Schwäche- oder Hochmutfilter: Ich bweise, dass das Korrekte in Wirklichkeit unkorrekt ist
Wolfgang Stegmüller
Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie
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Ich glaube es ist notwendig noch von einem ganz speziellen Filter zu reden, der uns immer begleitet.
Aphoristisch würde man ihn so beschreiben: 'Die Vernunft versteht, was der Wille verstehen will'. Was bedeutet das? Wir alle möchten rechthaben, d.h. eine der grössten Schwierigkeiten besteht darin zuzugeben, dass ich mich geirrt habe. Schlimmer wird es wenn ich zugeben müsste, dass ich nicht fähig bin zu tun, was ich als gut und korrekt erkenne. Eben um nicht zugeben zu müssen, dass ich mich irre und dass ich nicht unter meiner Unfähigkeit das Korrekte tun zu können leiden muss, entwickele ich Gedankengebäude sprich Theorien, die beweisen, dass mein Irrtum kein Irrtum ist, dass mein Denken sehr wohl tiefe "wahre" Gründe hat und dass ich nicht 'unkorrekt' bin.
Bezüglich meiner Unfähigkeit das Korrekte zu tun beweise ich dass das Korrekte unkorrekt ist. Also brauche ich mich nicht anzustrengen, weil ich ja nichts Unkorrektes tue. Das heisst nicht, dass ich bewusst und absichtlich so vorgehe. Es ist wie wenn ich Labyrintitis habe. Nie fühle ob ich aufrecht gehe sondern ich bin aus meine Tridimensionalität und aus den Koordinationspunkten herausgefallen. Instinktiv greift man dann nach irgend einer Hilfe und sei es nur eine Krücke, die ich garnicht benötige. Es ist also ein instinktives Vorgehen, es ist eine Art Mentalität.
Das ist eine der Erklärungen, warum es soviele Selektiv- oder Auswahlkatholiken gibt. Sie können nicht annehmen, dass ihre Art vorzugehen der Offenbarung wiederspricht.
Also irrt sich die Bibel, also liegt die Kirche falsch, also desakreditiere ich diejenigen die ihre Lehre verteidigen sei sie auch 2000 Jahre hindurch dieselbe, also wähle ich mir aus dem Supermarkt der Wahrheiten diejenigen aus, die mir schmecken. Die anderen Elemente werden als falsch deklariet.
Das kann aus einem intellektuellen Hochmut heraus geschehen. Aber es sind deren viel mehr, die wohl möchten, aber nicht können.
Darum gehen sie nicht zur Eucharistiefeier, weil sie nicht voll teilhaben können, darum wird Jesus als grosser Mensch deklariert, weil ich seine Forderungen einfach nicht erfüllen kann oder mag (wenn er nur ein Mensch ist, dann hat er nicht das Recht diese Forderungen zu stellen oder er kann er sich auch einfach irren!), darum verdächtige ich die Vertreter der Kiche als senile machtgierige Eunuchen, die mich manipulieren wollen, darum finde ich in der Geschichte viele Makel, um die Doktrin suspekt zu machen. Dann brauche ich nicht mein ganzes Leben hindurch immer wieder eine offene Wunde, die nie heilen will, sprich Unfähigkeit oder Minderwertigkeit, zu beklagen.
Zu diesem Filter eine kurze Bermerkung "pro domo – in eigener Sache" . Die Kirche ist nicht eine Institution, die organisatorisch Dinge tut und sagt. Das vatikanische Konzil hat erklärt, dass die Kirche ein universelles Zeichen das Heils sei. Was heisst das? Vielleicht versteht man es besser, wenn man fragt warum die Kirche dem schwachen Menschen so hohe Ziele vorstellt, die er unmöglich erreichen kann.
Die Kirche bietet dem Menschen nicht eine Doktrin oder eine Ethik an sondern eine Tatsache. Gott ist der Schwachheit des Menschen zuhilfegekommen und bietet ihm einen Weg an, auf dem er das ihm vorher Unmögliche zu tun vermag.
Ich kenne regenerierte Homosexuelle und Prostituierte, die eine glückliche monogame Ehe führen, ich kenne Alkoholiker, Drogensüchtige, Ehebrecher, Diebe, Betrüger, Mörder, Abtreiber, Kleptomane, die auf einmal endlich das tun können, was ihnen Jahrzehnte hindurch unmöglich war.
Was mich dabei besonders beeindruckt, ist, dass ihr Leben - aus der Kompliziertheit und der Abstumpfung der täglichen Rechtfertigungen in eine wunderbare Harmonie mit ihrem Gewissen und mit der Umwelt und der Offenbarung hinübergetragen - eine Klarheit und beglückende Einfachheit erreicht, die sie sogar für die vergangenen schrecklichen Leiden und Misstaten dankbar sein lässt, weil sie sonst nie die Rettung erfahren hätten.