Komm,
Heiliger Geist, erfülle unsere Herzen mit dem Feuer deiner Liebe.
Entzünde mit deinem Feuer unsere Herzen, unsere Stadt, unser Land.
Komm Heiliger Geist und erneuere das Angesicht der Erde. Amen
Mit großer Freude beginne ich das neue Arbeitsjahr mit den Katechesen,
die - so Gott will - uns Monat für Monat begleiten werden. Ich muss
gleich vorweg sagen, dass ich eine ziemlich grundlegende Änderung in
meinem ursprünglichen Plan vorgenommen habe. Angekündigt war das Thema
der Klugheit. Ich habe das Thema aber geändert. Es ist etwas
dazwischen gekommen, das ich natürlich schon seit längerem weiß, aber
das mich mehr und mehr bewegt, weil das Datum immer näher kommt, das
ist die geplante große Stadtmission, die im Mai, in den Tagen vor und
nach Christi Himmelfahrt stattfinden soll. Nun habe ich mich
kurzfristig entschlossen, auch die Katechesen diesem Thema zu widmen
und gemeinsam mit Ihnen zu schauen, was eigentlich Mission bedeutet,
was es in sich bedeutet, vom Glauben her, vom Evangelium her, aber
auch was es für uns bedeutet, vielleicht auch für mich persönlich.
Ich möchte zuerst etwas über die Idee dieser Stadtmission sagen und
vor allem was mich dabei bewegt, warum ich glaube, dass dieses Projekt
für uns ein Wink Gottes ist. Dann möchte ich ein wenig auf die
Einwände eingehen, die es gegen das Thema Mission zahlreich gibt.
Schließlich folgt drittens die Begründung, warum eigentlich Mission
für den christlichen Glauben etwas so Wesentliches ist.
I.
Vor zwei Jahren haben vier europäische, Erzbischöfe, Kardinäle,
von Lissabon - er ist sogar Patriarch, von Paris, von Brüssel und von
Wien, sich zusammen getan und gemeinsam mit der Gemeinschaft Emmanuel
darüber nachgedacht, dass heute eigentlich die Stadt, ähnlich wie in
der frühchristlichen Zeit, in ganz besonderer Weise ein Ort der
Offenheit, des Suchens und in einer überraschenden Weise auch der
Religiosität ist und immer mehr wird. Wir haben einen gemeinsamen
Brief geschrieben, in dem wir einmal die Idee dieser Stadtmission
formuliert und dann festgestellt haben, dass die Zeit reif ist, gerade
in der Stadt deutlicher, vielleicht auch bewusster das Evangelium neu
zu sagen. Gerade in Wien ist dieses Thema uns durch den Stadtpatron,
den hl. Klemens Maria Hofbauer, sehr nahe, der ja so entschieden
gesagt hat, dass das Evangelium in dieser Zeit neu verkündet werden
muss.
Nun ist die Idee, die sich da entwickelt hat und die immer deutlicher
Gestalt annimmt, eine zweifache: Einerseits zu sammeln, was es an
Erfahrungen gibt, viele von uns machen Erfahrung mit dem Zeugnis vom
Glauben. Wenn sie darüber sprechen, wenn es sich ergibt, vielleicht
auch wenn die Gelegenheit gesucht wird - oft überraschend mehr
Offenheit, als wir vielleicht von vorn herein erwarten würden -
austauschen über das, was wir selber erfahren haben und erfahren, mit
Zeugnis vom Evangelium, Weitergabe des Evangeliums, mit Mission. Der
andere Aspekt ist, nicht nur darüber reden, sondern es auch tun. Wir
haben dazu sehr ermutigende Erfahrungen, in Wien selber und an vielen
anderen Orten, ich denke besonders an die Innenstadtmission, die, vor
einigen Jahren inzwischen schon, von der Dompfarre ausgegangen ist und
so ermutigend war, aber auch an Pfarrmissionen, die in einzelnen
Pfarren stattgefunden haben. Soweit also diese Idee, die wir zu
konkretisieren versuchen. Wien hat es als erste Stadt getroffen. So
lade ich Sie vor allem ein, was wir im Lauf dieses Jahres vorbereiten
im Herzen, im Gebet mitzutragen. Ich glaube, das ganz Entscheidende
wird sein, dass dies nicht ein reiner Aktivismus ist, sondern dass es
wirklich vom Gebet, der Fürbitte, auch vom Opfer getragen ist.
Mission gehört von Anfang an zur Kirche. Sie ist vom ersten Moment an
missionarisch. Ich lasse die negativen Nebenklänge oder Mitklänge bei
diesem Wort einstweilen beiseite. Ich gehe einmal nur davon aus, dass
etwa eine Gestalt wie die des Apostels Paulus uns ganz eindeutig vor
die Tatsache der Mission stellt. Paulus ist der Missionar schlechthin.
Aber wie hat er das gemacht? Wie sieht überhaupt Mission im Sinne Jesu
aus? Ist das möglichst lästig sein und den Fuß in die Tür stellen,
damit der andere die Tür nicht zumachen kann? Heißt das, die anderen
bombardieren mit Texten, Reden, Worten, Bekehrungsversuchen? Wie sieht
Mission im Sinne des Evangeliums aus?
Für mich gibt es ein Schlüsselwort in der Apostelgeschichte, das ich
Ihnen ans Herz legen möchte und das ich als ein Leitwort für die vor
uns liegende Stadtmission sehe. Der Apostel Paulus ist in Korinth. In
Athen hat er einen erfolglosen Versuch gestartet, eine Mission auf
sozusagen ganz modern zu machen. Er hat Zitate gebracht von
heidnischen Philosophen, er hat sozusagen den Anknüpfungspunkt gesucht
bei den Götterbildern, die er in Athen gesehen hat. Und er hat mit den
Leuten auf dem öffentlichen Platz disputiert, auf der Agora. Aber der
Erfolg war nicht übermäßig groß. Drei, vier Leute haben sich ihm
angeschlossen, immerhin darunter einer, der Dionysius hieß und den man
den Areopagiten nannte und der, wer immer er war, zumindest als Name
in der Geschichte der Kirche eine große Bedeutung bekommen hat. Aber
dann, als Paulus nach Korinth weiter zieht, in die Hafenstadt, die als
besonders verrucht galt als besonders heidnisch, wie eben Hafenstädte
sind, wo alle Untugenden, Unsitten zu finden sind, da hat Paulus eine
Schlüsselerfahrung. Er beginnt, wie üblich, in einer Synagoge zu
sprechen. Das klappt nicht sehr gut, und er beschließt, aus dieser
Synagoge wegzugehen in ein Haus in der Nachbarschaft der Synagoge, in
das Haus des Titius Justus. Dort beginnt er zu predigen und es beginnt
eine Erfolgsgeschichte. In Korinth wird seine Lieblingsgemeinde
entstehen. Aber am Anfang steht ein nächtlicher Traum, eine Vision:
"Der Herr aber sagte nachts in einer Vision zu Paulus: Fürchte dich
nicht! Rede nur, schweige nicht! Denn ich bin mit dir, niemand wird
dir etwas antun. Viel Volk nämlich gehört mir in dieser Stadt" (Apg
18,9-10). Ich glaube, dieses Wort kann so etwas wie ein Schlüsselwort
für die Stadtmission sein. Jesus sagt ihm in diesem Traum, in diesem
nächtlichen Gesicht: "Mir gehört viel Volk in dieser Stadt."
Gott hat bereits einen Plan. Noch lange, bevor Paulus in Korinth
angekommen ist, hat Gott bereits einen Plan. Und in diesem Plan haben
viele Menschen in Korinth ihren Platz. Noch bevor Paulus sie überhaupt
ansprechen konnte, hat Gott sie bereits erwählt, hat Gott sie bereits
im Herzen. Das heißt doch, Gott hat einen Plan mit den Menschen, mit
uns. Mit jedem von uns hat er seinen Plan, seinen ganz
unverwechselbaren, persönlichen Plan. Er ist der Gott meines Lebens.
Schon lange bevor ich es wusste bin ich bereits in seinem Herzen. Er
kennt mich, er weiß um mich, er hat mich gewollt. Wenn ich
zurückblicke auf mein Leben, dann kann ich selbst durch den Schleier
des Glaubens, unter dem wenigen, was ich von meinem Leben wirklich
erfassen kann, doch durchscheinend ganz deutlich seine Handschrift,
seine Führung sehen. Er kennt mich, er hat mich geführt. Ich staune,
wie er Regie geführt hat in meinem Leben. Manchmal sind es scheinbar
ganz zufällige Dinge. Ich weiß, dass in meinem Leben eine ganz
entscheidende Wende von einem Telefonat abhing. Es hätte auch nicht
sein können. Wahrscheinlich hätte mein Leben eine ganz andere Wendung
genommen. Es war so, Gottes Fügung. Und so sagt es Paulus, wenn er auf
sein eigenes Leben zurückschaut. Wir kennen alle diese Stelle, wo
Paulus über seinen eigenen Weg spricht, im Galaterbrief, wo er uns
eine kleine Autobiographie gibt. Er erinnert daran, wie sehr er das
Evangelium, Christus und seine Anhänger verfolgt hat. Aber dann sagt
er: "Als aber Gott, der mich schon im Mutterleib erwählt und durch
seine Gnade berufen hat, mir in seiner Güte seinen Sohn offenbarte,
damit ich ihn unter den Heiden verkündige ..." (Gal 1,15-16). Gott,
der mich schon vom Mutterleib auserwählt hat ... - lange bevor Paulus
davon wusste, war er bereits erwählt, war er bereits im Plan Gottes.
Und dieser Plan bestand darin, dass Gott ihm seinen Sohn geoffenbart
hat, dass er Jesus kennen gelernt hat als den Sohn Gottes. Wir werden
gleich noch sehen, wie wichtig es ist, dass Paulus hinzufügt: "damit
ich ihn verkünde".
Diese ganz persönliche Geschichte des Apostels, diese ganz persönliche
Geschichte von jedem von uns mündet immer in eine gemeinsame
Geschichte. Es stimmt, jeder von uns hat seinen Weg mit Gott, oder
Gott hat seinen Weg mit uns. Aber wir sind nicht vereinzelt. "In
dieser Stadt gehört mir", sagt Jesus zu Paulus, "ein zahlreiches
Volk." Ein Volk, das ist eine Gemeinschaft, nicht nur Individuen,
nicht nur einzelne. Noch sind sie nicht dieses Volk, noch sind sie
zerstreut, jeder für sich, in ihren kleinen Gruppen, in ihren
Familien, in ihren Kreisen. Noch sind sie nicht sein Volk. Aber schon
gehört dieses Volk Jesus. Und die Mission soll das verwirklichen. Noch
sind sie sozusagen nicht Volk, aber sie sollen Volk Gottes werden.
"Mir gehört in dieser Stadt ein zahlreiches Volk." Und so ist durch
die Mission des Apostels in Korinth Kirche geworden, Gemeinde, eine
Gemeinde, die der Apostel ganz besonders geliebt hat, an der er auch
gelitten hat, um die er gerungen hat, aber die eben Volk geworden ist,
Gottes Volk. Deshalb schreibt Paulus in beiden Briefen an die
Korinther gleich zu Beginn: "An die Kirche Gottes, die in Korinth ist"
(1 Kor 1,2; 2 Kor 1,1). Die Menschen, die zusammen gekommen sind, sind
Kirche geworden.
So sehen wir untrennbar die beiden Elemente der Mission. Es ist immer
das ganz-persönlich-angesprochen-Sein: Du hast mich berufen. Heute
noch frage ich mich: Warum hat dieser Dominikanerpater aus den
dreihundert Schülern, die im Schulhof waren, gerade mich angesprochen,
als vierzehnjährigen Buben? Ich weiß es nicht, ob er es wusste, weiß
ich auch nicht, ich weiß nur, dass es für mein Leben entscheidend war.
Die ganz persönliche Geschichte, jeder von uns hat eine ganz
unverwechselbar persönliche Geschichte mit Gott. Gleichzeitig, wenn
wir gerufen sind, wenn wir Christus begegnen, wie es Paulus geschehen
ist und so vielen anderen seither, dann wird aus dem einzelnen einer,
der zu einem Volk gehört, zu seinem Volk. "In dieser Stadt gehört mir
viel Volk." Die Kirche nennt das die plantatio Ecclesiae, die
Pflanzung der Kirche. Hier wird Kirche gestiftet, hier entsteht
Gemeinde. Nun meine ich, dass das auch für Wien gilt. Es gibt viele
Menschen in unserer Stadt, die zur Kirche ein Naheverhältnis haben,
die sich ganz dazu gehörig empfinden, viele, die so distanzierte
Sympathisanten sind, viele, die mit der Kirche gar nichts anfangen
können, aber jeder hat eine ganz persönliche Geschichte mit Gott,
unverwechselbar. Ich glaube, die Mission hat den Sinn, dass uns ins
Herz gesagt wird so wie Paulus Jesus in der Nacht in Korinth es ins
Herz gesagt hat: "Fürchte dich nicht, rede nur, schweige nicht! Es
wird dir nichts zu leide getan, denn in dieser Stadt gehört mir viel
Volk."
Paulus ist es auf dem Weg nach Korinth geschehen, als er Jesus
begegnet ist. Das hat sein Leben grundlegend verändert. Es hat ihn in
eine ganz neue Beziehung zu diesem Jesus von Nazareth gebracht. Er hat
ihn als Messias, als Sohn Gottes erkannt, anerkannt. Aber sofort ist
etwas mit ihm geschehen: Er wurde gesandt. "Als es dem gefiel, der
mich vom Mutterschoß an auserwählt hatte, seinen Sohn in mir zu
offenbaren, damit ich ihn den Heiden verkünde", so sagt Paulus über
seinen eigenen Weg (Gal 1,15-16). Gleich wird er zum Zeugen. Die
Apostel sagen in Jerusalem: "Unmöglich können wir schweigen von dem,
was wir gesehen und gehört haben" (Apg 4,20). Um es ganz einfach zu
sagen: Wen es im Glauben "erwischt", der kann darüber nicht schweigen,
der wird zum Zeugen. Ich spreche deshalb eine Warnung aus: Es kann uns
"erwischen". Das heißt, es kann uns bewusst werden, es ist uns wohl
auch bewusst, dass wir nicht nur Gerufene sondern auch Gesandte sind,
dass wir Zeugen sein sollen. "Fürchte dich nicht, rede nur, schweige
nicht, denn viel Volk gehört mir in dieser Stadt." So bitten wir:
Herr, hilf mir, dass ich bereit bin für deinen Ruf!
II.
O Schreck - heißt das vielleicht, dass ich mich wie Paulus auf
einen öffentlichen Platz stellen muss, wie er es in Athen gemacht hat
oder auch auf den anderen Reisen seiner Mission? Soll ich plötzlich
anfangen, am Stock im Eisen Platz oder in der Mariahilferstraße die
Leute mit meinen Anschauungen zu belästigen? Wird es mir nicht gehen
wie Paulus in Athen, dass man über mich lacht und sagt: "Später einmal
wollen wir dich darüber hören" (Apg 17,32)? Paulus war ein Missionar,
das war seine Berufung, aber als normaler Christenmensch soll man ihm
das nachmachen? Es kommen einem viele Bedenken. Es kommen einem vor
allem die Bedenken, die in unserem Umfeld und wohl auch in uns selber
da sind: Ist Mission nicht überhaupt ein Unwort geworden? Klingt es
nicht nach Intoleranz? Missionarischer Eifer, das klingt nicht gut.
Hat man uns nicht zu oft daran erinnert, wie viel an Kulturen zerstört
worden ist durch die Mission, zusammen mit der Kolonisation? Ist
Mission vielleicht eine Art von Zwangsbeglückung? Die Angst vor
Sektenmentalität! Ist die Missionsgeschichte des Christentums etwas,
das man vorzeigen kann, auf das man so ohne weiteres hinweisen kann?
Nun, wir werden, so hoffe ich, im Lauf des Jahres gelegentlich auch
auf die eine oder andere der großen Missionserfahrungen der Kirche
hinschauen. Waren das wirklich nur schwarze Kapitel in der Geschichte
der Kirche? Ich glaube, die große Missionsbewegung des 19.
Jahrhunderts ist eines der schönsten und spannendsten Abenteuer der
ganzen Kirchengeschichte, natürlich nicht ohne Schatten aber doch von
wirklicher Größe, mit sehr viel Licht. Ich durfte es in Nigeria und
diesen Sommer im Sambia sehen, was es bedeutet, dass dort wirklich das
Evangelium eingepflanzt wurde, was das an Hoffnung für diese Länder
bedeutet, denen der Modernisierungsschub nicht erspart bleibt, die
aber durch die plantatio Ecclesiae, durch die Einpflanzung der Kirche
eine wirkliche Hoffnung haben. Ich glaube, man kann es ohne weiteres
sagen: In einem Land wie Sambia ist die Kirche wirklich der große
Hoffnungsträger. Lateinamerika hat sicher eine sehr dunkle Geschichte,
auch Geschichte der Mission. Und doch, wer sich näher damit befasst,
wird feststellen, dass in Lateinamerika in der Missionsgeschichte
großartiges geleistet wurde. Aber wir brauchen gar nicht so weit zu
gehen. Die heutige Missionsgeschichte gehört zu den bei uns viel zu
wenig bekannten ganz spannenden Abenteuern. Ist uns bewusst, dass
heute koreanische Missionare in Afrika tätig sind, dass Mexikaner in
Asien tätig sind, dass Afrikaner in Lateinamerika, in Nordamerika als
Missionare tätig sind, dass es eine intensive Mission zwischen den
jungen Kirchen gibt, von der wir viel zu wenig wissen, und die
wahrscheinlich auch einmal für uns ganz bedeutend werden wird?
Die Kritik an der Missionsgeschichte, der man sich offen und ehrlich
stellen soll, ist freilich auch in Gefahr, dass sie ablenkt von einer
sehr persönlichen Frage, von der Frage: Bin ich als Zeuge
herausgefordert? Bin ich nicht als Getaufter, als Christ gerufen und
gesandt, Zeuge Jesu zu sein? "Ihr werdet meine Zeugen sein!" (Apg
1,8), ist das nicht Grundlage des christlichen Glaubens und Lebens?
"Ihr werdet meine Zeugen sein!" - Sind wir es? Werden wir es? Ich
glaube, jeder der erfahren hat, was für ein Glück es ist, etwas vom
Glauben bezeugen zu können, weitergeben zu können, dem wird der
Geschmack dieser Freude nicht mehr aus dem Sinn gehen. Menschen zu
Christus führen zu können, oder zu erfahren, wie Christus in den
Herzen von Menschen aufleuchtet, wie sie in der Begegnung mit Christus
Heilung finden, Heimat finden, Versöhnung - wer von dieser Freude
gekostet hat, den lässt sie nicht mehr los. Noch einmal die Warnung:
Diese Katechesen haben auch den ganz bewussten Zweck, die Absicht, uns
zu ermutigen: "Fürchte dich nicht, rede nur, schweige nicht!"
Im Übrigen ist die Zeit reif. Die Zeit ist wirklich reif. Wenn wir es
nicht erfassen, dann wird es uns erfassen. Es wird uns deutlich
gemacht durch andere. Ich glaube, selten war eine Zeit so
missionarisch, wie unsere Zeit. Selten war so viel an religiöser
Aktivität weltweit da wie heute. Überall in der Welt ist der Islam
missionarisch tätig, aus einer unglaublichen Kraft der Überzeugung
heraus. In wenigen Tagen beginnt in Graz die große buddhistische
Versammlung. Wie viele Menschen in Europa finden heute im Buddhismus
eine Antwort auf ihre Fragen. Das heißt doch, dass es Fragen gibt, die
Antworten suchen. Und war nicht der Atheismus des 20. Jahrhunderts
intensivst missionarisch, mit dem Anspruch, seine Überzeugung in der
ganzen Welt verbreiten zu müssen, auch mit Gewalt, auch mit
schrecklichster Gewalt, der kommunistische Atheismus. Und mit welchem
missionarischen Eifer werden gesellschaftliche Ideen heute im
wachsenden Europa verbreitet. Ich denke nur an die intensive Debatte,
die dieser Tage wieder in Brüssel und in Strasbourg läuft über die
Bioethik, wo mit wirklich missionarischem Eifer Überzeugungen
vertreten werden, von denen wir als Christen sagen müssen, sie
entsprechen nicht der Menschenwürde und nicht unserer
Glaubensüberzeugung. Wir kommen nicht umhin, Stellung zu beziehen. Wir
kommen nicht umhin zu sagen, was uns bewegt, was der Grund unserer
Hoffnung ist. Es ist nicht in unser Belieben gestellt, ob wir Zeugnis
geben oder nicht. Paulus sagt es ganz klar: "Wehe mir, wenn ich das
Evangelium nicht verkündige" (1 Kor 9,16). Es liegt, sagt er, ein
Zwang auf mir, nicht ein gewalttätiger Zwang, sondern ein innerer,
eine innere Verpflichtung. Ich kann über das, was mir gezeigt worden
ist, nicht schweigen, was ich als Weg des Lebens gesehen habe, was mir
Hoffnung gegeben hat, darüber darf und kann ich nicht schweigen.
III.
Ich möchte in diesem dritten und letzten Teil der Katechese ein
wenig der Frage nachgehen, was eigentlich der Ursprung der Mission
ist. Woher kommt das? Warum ist das der Kirche so wesentlich, so dass
das Konzil sagen kann: "Die Kirche ist ihrem Wesen nach
missionarisch". Das Konzil sagt dazu: Der Grund ist der Ursprung der
Sendung der Kirche, dieser Ursprung ist in der Sendung des Sohnes und
des Heiligen Geistes gemäß dem Plan des Vaters (Missionsdekret Ad
Gentes 2). Weil wir an den Gesandten glauben, an den, den Gott gesandt
hat, deshalb ist Sendung so wesentlich für die Kirche. Ich darf hier
einfach an die ersten Worte des Katechismus erinnern, die ganz knapp
zusammenfassen, warum das so ist. In der allerersten Nummer des
Katechismus heißt es: "Gott ist in sich unendlich vollkommen und
glücklich. In einem aus reiner Güte gefassten Ratschluss hat er den
Menschen aus freiem Willen erschaffen, damit dieser an seinem
glückseligen Leben teilhabe" (KKK 1). Ursprung von allem ist Gottes
freier Ratschluss. Es gibt keine Notwendigkeit, dass wir sind, dass
die Welt ist. Es gibt keine Notwendigkeit, die Gott gezwungen hätte,
die Welt zu schaffen, rein sein freier Wille, uns an seinem Leben
teilnehmen zu lassen. "Deswegen", sagt der Katechismus, "ist er dem
Menschen jederzeit und überall nahe. Er ruft ihn und hilft ihm, ihn zu
suchen, ihn zu erkennen und ihn mit all seinen Kräften zu lieben. Er
ruft alle durch die Sünde voneinander getrennten Menschen in die
Einheit seiner Familie, die Kirche" (ebd.). Gottes Plan ist also,
jedem von uns nahe zu sein, aber nicht vereinzelt, sondern um uns zu
seiner Familie zu machen. "Er tut es durch seinen Sohn, den er als
Erlöser und Retter gesandt hat, als die Zeit erfüllt war. In ihm und
durch ihn beruft er die Menschen, im Heiligen Geist seine Kinder zu
werden und so sein glückseliges Leben zu erben" (ebd.).
Mission hat also ihren Ursprung letztlich im Dreifaltigen Gott selber.
"Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch", sagt Jesus zu
Ostern (Joh 20,21). Wir sind gerufen, die Sendung Jesu weiter zu
tragen. Darum sagt der Katechismus in der Nummer 2: "Damit dieser Ruf
an alle Welt ergehe, sandte Christus die von ihm erwählten Apostel und
gab ihnen den Auftrag, das Evangelium zu verkünden: "Darum geht hin
und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des
Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles
zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin bei euch
alle Tage bis zum Ende der Welt" (Mt 28, 19-20). Kraft dieser Sendung
zogen sie "aus und predigten überall. Der Herr stand ihnen bei und
bekräftigte die Verkündigung durch Zeichen, die er geschehen ließ" (Mk
16, 20)" (KKK 2).
Drittens sagt der Katechismus: "Wer mit der Hilfe Gottes den Ruf
Christi angenommen und ihm in Freiheit entsprochen hatte, wurde durch
die Liebe zu Christus gedrängt, die Frohbotschaft auf der ganzen Welt
zu verkünden. Dieses von den Aposteln erhaltene kostbare Vermächtnis
wurde von ihren Nachfolgern treu bewahrt. Alle an Christus Glaubenden
sind berufen, es von Generation zu Generation weiterzugeben, indem sie
den Glauben verkünden, ihn in brüderlicher Gemeinschaft leben und in
der Liturgie und im Gebet feiern" (KKK 3; Vgl. Apg 2, 42) – Weitergabe
dessen, was von Christus uns gegeben wurde.
Schließlich viertens: "Die Kirche bemüht sich, die Menschen zu Jüngern
Christi zu machen; sie will ihnen zum Glauben verhelfen, dass Jesus
der Sohn Gottes ist, damit sie durch den Glauben das Leben haben in
seinem Namen" - verhelfen, Jünger Christi zu werden! - "Durch
Unterweisung sucht sie, die Menschen zu diesem Leben heranzubilden und
so den Leib Christi aufzubauen. Alle diese Bemühungen wurden schon
früh als Katechese bezeichnet" (KKK 4; Vgl. Catechesi Tradendae 1; 2).
Katechese heißt, die Sendung Christi weiterführen.
Nun habe ich vorhin gesagt, dass wir in einer Zeit leben, in der es
viele Missionen gibt, in der viele auf dem Marktplatz der öffentlichen
Meinungen ihre Überzeugungen zum Markt tragen. Das ist sicher keine
neue Situation. Das frühe Christentum ist in eine Welt gekommen, in
der es eine Fülle von Ideen gab unter denen es sich ausweisen musste.
Ich möchte im Lauf dieser Katechesen ein wenig anschauen: Wie ist das
eigentlich gelungen? Wie geht das heute? Was macht die Mission, die
christliche Mission aus? Sind das nur Worte? Ist es das Zeugnis? Ist
es die Tat? Ist es das Wirken Gottes in den Herzen? Ich denke, wir
werden sehen, dass es etwas von all dem ist. Aber eines steht
zweifellos in der Mitte. Das Konzil sagt über die Mission: Es geht
nicht nur darum, gewissermaßen die "Innerlichkeit des Menschen" zu
erreichen (Ad Gentes 3). Es stimmt, jeder Mensch ist Gott nahe, Gott
ist jedem Menschen nahe. Aber es geht nicht nur um Religiosität. Wir
leben in einer Zeit, in der die Religiosität sehr intensiv ist. Es
wird viel gesucht, in allen möglichen Strömungen und Bewegungen. Aber
Mission hat für uns einen ganz bestimmten Grund, nicht eine allgemeine
Religiosität, so wichtig es ist, das religiöse Grundgefühl, dass wir
von Gott abhängen, dass wir auf Gott hingeordnet sind, dass Gott uns
nahe ist, dass es eine Beziehung zu Gott im Gebet, in der Betrachtung
gibt. Das Unverwechselbare der christlichen Mission formuliert das
Konzil so: "Gott hat beschlossen, auf eine neue und endgültige Weise
in die Geschichte der Menschen einzutreten - Darum sandte er seinen
Sohn in unserem Fleisch, damit er durch ihn die Menschen der Gewalt
der Finsternis und Satans entreiße und in ihm die Welt sich versöhne"
(Ad Gentes 3). Gott hat einen Schritt getan, den keine menschliche
Religion bisher sich ausdenken konnte. "Gott sandte seinen Sohn" (Gal
4,4). Diese Sendung, dieses Ungeheure, dass Gott Mensch geworden ist,
dass Gott in die menschliche Geschichte eingetreten ist, dass das Wort
Fleisch angenommen hat und unter uns gelebt hat, dass Jesus Christus
der Sohn Gottes ist, das ist der eigentliche Grund, warum es eine
christliche Mission gibt, weil Gott diesen unglaublichen Schritt der
Mission getan hat, seinen eigenen Sohn zu senden. Deshalb ist er der
Mittelpunkt der Mission. Es geht darum, Menschen zu seinen Jüngern zu
machen. Es geht darum, Menschen zu Christus zu führen. Es geht darum,
dass Christus zu den Menschen kommen möchte.
Das Wort "Mich dürstet" (Joh 18,28) hat die kleine hl. Theresia, deren
Fest wir vor kurzem gefeiert haben, dahingehend gedeutet, dass Jesus
hier nicht nur seinen körperlichen Durst ausspricht, sondern sein
Verlangen, Menschen mit seinem Leben zu verbinden, Menschen zu
sammeln, oder, wie sie es in ihrer Sprache sagte: Seelen zu gewinnen.
Sie hat begriffen, es hat sie ergriffen, dass sie diesen Durst nicht
ungestillt sein lassen will. Wenn wir Gott so viel bedeuten, dass er
seinen Sohn gesandt hat, wenn wir ihm so wichtig sind, dann kann uns
das nicht einfach kalt lassen, dann muss es uns drängen, Menschen zu
Jesus zu führen, Menschen zu helfen, dass sie Jesus kennen lernen. Das
ist der innerste Grund der Mission. Wenn Gott uns so viel gegeben hat,
dann will er offensichtlich, dass diese Gabe empfangen wird. Dann will
er, dass seine Familie sich um Christus bildet. Ich glaube ohne diesen
Durst, dieses Verlangen, das eine kleine hl. Theresia so bewegt hat,
werden wir Mission wohl nie verstehen. Oder umgekehrt, sagen wir es
positiv: In dem Maß, wie wir etwas von diesem Verlangen Jesu spüren,
seine Liebe zu verbreiten und zu schenken, wird es uns drängen, ihr zu
dienen.
Noch einmal Paulus in Korinth, und ich glaube auch in Wien, ein Wort,
dass Jesus zu uns spricht: "Fürchte dich nicht, rede nur, ich bin mit
dir! In dieser Stadt gehört mir viel Volk." Ich darf Sie einladen, bei
der Stadtmission, auf diesem Weg zur Stadtmission mit dem Herzen dabei
zu sein.
(Kardinal Christoph Schönborn) |