tot ist, lebt der Aberglaube!

Doch zurück. Was bringt es mir, katholisch zu sein? Zunächst möchte ich entgegnen: Die Frage ist falsch gestellt.  Denn im Grunde (und im Gegensatz zu den o.g. Therapien) spielt es keine Rolle, ob und was dem Einzelnen der Glaube bringt. Entscheidend ist, was Gott von ihm erwartet Das aber schließt keineswegs aus, daß das Katholischsein mir eine ganze Menge bringt. Wenn auch keine Lust (im hedonistischen Sinne], so doch Freude, Genuß, Lebensbereicherung. Hier gilt es allerdings, zwei Ebenen zu unterscheiden: die natürliche und die übernatürliche.

 Natürlich betrachtet ist der tägliche Kampf gegen persönliche Schwächen und Macken, den der Glaube von mir fordert, außerordentlich wertvoll. Für mich und vor allem meine Umgebung, die mich ertragen muß. Er trägt zur Disziplinierung bei, er fördert maßvoll und behutsam das viel beschworene und eingeklagte positive Lebensgefühl. Ich schätze die Kirche als Gerüst, als Rückgrat für mein Leben, die Ordnung des Kirchenjahres ebenso wie die durch Arbeit und Gebet gegliederte Gestaltung des Tages, die Gott beständig in mein Leben hineinnimmt und ihm nicht nur für den Sonntag ein Plätzchen reserviert. Ich erfreue mich an der Vielfalt der katholischen Kultur und Tradition, genieße die Schönheit ekklesialer Architektur und die Ästhetik der Liturgie. Die kirchlichen Hochfeste Ostern, Weihnachten, Pfingsten, Fronleichnam machen mich ebenso froh wie die kleinen: der Namenstag, die Taufe, die Erstkommunion oder der Hochzeitstag.

Dies ist Reichtum, den meine Kirche exklusiv bietet. Nicht zu vergessen ist die (konstitutivel) kulturgeschichtliche Bedeutung des Christentums, gerade auch in seiner katholischen Ausprägung, für Entstehung und Selbstverständnis Europas. Daß unsere soziale Marktwirtschaft in wesentlichen Belangen auf der katholischen Soziallehre beruht und unsere karitativen Einrichtungen fast ausnahmslos der Initiative der Kirche oder einzelner Christen zu verdanken sind, scheint nahezu gänzlich in Vergessenheit geraten zu sein. Vieles von dem, woran wir uns heute mit großer Selbstverständlichkeit gewöhnt haben, gäbe es ohne Christentum und Kirche einfach nicht!

Wichtiger aber ist die zweite Ebene: die übernatürliche. Wer erfahren hat, was Sünde, was Trennung von Gott bedeuten kann, weiß um den Wert des Bemühens (mehr kann es nicht sein), dem Willen Gottes entsprechen zu wollen. Wer sich als Geschöpf und nicht als Souverän, als Schöpfer (eine andere Alternative existiert ja nicht) begreift, findet eine tiefe Befriedigung in dem Bemühen, die Regeln und Gebote seines Schöpfers zu respektieren und zu befolgen. Er erfährt die Freude, die der Kampf gegen Egoismus und Stolz bewirken kann. Wenn ich oben beteuert habe, selten Lust auf all die kleinen Unannehmlichkeiten zu verspüren, so stimmt das. Doch ebenso stimmt Mühe und Opfer führen stets zur Freude.

Was bringt mir das? - Ein mittlerweile verstorbener väterlicher Freund definierte den Banausen als „Menschen, der weder seinen eigenen Glauben kennt noch sich mit der Sinnfrage beschäftigt". Es bringt viel, sich mit der Sinnfrage zu beschäftigen, von einer Antwort als Wahrheit überzeugt zu sein und sich zu entscheiden, sein Leben danach auszurichten.

Was bringt mir das? Vieles läßt sich hinzufügen: Die Freude, die die Vergebung im Sakrament der Buße beschert, das helfende Gespräch mit dem Beichtvater, die Teilnahme am sakramentalen Leben der Kirche, das Erlernen der christlichen und natürlichen Tugenden, die im Umgang mit Kollegen, Angestellten und der Familie so sehr helfen. Oberhaupt die ständigen Hilfen für den Alltag - ganz unabhängig von Alter, Beruf und Familienstand: Vieles von dem, was Seminare und Ratgeber zur Erlangung des positiven Lebens­gefühls, zum Umgang mit sich und anderen, zum Gelingen einer Partnerschaft anempfehlen, zählt für den Katholiken zu den Selbstverständlichkeiten seines Denkens und Han­delns.

Das Christentum besitzt Exklusivität Ich bin vermessen genug, zu behaupten, daß es genau die ganzheitliche Lösung bietet, nach der so viele leidenschaftlich suchen. Ja, daß es als einziges die ganzheitliche Lösung bietet, die die Einzigar­tigkeit jeder Person ernstnimmt; die sie in eine identität- und sinnstiftende Schöpfungs-, Geschichts-, Kultur- und Gesellschaftsordnung einbindet und gleichermaßen Körper und Seele berücksichtigt, Vernunft und Gefühl anspricht, die Arbeit und Freizeit als Einheit betrachtet Das Christentum zeigt; daß und wie das Christianum mit dem Humanum zur Deckung kommt, daß der christliche Weg den Menschen nicht von seiner Natürlichkeit entfremdet, sondem vielmehr secundum naturam hominis verläuft. Die christliche Botschaft liefert gültige Antworten auf die drängenden, oft auch bedrängenden Sinnfragen, ohne sich dabei in abstrakten Theorien zu ergehen; ein Faktum, dessen man sich bewußt bleiben sollte - gerade eingedenk einer wissenschaftlichen Theologie, die sprachlich und gedanklich der Schlichtheit und Unmittelbarkeit der neutestamentlichen Verkündigung oft diametral entgegensteht

Diese ganzheitliche Lösung aber verschwindet bedauerlicherweise hinter Zweit-- und Drittklassigem. Eine Gesellschaft, die jeden Sufi-Schüler oder Schamanen emster nimmt und ihm mit mehr Respekt begegnet als einem Katholiken, muß krank sein. Wer heute in aller Öffentlichkeit über die beglückende Horizonterweiterung durch Pendel-Versuche oder Selbstfindungsveranstaltungen schwärmt, darf eines überaus verständnisvollen und einfühlsamen Auditoriums sicher sein. Ihm schenkt man bereitwillig und gerne das Ohr. Das mag berechtigt sein. Wer aber von Besinnungstagen mit einem katholischen Geistlichen oder der Beichte spricht, den trifft zumeist ein mitleidsvoller bis fassungslos entsetzter Blick - als habe man es bei ihm mit einem pathologischen Fall zu tun. Und dies unbeschadet der Tatsache, daß ein Großteil der Kirchenverächter regelmäßig auf der Couch des Psychotherapeuten liegt, um persönliche Fehler, Probleme und Schuld aufzuarbeiten.

Ein letztes Mal die Frage: Was bringt mir das? Es ist unmöglich, die Fülle der ganzheitlichen Lösung des Chri­stentums im eng gesteckten Rahmen eines solchen Beitrags erschöpfend zu behandeln. Katholisches Leben kann in seinem Reichtum und in seiner Buntheit nur erfahren, nur erlebt werden. Allerdings, man muß es kennenlernen wollen, sich auf Gott einlassen wollen - und oft dauert dieser Prozeß ein ganzes Leben. Und noch etwas: Der Glaube schenkt die Freude, erlöst und von Christus angenommen zu sein. Er schenkt Geborgenheit, Hoffnung und die Gewißheit, daß der Tod nicht das endgültige Ende ist Der Glaube gibt dem Tod, selbst dem frühen und schmerzhaften, erst Sinn. Es ist auf eine gewisse Art und Weise schon beruhigend für mich, daß es da einen Unterschied gibt zwischen meinem Tod und dem eines Hundes.

Nostalgie

Meine Eltern haben meine Geschwister und mich katholisch erzogen. Ihnen verdanke ich meinen Glauben. Pietismus, Bigotterie, verkrampfte Sexualerziehung habe ich zu Hause nie  erfahren. Wohl Ehrfurcht vor dem Sakralen, Ordnung, Scham und elterliche Sorge, die Strenge durchaus mit einschloß.

Auf natürliche Weise gehörte der Liebe Gott von Beginn an zu den wichtigen Dingen in unserem Leben. Er gehörte einfach dazu. Wir verdankten das nicht nur unseren Eltern sondern auch dem Pastor, Kaplan und den Lehrer. Morgen-, Tisch- und Abendgebete waren selbstverständlich. Dem Priester begegneten wir Kinder mit natürlichem Respekt. Und die Männer lüfteten vor dem Wegkreuz den Hut Im Mai wurde der kleine Marienaltar auf dem Schlafzimmerschrank errichtet, von Kerzen und frischen Blumen umrahmt Die festlich geschmückten Häuser und Altäre, an denen die Fronleichnamsprozession vorbeizog, zählen ebenso zu meinen frühen Erinnerungen wie die Entbehrungen in der Karwoche, in der wir Kinder so oft in die Kirche rußten. Die Feste St Martin und Nikolaus, Weihnachten und Ostern - alle von meiner Mutter liebevoll vorbereitet - waren uns wesentliche Orientierungspunkte im Jahr; dann gab es Geschenke, Süßes und Überraschungen. Natürlich spielte dies eine wichtige Rolle - aber niemals die einzige.

Da waren die vergeblichen Versuche meines Vaters, uns jedes Jahr aufs neue die theologische Bedeutung des Pfingstfestes klarzumachen (für uns Kinder zählte es nicht - was war schon eine weiße Taube?). Da war das Dienern der Frühmesse als Ministrant um 6.00 Uhr morgens und die Erfahrung, daß mich die geheimnisvolle Atmosphäre des Altarraums in den Bann zu ziehen vermochte. Da war der allsonntägliche Meßbesuch, das Tragen des guten weißen Hemds, das nicht schmutzig werden durfte. Da waren das Freitagsopfer und das Sonntagsessen: Braten, Petersilie auf den Kartoffeln, das gute Service. Das Katholische brachte Spannung und Geborgenheit zugleich in unser Leben. - Bürgerlich, reine Pflichtübungen, werden gewiß einige einwenden. Oder: Alles Fassade, Äußerlichkeiten, mögen andere sagen. Entscheidend sei doch, daß die katholische Erziehung Menschen drangsaliere, bevormunde. Ich habe es nie so erlebt und füge hinzu, daß Freiheit der Bindung bedarf soll sie nicht zur Willkür entarten.

Oft habe ich den Eindruck, all diese Erinnerungen entbehrten der Tatsächlichkeit, so weit entfernt ist diese Welt meiner Kindheit von der heutigen. Es geht hier nicht um das sentimentale Heraufbeschwören der guten, alten Zeit, in der noch alles in Ordnung war. Das war es sicher nicht. Nur stehe ich oft wie ein staunendes Kind vor- dem Phänomen der Schnelligkeit des Wandels. Ist es heute denn denkbar, daß eine Fronleichnamsprozession, die längst zur Demonstration einer Minderheit (in einigen Städten auch zum Spießrutenlauf) geworden ist, an festlich geschmückten Altären und Häuser vorbeizieht? Daß ein Mann vor einem Wegkreuz den Hut zieht? Daß die Kirche im öffentlichen Leben einmal nicht als Problem oder Skandalon behandelt wird?

Angriffe

Sieht man von wenigen Regionen ab, so ist all dies heute undenkbar. Unsere Gesellschaft ist atheistisch geworden. Die Transzendenz ist abgeschafft, die Ehrfurcht vor dem Sakralen längst der Ehrfurcht vor der Umwelt und der Vergötzung von Leben und Gesundheit gewichen. Es ist kälter geworden im Abendland: Der Mensch stirbt nicht mehr zu Hause im Familienkreis, sondern in sterilen Kliniken. Die Friedhöfe sind an die Peripherien der Großstädte verlegt, in skandinavischen Länder sollen die Leichenwagen nicht mehr die Farbe Schwarz tragen, um den Menschen nicht unnötig an den Tod zu erinnern. Das Bild unserer Städte prägen die Kathedralen des Materialismus, die protzigen Burgen der Banken, Versicherungen und großen Handelshäuser, nicht mehr die Kirchen. Die Tötung des ungeborenen Lebens ist mehr oder weniger legalisiert und zu befürchten ist; daß zu Beginn des nächsten Jahrtausends, wenn die Bevölkerungspyramide sich umkehrt, eine Diskussion darüber in Gang kommen wird, wie mit unproduktiven und somit parasitären Gesellschaftsmitglieder, vorzüglich den Alten, verfahren- werden soll.

 

Immer mehr Politiker und Politikerinnen, Fernsehsender, Zeitschriften und Vertreter der Kulturszene hetzen, verleumden, werfen Dreck (anders darf man das nicht nennen) auf Kirche, Papst und Katholiken. Und wenn der Bär einmal Blut läßt, kommen viele Hunde, auch die feigen. Der Spott ist bissiger, die Angriffe sind persönlicher, geschmackloser geworden und machen schon längst nicht mehr vor dem gekreuzigten Christus halt, der in staatlich subventionierten Theateraufführungen als gut abgehangenes Stück Fleisch. bezeichnet wird. Eines muß man uns Deutschen lassen: Geschmack haben wir.

In diesem Ambiente, mit diesem Bild von Kirche werden unsere Kinder groß. Auf dem Katholikentag in Karlsruhe habe ich in Diskussionen mit Theologen und Laien wiederholt Ausbrüche blanken Hasses erlebt Haß auf das kirchliche Establishment, wie sie es nannten, Haß auf den Papst und handverlesene Kardinäle. Und diese Emotion wurde nur kläglich von Argumenten gestützt. Eine Gesellschaft, die den Pluralismus zur Doktrin erhebt, Offenheit für Spleens und Exotismen postuliert, Randgruppen hofiert, mit Kerzen in der Hand Betroffenheit bei Angriffen auf Andersdenkende artikuliert und zugleich die Kirche brandmarkt, ist verlogen.

Doch nicht nur die Gesellschaft, nicht nur die anderen sind schuld! Vor allem sind es die Katholiken selber. Viele ihrer Gelehrten, Geistlichen und Angestellten des Apparates, die doch aus ihrem Selbstverständnis heraus als erste für ihre Kirche, ihren Glauben und ihren Papst werben sollten. Oft aber ist das Gegenteil der Fall: Da sind zunächst die Überheblichen, die keine Bedenken haben, ihren mehr  oder minder bedeutsamen theologischen Reflexionen den Stempel der Allgemeinverbindlichkeit aufzudrücken; hoch dotierte Kleinpäpste, die vom Katheder aus in maßloser Überschätzung ihrer Bedeutung den Aufstand der Zwerge gegen Rom proben. Jeder religiös Erregte, den es, verstandesbegabt oder nicht, mit Macht zur theologischen Reflexion und - weit schlimmer noch - zur schriftlichen Fixierung seiner Erkenntnisse drängt, darf sicher sein, daß selbst die abstruseste These, einmal auf dem Markt der Möglichkeiten auflagenstark plaziert, rasch in die theologische Diskussion Eingang finden und in Seminaren die Hime von Dozenten und Studenten beschäftigen wird.

Dann sind da die Leidenden und Komplexösen, die mit dem Rücken zur Wand, verquaster Sprache und verquältem Lächeln stets aufs neue beteuern, zwar katholisch zu sein, aber eigentlich doch ... und überhaupt und nur dabeiblieben, weil sie von innen heraus eine andere Kirche bauen wollten. Der Journalist Martin Lohmann schreibt in seinem Beitrag: „Selbstmitleidsvolle Jammerlappen stecken niemanden an. Intellektuell zelebrierte Leidensmentalität strahlt keine Anziehungskraft aus. Wer will schon gerne immer leiden!« Das ist das Thema. Viele dieser in selbstpeinigendem Skeptizismus verharrenden, beängstigend orientierungslosen theologischen Fachvertreter, die ständig am Papst, an der Kirche als erlebtem Erlebnis und an sich selbst leiden - sie haben die Kirchenbänke geleert . Ein Suchender, der sich einer Kirche nähert, aus deren Fenster nur die warnenden Rufe Unrein, unrein tönen, wird diese Kirche wohl kaum betreten wollen.

Und schließlich gibt es die professionellen Kritikaster. Was ihre Arbeit anbelangt, so besteht allerdings Grund zur Hof­nung: Kirchenhetze wie die von Herrmann, Deschner, Denzler, de Rosa, Drewermann oder Ranke-Heinemann, sie wird sich bald totlaufen. Es sind Moden, von denen die Menschen sich bald abwenden werden. Fernsehauftritte von Frau Ranke-Heinemann beispielsweise, die sie immer häufiger nutzt, um im bewährten kleinen Grünen ihre trüben Gedanken unter das Fernsehvolk zu streuen, werden als peinlich und unwürdig empfunden. Der Verbalgrobianismus der ersten Theologieprofessorin der Welt ist nurmehr abstoßend. Eine solche Repräsentantin des weiblichen Geschlechts wird alle zölibatär Lebenden in ihrer Entscheidung bestärken.

Das ist die Situation, wie sie viele und immer mehr Katholiken empfinden. Ich sage das ohne jede Weinerlichkeit Die Katholiken sollten sich die Tiefschläge von außen wie innen einfach nicht mehr bieten lassen und sich zur Wehr setzen gegen jene, die das, was uns viel bedeutet, täglich aufs Neue beschmutzen. Die unsere Glaubens- und Lebensinhalte karikieren. Im kleinen privaten Kreis wie im großen. Ein wenig von dem Engagement eines Joschka Fischer, eines André Glucksmann, einer Alice Schwarzer beispielsweise täte uns gut

Es geht weder um Duckmäusertum, noch um blinden Gehorsam. Ich kenne wenige gläubige Katholiken, die keine Glaubensprobleme hätten, die sich an der einen oder anderen römischen Entscheidung, dem Apparat oder der Verwaltung nicht reiben würden. Entscheidend aber bleiben doch Grundhaltung (Ist es die des Vertrauens?), Anliegen (Will ich überhaupt etwas verstehen?) und die Form meiner Opposition (Wende ich mich an die Bild-Zeitung oder den Bischof?). Etwas mehr Bescheidenheit, etwas mehr Demut täte so manchem gut.

Was stört es den Mond, wenn ihn der Hund anbellt! Streng genommen sollte dies die Haltung des Katholiken gegenüber Angriffen und Schmähungen sein. Alleine die Gnade, die er empfangen hat, alleine seine Verbundenheit mit Christus und seiner Kirche (einer vollkommenen Gesellschaft) - sie erhöhen ihn so sehr, daß all dies wütende Geschnaube und Gestampfe ihm nichts anzuhaben vermag. Doch ich muß gestehen, daß mir diese Souveränität und Gelassenheit fehlt und es mich ärgert, ja empört, tagtäglich Zeuge dieser boshaften Attacken sein zu müssen.

Das Buch

Wir haben dieses Buch gemacht, um für unseren Glauben zu werben, um ihn und unsere Kirche sympathisch zu machen. Wir glauben, daß persönliche Zeugnisse eher als abstrakte Theorien überzeugen. Und so setzen in diesem Buch 15 Frauen und Männer der antikatholischen Ressentimentpflege ihr persönliches und klares Bekenntnis zum Glauben und der Kirche entgegen. Ob Politiker oder Priester, Bischof oder Familienmutter, Ordensfrau öder Abt, Rechtsgelehrter oder Journalist - sie alle bezeugen, warum sie mit Freude und aus Überzeugung katholisch sind. Was Kirche und Glaube für ihren Alltag und Beruf, für ihre Teilnahme am Familien- und öffentlichen Leben bedeuten. Wie und warum sie den Weg zur Kirche fanden und heute mit dieser Kirche weitergehen. Es sind persönliche Bekenntnisse, durchaus von Emotionen getragen, von Zuneigung ebenso wie von Ärger.

Stil und Konzeption der Beiträge sind so unterschiedlich wie die Autoren selber. Vor allem aber sind sie sehr persönlich. Und genau dies macht die Beiträge so lesenswert Keine theoretisch-abstrakten Diskurse erwarten den Leser, sondern kurze Erfahrungsberichte, Geschichten, die unverkrampft und offen von der Freude, von der Lust, katholisch zu sein, erzählen. Und wenn auch Herkunft, Lebensweg, Beruf und Alter naturgemäß die Perspektive der Autoren bestimmen, so ist ihnen doch eines gemeinsam: das bewußt reflektierte und dezidierte Bekenntnis zu dieser Kirche. Dies schließt Kritik selbstverständlich nicht aus. Aber es ist eine Kritik, die nicht die historische Gestalt der Kirche verneint, sondern deren Struktur und Wesen bejaht

(Aus "Von der Lust katholisch zu sein" MM-Verlag, Aachen).


 

  









 

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