Am heutigen
Fest des hl. Ambrosius (+397), der vom Sonntag verdrängt wurde aber
nicht vergessen ist, am Vorabend, an der Vigil des großen Festes der
unbefleckten Empfängnis Mariens dürfen wir uns dem Wort Jesu zuwenden,
das er im Abendmahlssaal gesprochen hat und das seither bei jeder
Eucharistiefeier wiederholt wird: "Das ist mein Leib." - "Das ist mein
Blut." Ich möchte heute diese beiden Worte, die so genannten
Einsetzungsworte oder, wie wir auch sagen, Wandlungsworte, mit Ihnen
ein wenig betrachten. Wir schauen auf die Anfänge der Eucharistie
zurück, wo kommt sie eigentlich her. Wir haben in den beiden ersten
Katechesen sehr stark in die jüdischen Wurzeln hinein gehorcht. Wir
haben gesehen, wie sehr der Abend, an dem Jesus zum ersten Mal diese
Worte gesprochen und uns den Auftrag gegeben hat, das zu seinem
Gedächtnis immer wieder zu wiederholen, geprägt war vom jüdischen
Pesach, vom jüdischen Osterfest, von seinen Gebeten und Riten, und
welche Bedeutung das auch hat, um die Eucharistie besser zu verstehen.
Wir erinnern uns, am Anfang des Pesachmahles steht der Brotsegen, die
Broche über das Brot, und da, an dieser Stelle sagt Jesus das Wort,
das wir seither in jeder Heiligen Messe hören: "Das ist mein Leib,
hingegeben für euch." Dann, als das Pesachmahl vorbei ist, die Worte
über den so genannten dritten Becher, den Segensbecher: "Das ist mein
Blut des Bundes" - wir werden auch die etwas umfassendere andere Form
des Wortes uns noch näher anschauen.
I.
Heute möchte ich die Frage stellen: Was hat Jesus damit gemeint?
Können wir überhaupt wissen, was er gemeint hat? Können wir nach 2000
Jahren wissen, was Jesu Absicht damals wirklich war, als er diese
Worte gesprochen hat? Wissen wir überhaupt mit Sicherheit, ob er sie
so gesprochen hat? Die ganz große Frage, seit 2000 Jahren immer wieder
eine Streitfrage, ist: Hat Jesus diese Worte wörtlich gemeint oder
symbolisch? Hat er von "dem da", was er gebrochen hat, dem Brot, im
symbolischen Sinn als von seinem Leib gesprochen oder war es wirklich
sein Leib, den er ausgeteilt hat? Wie wollen wir das heute noch, nach
2000 Jahren überprüfen können? Wir haben drei Zugänge. Wenn wir
feststellen, dass diese drei Zugänge sich überschneiden, sich
gegenseitig ergänzen, dann kommen wir auch zu einer starken
Gewissheit, sagen zu können, was Jesus wirklich damit gemeint hat.
1. Fragen wir zuerst einmal: Was bedeuten überhaupt die Worte, die
Jesus gesprochen hat? Was heißt das, was er da gesagt hat? Was sagen
uns die Philologie, die Sprachwissenschaft, die Bibelwissenschaft, die
Exegese dazu? Was bedeuten die Worte und Gesten Jesu. Das möchte ich
heute ein wenig erfragen. Freilich haben wir eine ganz große und
bekannte Schwierigkeit: Es gibt keine Tonbandaufnahmen und natürlich
erst recht keine Videoaufnahmen vom Abendmahl. Wir haben vier
verschiedene Berichte, bei Matthäus (26,26-29), Markus (14,22-25),
Lukas (12,15-20) und beim Apostel Paulus (1 Kor 11). Jeder der vier
berichtet diese Worte ein bisschen anders. Jetzt kann man sagen: Das
ist ein Zeichen dafür, wie der Wiener sagt: "Nix Genaues weiß man
nicht." Was wissen wir schon? Jeder sagt es ein bisschen anders. Aber
man kann das auch umgekehrt sehen: Jeder sagt genau dasselbe mit ein
bisschen anderen Worten. Gerade das bezeugt, dass die Kernaussage
zuverlässig ist. Wenn vier verschiedene Zeugen etwas bezeugen, was in
der Sache ganz klar übereinstimmt, dann ist es auch glaubwürdig. Dann
sind aus diesen vier Berichten wirklich die Worte Jesu herauszuhören.
Dann sind sie ein klarer Spiegel, in dem wir Jesu Absicht lesen
können.
2. Es gibt einen zweiten Zugang über die Überlieferung der Kirche, das
was wir die Tradition nennen. Vom ersten Anfang hat die Kirche getan,
was Jesus aufgetragen hat. Was Jesus im Abendmahlssaal getan hat, das
hat die Urgemeinde in Jerusalem von Anfang an weiter gemacht. Es
heißt: "Reihum brachen sie in ihren Häusern das Brot" (Apg 2,46).
Brotbrechen war der Ausdruck für das, was man dann auch in der frühen
Kirche das Herrenmahl genannt, was Jesus damals im Abendmahlssaal
getan hat. Die vier Texte bei Matthäus, Markus, Lukas und Paulus sind
später geschrieben. Die Gelehrten streiten darüber, wann sie
geschrieben worden sind, Paulus in den Fünfzigerjahren. Von den drei
Evangelien sagen manche sie sind vor 70 entstanden, andere sagen sie
sind nach 70 entstanden. Auf jeden Fall ist schon eine ganze Zeit
vorüber gegangen. Wir spüren in diesen Texten auch schon etwas von
dem, wie man in den Kirchen, in den Gemeinden das Abendmahl, die
Eucharistie gefeiert hat. Ganz schön sieht man das beim Apostel
Paulus. Er schreibt der Gemeinde von Korinth. Ich habe darüber schon
erzählt. Da gibt es Streit. Die Leute kommen beim Abendmahl zusammen,
die einen essen viel, die andern haben nichts zu essen. Manche, sagt
Paulus, sind schon betrunken, während andere noch hungern. Es ist also
eine ziemliche Unordnung in Korinth. Da erinnert sie Paulus daran, was
er ihnen beigebracht hat und was er selber vom Herrn gelernt hat. Er
sagt in sehr einfachen und klaren Worten: "Ich aber habe euch
überliefert, was ich vom Herrn empfangen habe." - Wie er das vom Herrn
bekommen hat, wissen wir nicht. Paulus war beim Abendmahl nicht dabei.
Aber er hat das sehr früh gehört und gelernt, was Jesus damals getan
hat und das gibt er jetzt weiter. - "Der Herr Jesus, in der Nacht, in
der er überliefert wurde, nahm das Brot, sagte Dank, brach es und
sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis.
Ebenso nahm er den Becher nach dem Essen und sagte: Dieser Becher ist
der neue Bund in meinem Blut. Das tut, so oft ihr daraus trinkt, zu
meinem Gedächtnis" (1 Kor 11,23-25 wörtl.). So hat Paulus es seiner
Gemeinde überliefert, mit diesen Worten hat man in Korinth Abendmahl
gefeiert. Auch die drei anderen Berichte spiegeln etwas von dem
wieder, wie in der frühen Kirche Eucharistie gefeiert wurde, mit
welchen Worten, Markus wahrscheinlich das, was er von Petrus gehört
hat, Matthäus das, was in Palästina in den Gemeinden üblich war, Lukas
fast wörtlich dasselbe wie der Apostel Paulus. Was die frühe Kirche
überliefert hat, war schon Tradition. Was wir in den Evangelien finden
ist das, was die Kirche seit damals, seit 20, 30, 40 Jahren gelebt
hat, was in der Liturgie der frühen Kirche üblich war.
Nun fällt uns eines auf: Nichts wurde so kostbar und genau
überliefert, wie die Worte Jesu, besonders die zum Abendmahl, die wir
die Wandlungsworte nennen. Deshalb ist auch bei der Eucharistie, bei
der Messfeier kein Moment so feierlich, wie der Moment, wo der
Priester die Worte Jesu wiederholt. Als Bischof muss man darauf
schauen, dass die Liturgie in unseren Gemeinden ordentlich gefeiert
wird. Mitunter behandeln Zelebranten, Priester manches allzu
großzügig. Aber ein Punkt ist unerbittlich streng und klar, da darf
man nicht daran herumexperimentieren, das sind die Worte der Wandlung.
- Man soll auch sonst mit der Liturgie nicht herumexperimentieren,
aber die Wandlungsworte, die Worte Jesu, die wir im Herz der Heiligen
Messe sagen, sind wirklich heilig, nicht nur weil der Wortlaut,
sondern vor allem weil die Bedeutung wichtig ist. An der darf nichts
herum geändert werden. Wir feiern das, was Jesus im Abendmahlssaal
gefeiert hat. Deshalb ist auch die Überlieferung sehr zuverlässig. Da
ist im Lauf der Jahrhunderte nichts "herumgebastelt" worden. Die Messe
hat sich sehr stark entwickelt. Ich weiß nicht, ob die Gemeinde von
Korinth sich in der Messe im Stephansdom zurecht gefunden hätte, oder
wir in der Gemeinde in Korinth. Aber eines ist sicher: Die Worte, die
der Vorsteher der Eucharistie über Brot und Wein gesprochen hat, waren
sicher dieselben, so wie Paulus sie überliefert, wie die Evangelien
sie überliefern, unverändert in großer Treue. Nun das erstaunliche:
Durch 2000 Jahre hat man auch die Bedeutung dieser Worte gedeutet. Was
bedeuten sie? Wenn Jesus sagt: "Das ist mein Leib" - "das ist mein
Blut", dann hat die Kirche in ihrer großen Überlieferung das nicht nur
als eine symbolische Handlung verstanden, sondern wörtlich: Das ist
mein Leib, das ist mein Blut, nicht eine einfache Erinnerung. - Ich
werde auf die Frage noch zurückkommen, warum Jesus sagt: "Tut das zu
meinem Gedächtnis!" - Nein, es war nicht bloß ein Zeichen zur
Erinnerung, sondern es geht genau um das, was die Worte sagen. So hat
die Kirche in ihrer großen Mehrheit das durch alle Jahrhunderte
verstanden. Deshalb sagen wir auch in jeder Heiligen Messe: "Geheimnis
des Glaubens." Manchmal sagt dann ein Zelebrant: Das ist ein Geheimnis
des Glaubens. Nein, das stimmt nicht: Es ist das Geheimnis unseres
Glaubens. Deshalb sagen wir es so, wie es die Liturgie vorsieht. Und
wir knien nieder. Der Priester macht eine Kniebeuge. Die macht er
sicher nicht vor einem bloßen Symbol. Wir werden uns damit noch
ausdrücklicher befassen, wenn es um die Frage geht: Was heißt
Wandlung? Was geschieht da wirklich?
3. Ich möchte noch einen dritten Weg nennen, wie wir uns sicher werden
können, was Jesus gemeint hat: die Erfahrung. Durch 2000 Jahre machen
Menschen immer wieder die Erfahrung, dass die Worte Jesu wirklich
stimmen. Da gibt es bisweilen außergewöhnliche Erfahrungen, Menschen,
die über lange Jahre nur von der Eucharistie leben. Ein berühmtes
Beispiel ist die hl. Katharina von Siena (†1380), die sich durch Jahre
nur von der Eucharistie ernährt hat, der hl. Bruder Klaus von der Flüe
(†1487) in der Schweiz, und in unserer Zeit besonders eindrucksvoll
die stigmatisierte Marthe Robin (†1981), sie hat Jahrzehnte lang nur
von der Eucharistie gelebt. Solche außergewöhnliche Situationen sind
uns als Zeichen gegeben, dass der Herr hier nicht einfach von einem
Symbol spricht, sondern dass er selber sich uns zur Speise gibt, dass
er Lebensmittel ist. Aber neben diesen ganz großen mystischen
Erfahrungen gibt es auch die ganz alltägliche Erfahrung, dass der
eucharistische Leib Jesu für uns wirklich Nahrung ist und unser Leben
erhält, dass Jesus in der Eucharistie wirklich zu uns kommt und uns
Leben schenkt.
Für mich ist unvergesslich, wie ich als junger Theologiestudent einmal
einer mir sehr lieben Tante gesagt habe: "Ja, mit der Eucharistie, mit
der Messe habe ich meine Schwierigkeiten." Da waren so viele Theorien
im Umgang damals, in den Sechziger Jahren, dass das eigentlich nicht
eine wirkliche Wandlung sei, sondern nur eine andere Bedeutung, ein
Versuch die Messe, die Eucharistie symbolisch zu deuten. Ich habe das
als junger Student aufgesogen und ganz stolz dieser Tante erzählt. Sie
hat mich nur traurig angeschaut und gesagt: Wenn ihr uns die
Eucharistie nehmt, dann nehmt ihr uns alles. Das war jetzt nicht eine
theoretische Aussage, weil man das irgendwie gelernt hat, sondern das
war ihr Leben. Ich werde das nicht vergessen.
Wer also sagt uns, was Jesus mit diesen Worten wirklich gemeint hat?
Letztlich der Heilige Geist. Der Heilige Geist, der zu uns spricht
durch die Schrift, durch das vom Geist eingegebene Wort der Heiligen
Schrift, der in der Überlieferung der Kirche am Werk und in unserer
Erfahrung da ist, der in den Gläubigen das Verständnis für die
Eucharistie lebendig hält.
II.
Ich möchte jetzt auf der Grundlage dieser drei Zugänge mit Vertrauen
hinhorchen auf die Worte, die Jesus gesagt hat, die Einsetzungsworte.
Jesus hat also, wahrscheinlich auf Aramäisch oder auf Hebräisch, über
das Brot, das er gebrochen und verteilt hat, gesagt: "Das ist mein
Leib." Wahrscheinlich mit dem Zusatz: "für euch" oder gar: "hingegeben
für euch". Aufs erste ist das klar und einfach. Jesus nimmt das Brot,
segnet es, bricht es, reicht es den Jüngern und meint das, was er
sagt. Was er ihnen gibt ist sein Leib. Das Brot ist sein Leib
geworden, eben der Leib, den er dann, wenige Stunden später am Kreuz
für uns hingeben, opfern wird. Das gebrochene und verteilte Brot ist
er selber, sein für uns in den Tod gegebener Leib, der für uns gegeben
wurde, damit wir an ihm Anteil bekommen.
Ich vermute, die meisten Menschen, die am Sonntag zur Messe gehen,
verstehen die Worte Jesu in der Wandlung, in den Einsetzungsworten so.
Aber natürlich gibt es Einwände, Schwierigkeiten, denen wir uns
zuwenden müssen, denn der Glaube will auch erprobt sein und muss sich
Schwierigkeiten stellen. Da sind einmal ganz einfache sprachliche
Schwierigkeiten. Im Hebräischen gibt es das Wort ist nicht. Jesus hat
nicht gesagt: "Das ist mein Leib." Er hat gesagt: "Das mein Leib."
Aber damit kann man noch zurecht kommen.
Die Frage wird oft und nachdrücklich gestellt: Was Jesus da getan hat,
ist doch eine symbolische Handlung. Er wollte mit einer Geste und mit
einem Wort etwas zeigen. Es gibt in der Bibel, im Alten Testament
viele solche symbolische Handlungen. Offensichtlich hat sich auch
Jesus auf diese symbolischen Handlungen bezogen. Ich nenne drei
Beispiele vom Propheten Ezechiel. Ezechiel musste immer wieder solche
symbolischen Handlungen setzen, um damit etwas zu sagen. Einmal sagt
Gott zu ihm: "Schnüre dir einen Rucksack, ein Gepäck eines Exilanten.
Mache dir ein Gepäck fürs Exil." Er macht das, und am Abend dieses
Tages sagt Gott zu ihm: "Jetzt mache ein Loch in die Wand, nimm deinen
Sack auf die Schulter und krieche durch dieses Loch hinaus." Ezechiel
tut, was Gott ihm aufträgt (Ez 12,1-5). Er macht das vor den Augen der
Leute in Jerusalem. Sie kommen und sagen: Was machst du denn da? Ein
Loch in die Wand und ein Fluchtgepäck? Gott sagt zu Ezechiel: "Sage
ihnen: Ich bin ein Mahnzeichen für euch. Was ich getan habe, wird mit
euch geschehen. In die Verbannung, in die Gefangenschaft werdet ihr
ziehen" (12,11). Mit einer symbolischen Handlung sagt er den Leuten:
Das wird euch passieren. War das Abendmahl Jesu nicht genau so eine
Handlung? Hat Jesus nicht das Brot gebrochen, um zu sagen: Genau das
wird mir passieren. So wie dieses Brot jetzt gebrochen wird, wird mein
Leib gebrochen im Tod. So wie dieses Brot verteilt wird, so gebe ich
mein Leben für euch. Das ist doch ein schönes Symbol.
Vielleicht wird das in einer anderen Stelle deutlicher. Ezechiel
bekommt folgenden Auftrag: "Du, Menschensohn, nimm dir ein scharfes
Schwert! Als Schermesser sollst du es benutzen und dir damit über dein
Haupt und deinen Bart fahren. Dann nimm dir eine Waage und teile die
Haare. Ein Drittel verbrenne im Feuer inmitten der Stadt, wenn die
Tage der Belagerung zu Ende sind. Ein Drittel nimm, schlage es mit dem
Schwert rings herum, und ein Drittel streue in den Wind. Ich will das
Schwert zücken hinter ihnen her. Dann nimm davon eine kleine Anzahl
und binde sie in den Zipfel deines Gewandes. Auch von diesen nimm
nochmals weg und wirf sie mitten ins Feuer und verbrenne sie im Feuer.
Davon wird Feuer ausgehen" (Ez 5,1-4). Es ist eine eigenartige
Symbolik. Er schneidet sich mit einem scharfen Schwert die Haare und
den Bart ab und beginnt, die Haare zu verteilen. Ein Drittel wird
verbrannt, ein Drittel wird mit dem Schwert geschlagen, und ein
Drittel wird verstreut. Ein paar bleiben übrig, in sein Gewand
eingewickelt. Dann sagt Gott zu Ezechiel: "Sage zum Haus Israel: So
spricht der Herr, euer Gott: Das ist Jerusalem" (Ez 5,5). Genau
dieselbe Art zu formulieren, wie Jesus gesagt hat: "Das ist mein
Leib." "Das ist Jerusalem." Dann erklärt er: "Mitten unter die Völker
habe ich es gestellt und es mit Ländern umgeben. Aber es lehnt sich
gegen meine Rechte auf, schlimmer als die Heiden, und gegen meine
Satzungen ärger als die Länder" (5,5-6). Deshalb werden sie zerstreut,
so wie diese Haare, die Ezechiel verstreut. "So spricht der Herr: Das
ist Jerusalem." Ist das nicht eine ähnliche Situation wie das, was
Jesus mit dem Brot getan hat: Eine prophetische Geste, eine
symbolische Handlung, das zerbrochene, zerteilte Brot, das ist er.
"Das bin ich. Das ist mein Leib." Symbolisch, spricht nicht dafür
auch, dass Jesus gesagt hat: "Tut das zu meinem Gedächtnis",
sozusagen: Wiederholt dieses Zeichen zur Erinnerung an mich?
Wenn wir dieses Zeichen des Propheten Ezechiel mit den Haaren
anschauen, dann kann auch ein Zweifel kommen, ob das wirklich nur
symbolisch ist. Indem der Prophet das mit seinen eigenen Haaren tut,
was einmal mit Jerusalem geschehen wird, wenn sie alle ins Exil
zerstreut, durch den Krieg vernichtet, und nur einige wenige gerettet
werden, und Gott dazu sagt: das ist Jerusalem, dann sind ja seine
Haare auch schon ein kleiner Teil von Jerusalem. Was mit den Haaren
geschieht, ist wirklich ein Stück Jerusalem. Wir würden heute in
unserer kirchlichen Sprache sagen, das ist ein Sakrament Jerusalems.
Was im Kleinen mit den Haaren geschieht, wird mit Jerusalem im Ganzen
geschehen. Dieses ist Zeichen ein Hinweis auf das, was kommen wird.
Hat nicht Jesus vor seinem Leiden genau das gemacht? Er hat gesagt:
Das wird mit mir passieren. Das ist mein zerbrochener Leib. Was jetzt
mit mir am Kreuz geschehen wird, ist für euch. Also doch eine
symbolische Handlung? - Aber die Haare des Propheten waren schon ein
Stück von Jerusalem. Es ist also etwas mehr als ein Zeichen. Was Jesus
getan hat, bezeichnet zweifellos seinen Tod. Er bricht das Brot, was
man bei jedem jüdischen Essen macht, und er sagt: Schaut, das hat eine
neue Bedeutung. Das ist mein Leib, er wird jetzt gebrochen im Tod.
Aber es ist nicht nur ein Zeichen. Was Jesus ihnen da gibt, ist schon
ein Stück von dem, was jetzt passieren wird. Er gibt ihnen jetzt schon
Anteil an seinem eigenen Leib. So haben die Christen das verstanden.
Freilich ist da ein wichtiger Unterschied. Beim Propheten war es nur
ein kleiner Teil von Jerusalem, einige Haare, die er da verteilt oder
mit denen er die symbolische Geste durchgeführt hat. Wir glauben, dass
Jesus, wenn er das Brot bricht und es den Jüngern gibt, sich selber
ganz gibt, nicht nur einen Teil. Das ist wirklich er selber. Sein
Leib, seine Person, er in Person.
III.
Bisher hat uns das Wort über dem Brot beschäftigt. Jetzt schauen wir
ein bisschen auf das Wort über den Becher, über den Wein. Auch da
hilft es, wenn wir genauer auf den Wortlaut schauen. Beim Becherwort
ist es etwas schwieriger, weil der Wortlaut so verschieden ist. Bei
Markus und Matthäus lautet das Wort über den Becher mit dem Wein so:
"Das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für die Vielen" (Mk
14,24), Matthäus ergänzt: "zur Vergebung der Sünden" (Mt 26,28). Die
andere Form bei Paulus und Lukas: "Das ist der Kelch des Neuen Bundes
in meinem Blut, das für euch vergossen wird" (Lk 22,20), oder noch
kürzer bei Paulus: "Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut" (1
Kor 11,25). Natürlich stellt sich die Frage: Was hat jetzt Jesus
wirklich gesagt? Welche der beiden Formen? Aber die Elemente in beiden
Formen sind dieselben: Blut, Bund, vergossen, für euch / für viele.
Schauen wir uns das etwas näher an. Da ist wieder das Alte Testament.
Wir kommen ohne die jüdischen Wurzeln unseres Glaubens nicht aus. Es
sind vor allem drei Worte, drei Texte aus dem Alten Testament die hier
für jeden gläubigen Juden damals sozusagen mitgeklungen sind. Da ist
die Rede vom Blut des Bundes. Wir werden gleich schauen, was da mit
anklingt. Dann ist die Rede vom Neuen Bund. Dann ist vom Bund im
meinem Blut die Rede.
1. Eines klingt deutlich und klar an. Im Buch Exodus tut Mose
folgendes. Als Gott ihm das Gesetz, die zehn Worte gegeben hat,
antwortet das ganze Volk: "Alle Worte, die der Herr gesagt hat, wollen
wir halten." Mose macht einen Altar aus zwölf Steinen für die zwölf
Stämme Israels. Es werden Opfer dargebracht auf dem Altar. Mose nimmt
das Blut der Opfertiere in eine Opferschale. Dann heißt es, die andere
Hälfte des Blutes sprengt er an den Altar. - Auf der einen Seite die
Opferschale mit dem Blut, das er noch behält, auf der anderen Seite
der Altar, der besprengt wird mit Blut. - Dann sagt das Volk: "Alles,
was der Herr gesagt hat, wollen wir tun und befolgen." Dann nimmt Mose
aus dieser Schale das Blut, besprengt damit das Volk und sagt: "Das
ist das Blut des Bundes, den der Herr aufgrund all dieser Worte mit
euch geschlossen hat" (Ex 24,3-8). Das Blut am Altar, das Blut, das er
auf die Gläubigen, auf das Volk sprengt, was heißt das? Der Bund wird
geschlossen mit Blut. Das Blut ist das Leben. Wenn das Blut weg ist,
ist das Leben weg. Wo das Blut ausgeschüttet wird, stirbt der Mensch.
Blut ist Leben. Deshalb wird der Bund mit dem Blut geschlossen. Im
Alten Bund ist der Altar das Symbol Gottes, wie er für uns Symbol
Christi ist. Deshalb wird der Altar von Mose mit dem Blut der
Opfertiere besprengt, und die Leute werden besprengt, um zu zeigen:
Zwischen euch besteht ein Bund, ein Lebensbund, ein fester Bund. Gott
und sein Volk sind verbunden durch das Leben Gottes. Es ist ein Bund
für immer, den Gott mit seinem Volk geschlossen hat.
"Blut des Bundes" ist eindeutig eine Erinnerung an dieses Geschehen am
Berg Sinai. Jesus schließt einen Bund mit seinen Jüngern, indem er
Blut nimmt - sein Blut! - und es mit ihnen teilt, es ihnen zu trinken
gibt. Wir werden sehen, dass das nicht so leicht im geistlichen Sinne
anzunehmen ist.
2. Der Bund ist immer wieder gebrochen worden. Immer wieder sind die
Menschen untreu geworden. Gott hat den Bund geschlossen, aber sein
Volk hat ihn nicht gehalten. Da kommt der zweite Text. Der Prophet
Jeremia verheißt: Es wird einmal eine Zeit kommen, da wird es einen
neuen Bund geben, einen Bund, der nicht mehr gebrochen wird. "Siehe",
sagt Gott durch den Propheten, "es kommen Tage, da werde ich mit dem
Haus Israel einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund, den ich
mit den Vätern geschlossen habe, damals als ich sie bei der Hand nahm
und aus Ägypten herausführte." Einen neuen Bund, den ersten haben sie
gebrochen. "Einen Bund werde ich mit ihnen schließen in jenen Tagen,
ich werde mein Gesetz in ihr Herz legen, es in ihr Inneres schreiben.
Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein" (Jer
31,31-32). Einen neuen Bund. Jesus sagt: Das ist das Blut des Bundes.
Er sagt: Das ist der neue Bund in meinem Blut.
3. Besonders eindrucksvoll ist, dass Jesus sagt: Das ist mein Blut. Er
identifiziert sich mit diesem Blut, weil das Blut das Leben ist. Mein
Blut, das heißt, das bin ich selber. Er selber stiftet den neuen Bund.
Er ist selber dieser neue Bund. Es gibt nur eine Stelle im Alten
Testament, wo ein Mensch Bund genannt wird. Es ist eine ganz bekannte
Stelle, die wir jedes Jahr am Karfreitag in aller Länge lesen: Jesaja
53, der große Text über den Gottesknecht. Von diesem Gottesknecht
heißt es schon etwas früher beim Propheten: "Ich, der Herr, rief dich
in Güte. Ich fasste dich bei der Hand und behütete dich. Ich machte
dich zum Bund für das Volk und zum Licht für die Heiden" (Jes 42,6).
Der Gottesknecht ist der Bund in Person. Was hat Jesus sozusagen im
Ohr und im Herzen gehabt, als er diese geheimnisvollen Worte über Brot
und Wein gesprochen hat? Wir dürfen annehmen, vor allem diese
rätselhaften Worte über den Gottesknecht. Sie erinnern sich vielleicht
am Karfreitag an diese großen Worte aus dem Gottesknechtlied. Dort
heißt es: Der Gottesknecht wird "von Leiden zermalmt". Der
Gottesknecht hat sein Leben hingegeben. Dort steht auch das Wort, das
für die Messe so wichtig geworden ist: Er gab sein Leben hin als
Sühneopfer. Dann heißt es von ihm: "Er trug die Sünden der Vielen." -
Wir kennen das: "Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt." -
"Er trat fürbittend für die Sünder ein." "Er hat sein Leben in den Tod
gegeben" (Jes 53,10.12). Das alles steht schon beim Propheten Jesaja.
Wenn wir das zusammenschauen, was aus dem Alten Testament bei dem
Wort, das Jesus über den Becher spricht, mitklingt, dann ist klar: Er
selber ist der Bund, der jetzt in seinem Blut geschlossen wird, das er
für uns, für die Vielen hingibt.
IV.
Ist das symbolisch zu verstehen, oder ganz realistisch? Eine kleine
Bemerkung beim Evangelisten Markus macht stutzig. Dort heißt es: Jesus
reichte ihnen den Becher und "alle tranken daraus" (Mk 14,23). Man
kann sagen: Natürlich trinken sie daraus. Warum sagt er das eigens? Er
sagt es eigens, weil es Juden sind. Stellen Sie sich vor, wir sitzen
als gläubige Juden beim Abendmahl, Jesus nimmt den Becher und sagt:
"Das ist mein Blut", oder: "Das ist der neue Bund in meinem Blut",
reicht den Becher und alle trinken daraus. Wir spüren, wie ungeheuer
schwer das für einen gläubigen Juden ist, der von den ersten Seiten
der Bibel an weiß: Blut darf man nicht trinken. Das Blut ist heilig.
Das Blut ist das Leben. Das Blutverbot gehört zu den strengsten des
Alten Bundes. Blutgenuss ist ein Frevel. Wir können verstehen, dass es
gar nicht selbstverständlich war, dieses Wort anzunehmen. Manchmal
denke ich mir: Wie geht es Menschen, die in den Dom hereinkommen,
vielleicht sind jetzt welche hier, die noch nie an einer Messe
teilgenommen haben, dann hören sie dieses Wort: "Das ist der neue Bund
in meinem Blut." Man trinkt daraus. "Blut Christi" wird dazu gesagt.
Man versteht, dass dann manche davor zurückschrecken und sagen: Bitte,
das muss aber doch symbolisch zu deuten sein. Das kann doch nicht
wörtlich gemeint sein. Man kann doch nicht Blut trinken.
Wenn wir schauen, wie die frühe Kirche, die Menschen in der Frühzeit
auf das reagiert haben, was ihnen da begegnet ist, dann stellen wir
drei Reaktionen fest. Die jüdische Reaktion finden wir klar
ausgedrückt im Johannesevangelium, als Jesus noch in Galiläa, in
Kafarnaum davon spricht, dass er selber "das Brot des Lebens" (6,48)
ist, und dazufügt: "Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der
bleibt in mir und ich bleibe in ihm" (6,56). Dann sagt er verstärkend
dazu: "Mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise, und mein Blut ist
wahrhaft ein Trank" (6,55). Die Reaktion ist ganz klar: "Seine Rede
ist hart, wer kann sie ertragen?" (6,60). Und viele seiner Zuhörer,
seiner Sympathisanten hören auf, im zuzuhören. Aber auch seine Jünger,
selbst seine Jünger sagen: "Diese Rede ist hart." Und sie verlassen
ihn. Sie gehen nicht mehr mit ihm. So sehr, dass Jesus dann den
engsten Kreis, die zwölf am Schluss fragt: "Wollt auch ihr gehen?"
(6,67). Und die Reaktion der Heiden, derer die nicht aus der jüdischen
Tradition kommen, ist auch schockiert oder mokierend. Man macht sich
lustig darüber. Der römische Satyriker Petronius schreibt im Satyrikon
eine Parodie auf das Abendmahl, so vermutet man, und sagt, die
Christen sind Menschenfresser. Sie essen das Fleisch und trinken das
Blut ihres Gottes - eine seltsame Religion.
Was Jesus im Abendmahlssaal getan hat, ist nicht einfach verständlich.
War das nur symbolisch gedacht oder ganz realistisch? Die christliche
Tradition hat es immer ganz real verstanden. Aber sie hat immer auch
klar dazu gesagt: Dieses Zeichen, das es bleibt, Brot und Wein, ist
wirklich sein Leib und sein Blut. Der Glaube nimmt das an. Ich lade
Sie ein, dass wir in den nächsten zwei Katechesen uns fragen: Was sagt
der Glaube über diese Wandlung, über das, was wir da im Glauben
bekennen? Aber eines muss ich schon jetzt sagen: Den Glauben hat der
Herr uns nicht erspart. Er hat auch uns gewissermaßen die Frage
gestellt: "Wollt auch ihr gehen?" Oder könnt ihr das als ein
wunderbares, ja das wunderbare Geschenk meiner Liebe annehmen? Ich
gebe mich euch so sehr, dass ihr von mir leben könnt. |