Wer hat das letzte Wort? Eine Strategie und ihre Tücken: Zu der endlosen Forderung nach Einführung der Frauenweihe.
Von Gerhard Ludwig Müller
(„Die
Tagespost“, 23.03.2002, S.12-13)
Der Autor lehrt Dogmatik
an der Fakultät für katholische Theologie
der Ludwigs- Maximilians-Universität München. Dann Bischof von Regensburg.
Jetzt: Prefekt der Kongregation Vatikan
Manchmal hat man den Eindruck, dass es auch in der Kirche einige gibt, die wie garstige Kinder solange auf dem Boden herumtrampeln und schreien wollen, bis die Mutter endlich ihren Willen erfüllt – nicht aus Überzeugung, sondern um das peinliche Hinschauen der Passanten zu beenden. Mit allen Registern der veröffentlichten Meinung und einer nicht müde werdenden Medienkampagne wird ein Klima der Hysterie erzeugt, das die Bischöfe und die wissenschaftlich seriösen Theologen einschüchtern soll, um im Widerspruch zur verbindlichen Lehre der Kirche die Weihe von Frauen zum Diakonen- und Priesteramt zu erzwingen. Ob dabei gerade die Frauen von Ex-Priestern und Mönchen, die ihr Ordensgelübde aufgegeben haben, die überzeugenden Schrittmacher sind, ist eine Geschmacksfrage und vielleicht noch ein bisschen mehr.
Ungetrübt von Sachkenntnis behauptet da jemand vom Bundesteam „Wir sind Kirche“ forschfröhlich, dass alle Argumente gegen die Frauenweihe widerlegt seien (DT vom 19. März). Eine solche Behauptung gedeiht dann prächtig in dem auf Selbstbestätigung angelegten System der so genannten Frauenordinationsbefürworter. Der einzige wissenschaftlich ernst zu nehmende Beitrag auf dem Stuttgarter Kongress zum Frauendiakonat (1997) legte dar, dass nach den objektiven Kriterien der katholischen Theologie eine Weihe der Frau zum Diakonenamt nicht möglich sei. Doch Peter Hünermann war es, der als Übervater der Frauenweihe bei der Publikation der Akten genau dieses Kongresses die wissenschaftliche Diskussion als beendet dekretierte.
Auf der jüngsten Regensburger Tagung der Kirchenrechtler durfte dann Dorothea Reininger, ohne auf fachliche Rückfragen zu stoßen, ihre These wiederholen, dass ihre Doktorarbeit über den Frauendiakonat, in der sie zugegebenermaßen die historisch und dogmatisch entscheidenden Fragen ungeklärt lässt, die endgültige Entscheidung gebracht habe. Das dort gefallene Bonmot, wenn in der theologischen Fakultät eine Frau schon Dekanin sei, könne sie auch bald Diakonin werden, bedarf keines Kommentars. Um den grundlegenden Mangel ihrer Doktorarbeit zu verschleiern, greift Reininger zu der Unterstellung, die Studie der Internationalen Theologischen Kommission zur Sakramentalität des Diakonates, die den Weg zur Weihe von Frauen zum Diakonat nicht nahelegt, beruhe nur auf einem bloßen Machtanspruch gegen alle Evidenz der wissenschaftlichen Forschung. Man ist so von sich überzeugt, dass man nicht nur die lehramtliche, sondern auch die wissenschaftliche Letztkompetenz beansprucht. Unwidersprochen durfte sie vor einer wissenschaftlichen Versammlung die intellektuelle und moralische Integrität der Mitglieder der Internationalen Kommission in Zweifel ziehen.
Kann man mit der „Pastoral“ falsche Theologie salvieren?
Niveauvolleres wissen auch die beiden großen katholischen Frauenverbände Deutschlands nicht mehr beizutragen (DT vom 16. März). Ihnen pflichtet die Regensburger Kirchenrechtlerin Sabine Demel bei, so in der „Mittelbayerischen Zeitung“ vom 6. März. Aufmerksamkeit in der Presse war ihr Lohn. Pastorale Gründe seien ausschlaggebend, so Demel, um eine dogmatische Frage bezüglich des gültigen Weiheempfangs zu lösen. Rätselhaft bleibt, wie jemand, der Kirchenrecht studiert hat und dieses Fach sogar lehrt, die Grundprinzipien katholischer Ekklesiologie nicht kennt oder anwendet, nämlich die Unterscheidung zwischen göttlichem und menschlichen Recht. Der Codex Iuris Canonici sagt im Kanon 1024, dass die heilige Weihe gültig nur ein getaufter Mann empfängt. Die Unterscheidung zwischen gültig und erlaubt entspricht genau derjenigen zwischen göttlichem und menschlichen Recht. Wer auch nur ein wenig Ahnung von Theologie hat oder sogar einmal den einen oder andern Text zum Beispiel des Zweiten Vatikanums gelesen hat, dem kann nicht entgangen sein, dass nicht irgend jemand zu entscheiden hat, ob der Weihevorbehalt für den Mann göttlichen oder menschlichen Kirchenrechts ist, sondern allein das kirchliche Lehramt. Da man mit der unentwegten Behauptung, es gehe hier nur um änderbares Kirchenrecht, sich selbst und die Öffentlichkeit täuscht, glauben die Protagonisten und Pressure-groups berechtigt zu sein, im ungeduldigen Zorn den vermeintlich sturen und nicht auf der Höhe der Wissenschaft stehenden römischen Behörden die Empörung von angeblich einer Million an der freien Entfaltung ihrer Berufungen und Charismen gehinderter Frauen vor die Füße zu knallen. Verbände in der Kirche sind aber nicht Interessenvertretung ihrer Mitglieder gegenüber der Hierarchie, sondern Ausdruck des Laienapostolates.
Von einer wortmächtigen und geistreichen Verteidigung der Religionsfreiheit des einzelnen Christen und der Bekenntnisfreiheit drang allerdings seitens der Verbände und der Laienorganisationen wenig in die Öffentlichkeit, als eine knappe Mehrheit des Straßburger Parlaments die Kirche wegen ihres Neins zur Abtreibung der Frauenunterdrückung bezichtigte und ihr als Strafe die Verbannung aus der Öffentlichkeit androhte. Ein ganz unglaublicher Vorgang, wenn von uns gewählte und bezahlte Abgeordnete ihr Mandat im Sinne der laizistisch-antikirchlichen Tradition in manchen $Ländern missbrauchen, um die Grundrechte ihrer Bürger abzuschaffen. Ein spanischer antiklerikaler Sozialist hat dagegen vor sechs Wochen Verständnis geäußert für andere Religionen, als eine muslimische Familie ihre 15-jährige Tochter als Sklavin verkaufte. Nur gegenüber der katholischen Kirche besteht man auf der Freiheit von der Religion im öffentlichen Leben.
Angesichts dieser geistigen Diasporasituation drängt sich der Eindruck auf, dass die ihren Glauben bekennenden Christen wieder einmal wie zur Zeit der ersten Christenverfolgung und der großen Kirchenverfolgungen durch die totalitären Regime des Faschismus und Kommunismus zum „odium humani generis“ (Tacitus) geworden sind. Die katholische Kirche und nur sie ist das Feindbild schlechthin all derer, die sich Gott und der Wahrheit gegenüber für autonom dünkeln.
Doch es ist eine Schande, dass katholische Kreise sich einreden lassen und zum Teil den Schwachsinn nachplappern, die Kirche sei frauenfeindlich und gehöre in den Kreis derjenigen Religionen, die Frauen die Grundrechte und die volle Menschenwürde vorenthalten.
Mit den illegitimen Vorbereitungskursen von „Diakoninnen“ und „Priesterinnen“ will man Tatsachen schaffen. Statt Argumenten soll die normative Kraft des Faktischen beschworen werden. Der Druck auf die „Kirchenleitung“ sei zu erhöhen, endlich das Kirchenrecht zu ändern. Man habe einen römisch-katholischen Bischof gefunden, der die Weihe erteile. Die Strategie, fast so verzweifelt-genial wie der Schlieffenplan aus dem Ersten Weltkrieg, ist offensichtlich folgende: Man umgehe die feindliche Front mit einer umfassenden Flankenbewegung. Man eröffne die Schlacht mit einem Trommelfeuer aus allen Rohren der veröffentlichten Meinung. Die entchristlichte Gesellschaft, in der über die Hälfte der Bürger nicht einmal an die Existenz Gottes glaubt und der das Mysterium der Kirche ebenso unbekannt wie egal ist, soll den um ihr Recht betrogenen Frauen in der verhassten katholischen Kirche zu Hilfe kommen, während man dem Lehramt in den Rücken fällt. Und wenn der Plan nicht aufgeht, ist der Feind selbst schuld, weil er sich nicht hat hintergehen lassen.
Von einem göttlichen Recht auf die Eucharistiefeier an allen Orten und zu jedem Zeitpunkt spricht Frau Demel und leitet daraus zwei Forderungen (theologisch verschiedener Natur) ab: Den Zölibat der Priester abzuschaffen und Frauen zu Priestern zu weihen. Von einem solchen göttlichen Recht findet sich nichts in allen kirchlichen Dokumenten. Es gibt nur ein Recht der Gläubigen, von einem anwesenden „geweihten Hirten die Hilfe des Gotteswortes und der Sakramente zu erbitten“ (Lumen gentium 37). Übrigens: Das Recht, einen Pastoralassistenten mit der Leitung der Eucharistie zu betrauen, das sich manche Gemeindepräsidenten etwa in der Schweiz herausnehmen, weil die Gemeinde ein Recht auf die Eucharistie hätten, ist nur die Folge einer total verkorksten Ekklesiologie. Dann aber kann man sich auch einen Bischof suchen, der theologisch unbedarft vor allem nicht weiß, was das katholische Bischofsamt ist, damit dieser mit einer Weihe gegen Lehre und Disziplin der Kirche „Rom“ unter Zugzwang setzt. Entweder ergibt sich der Papst in sein Schicksal und darf nur noch ohne jede lehramtliche Kompetenz als Gallionsfigur die in verschiedene Glaubensrichtungen zerfallene Kirche repräsentieren, oder er nimmt die Abspaltung ganzer Kirchenprovinzen in Kauf. Denn mit den ortsansässigen Bischöfen glaubt man leichteres Spiel zu haben. Man unterstellt ihnen ja ohnehin, dass sie insgeheim auf der Seite der sich selbst so nennenden Reformwilligen stünden, aber aus Angst vor der römischen Knute öffentlich anders agieren als sie denken. Frau Jepsen aus Hamburg hat für die deutschen Bischöfe Mitleid bekundet, da sie sich insgeheim das gemeinsame Abendmahl wünschten, aber aus Furcht vor Rom es sich nicht zu sagen getrauen. Damit wird ihnen nicht nur ein psychologischer, sondern auch der theologische Defekt unterstellt, sich von der Eucharistie verabschiedet und diesem Sakrament des Altares das evangelische Verständnis des Abendmahles untergeschoben zu haben. Hat man das Fait accompli geschaffen, wird wohl jeder „Reform“-Bischof sich nach dem Prinzip verhalten: „Halb zog es ihn – halb sank er hin“.
Kumpanei statt Suche nach der Wahrheit
Befürworter der Frauenweihe fühlen sich von den allein aus taktischen Gründen Zaudernden eigentlich nur bestätigt, da diese die Frage nicht theologisch angehen oder sie schon für theoretisch gelöst halten. Manche warnen vor übereilten Weihen zum jetzigen Zeitpunkt. Denn dies sei kontraproduktiv, da die Bischöfe, statt sich erweichen zu lassen, sich so nur verhärten und „maßvolle Reformen, etwa die Zulassung von Diakoninnen“, abblocken würden. Statt der genialen Umfassungsstrategie setzt diese Partei also mehr auf eine etwas einfallslose Abnutzungsschlacht, mit der es damals 1914/18 auch nicht geklappt hat. Wie oft hört man die Meinungsäußerung, der nächste Papst könne einfach die Frauenweihe einführen. Man wird geradezu zur Kumpanei gezwungen, und der leiseste Widerspruch wird mit modischem Kirchenmobbing beantwortet, indem diejenigen, die auf dem Boden der kirchlichen Lehre stehen, als Konservative, Autoritätshörige oder einfach als Fundamentalisten ausgegrenzt werden. Oder man stempelt sie, um sie zu neutralisieren, als Polarisierer ab, so als ob die oberste Weisheit der Kirchenregierung im Ausgleich zwischen Wahrheit und Irrtum, Aufbau und Destruktion bestünde. So wie man auch manches vor dem Konzil für unmöglich gehalten habe, so könnten auch unter einem liberalen Pontifikat zum Beispiel die Unauflöslichkeit der Ehe aufgehoben und die Interkommunion ohne Einheit im Glauben erlaubt werden, wie die Kirche auch mit der Frauenweihe auf die Augenhöhe des unwiderstehlichen Zeitgeistes kommen könnte. Man brauche die Glaubenskongregation nur ständig mit Eingaben, Voten von Verbänden, Fax-Terror, Brieflawinen aus Pfarreien, Stellungnahmen von so genannten Fachkongressen – besonders aus Deutschland und den Vereinigten Staaten –, mit emotionalen Lamentos aus Workshops, pastoralen Foren und Diözesansynoden einzudecken, dann würden auch diese harten Knochen endlich mürbe werden. Raffiniert, wie es „die“ Priester nun einmal sind, so sagt es das antiklerikale Stereotyp seit dem achtzehnten Jahrhundert, würde sich „Rom“ lieber mit dem Verlust eines Teils der Macht arrangieren als den Gesamtverlust der Macht zu riskieren.
Worum es eigentlich geht, das ist die Kirche
Beide Strategien sind zum Scheitern verurteilt, nicht nur weil sie falsch angelegt sind, sondern weil sie überhaupt Strategien sind. In sträflicher Verkennung dessen, was die Kirche ist und unter Ausblendung jeder theologischen Sicht auf das Weihesakrament, will man die Kirche zwingen, sie unter Druck setzen, Bastionen schleifen, das Lehramt angreifen, Männerdomänen erobern, den Papst mit Liebesentzug bestrafen. Nicht vergessen ist die Beschimpfung des Papstes als Diktator, wobei schleierhaft bleibt, wie man solche Entgleisungen mit seinem Gewissen verantworten kann, auf das man sich gegen den Papst so gerne beruft. Das ständig gebrauchte militärische Vokabular und aggressive Gehabe zeigt, dass die ganze Denkform nicht stimmt und man darum im Ergebnis die Kirche nicht reformiert, sondern deformiert, die Glaubwürdigkeit der Kirche vor den Menschen, denen sie das Evangelium zu verkünden hat, nicht fördert, sondern zersetzt.
Der entscheidende Mangel des Feminismus in der katholischen Kirche besteht im Ausfall einer dogmatischen Ekklesiologie und in der Verkümmerung einer theologischen Anthropologie. Das Erstaunliche an diesen Initiativen, die der Kirche über den Druck der Öffentlichkeit ihre Vorstellungen aufzwingen wollen, ist gerade das völlige Unverständnis gegenüber dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Man richtet sich nach seinem „Wind“, der aber ständig nur die Frisur zerzaust, anstatt dass man seinen Geist anhand der Worte des Konzils durch die Ohren in den Verstand einziehen lässt. Das Konzil hat in „Lumen gentium“ das theologische und geistliche Selbstverständnis der Kirche als Sakrament des Heils der Welt überzeugend zum Ausdruck gebracht – und dies vor dem Hintergrund der Darlegung des Offenbarungsverständnisses in „Dei Verbum“. Eine feministische Theologie kann es legitim in der katholischen Kirche nicht geben, insofern man darunter die Verfremdung der Offenbarungsinhalte aus den Vorurteilen und Interessen einer ideologisch verkrampften Geschlechtsidentität heraus betrachtet. Ein Theologe und eine Theologin, die sich nach den Prinzipien und den Quellen der katholischen Theologie richten, kommen in der Frage der Frauenordination zu den gleichen Ergebnissen, wie auch ein unverheirateter und ein verheirateter Theologe zum sakramentalen Wesen der Ehe dasselbe sagen müssen. In „Gaudium et spes“ aber bietet das Konzil eine Sicht von Mann und Frau, vom geschlechtlichen, sozialen und kulturellen Wesen des Menschen, die jeder marxistisch-emanzipativen Parole von der Selbsterlösung der Frau oder des Mannes weit überlegen ist. Die Bedeutung des Menschen hängt nicht von seiner Selbstverwirklichung ab nach den Kriterien der Leistungs- und Konsumgesellschaft (Prestige, maximales Spaßhaben und Selbstgenuss, Aufstieg in die Vorstandsetagen von Großkonzernen und Geldanlageinstituten, eitlem Machthabenwollen über andere Menschen, den anderen die eigenen Schnapsideen aufzwingen können). Das christliche Menschenideal ist nicht der Prominente, sondern der Heilige.
Es gibt nicht zwei Ekklesiologien
Verantwortlich für die Nichtrezeption der Glaubenslehre über die Kirche – die gemeinsame Berufung aller Getauften zum Aufbau des Leibes Christi und die spezifische Sendung der Diener Christi im bischöflichen, presbyteralen und diakonalen Amt – ist wesentlich das aufgeblasen-törichte Gerede von den zwei Ekklesiologien in „Lumen gentium“. Immer wieder wurde nach dem Konzil behauptet – ohne dass die stete Wiederholung die Fehlinterpretation hätte verifizieren können –, es gebe zwei unvereinbare Sichtweisen der Kirche: eine Sicht der Kirche als Communio (Lumen gentium, 2. Kapitel) und eine andere als Hierarchie (Lumen gentium, 3. Kapitel). Hätte man jedoch das erste Kapitel studiert, wäre einem klar geworden, dass die Kirche nicht eine Art Staat oder eine Gewerkschaft oder sonst ein Gesellschaftsverband ist, der entweder von unten nach oben oder von oben nach unten organisiert ist. In Wirklichkeit ist die Kirche verwurzelt im Heilsplan Christi und so selbst ein wesentliches Element im umfassenden Heilsplan Gottes. Es geht um die „Unio“ aller Menschen mit Gott (also communio). Diese „Unio“ der Glaubenden mit Christus wird gelebt in einer sichtbaren Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Es gibt in dieser Kirche eine grundsätzliche Gleichheit in der Teilhabe an der Gesamtsendung der Kirche (gemeinsame Ausübung des Priestertums, Königtums und Prophetenamts Christi) und eine Verschiedenheit der persönlichen Charismen und der Dienstämter, in denen Christus an seiner eigenen Weihe und Sendung Anteil gibt, so dass die so Geweihten Christus als Haupt der Kirche in Relation zu dieser auf sakramentale Weise vergegenwärtigen. Um Christus als Haupt und Bräutigam der Kirche als seiner Braut gegenüber darstellen zu können, bedarf es des Rückgriffs auf die natürliche Zeichenrelation von Mann und Frau und einer besonderen Übertragung von geistlicher Vollmacht sowie der Einfügung in die Sendungsfolge von Christus zu den Aposteln und zu ihren Nachfolgern im Bischofsamt, mit dem die Presbyter und Diakone wesentlich verbunden sind.
Da man nun den seit dem sechsten Jahrhundert gebräuchlichen Begriff der Hierarchie (Ursprung von Kirche und Dienstamt im Heiligen) in einer säkularisierten Weise (als System der Über-und Unterordnung) auf die Kirche rück-überträgt, entsteht das Zerrbild von einer „Hierarchie“, die der Communio, der geschwisterlichen Einheit und Gleichwertigkeit aller vor Gott, entgegenstünde. Von daher kommt die sachlich falsche Meinung, Frauen hätten in der Kirche nicht mitzureden, mitzuwirken und mitzubestimmen. Dies träfe dann genauso für die 99,5 Prozent der Männer zu, die nicht die heilige Weihe empfangen haben. In Wirklichkeit sind Frauen von der Familie über den weltlichen Beruf bis zu einem kirchlichen Amt (als Kindergärtnerin, Krankenschwester, Religionslehrerin, Theologieprofessorin und so weiter) aktiv Zeuginnen und Botinnen des Evangeliums und wirken über den Glaubenssinn des gesamten Gottesvolkes am Verkünden des Evangeliums entscheidend mit. Denn das Sagen-Haben in der Kirche heißt nicht, über andere das Sagen zu haben. Vielmehr geht es um die gemeinsame Hinaus-Sage der Frohen Botschaft und ihre Bezeugung in Wort und Tat.
Gleichheit und Mitverantwortung wären also nur auf zweifache Weise zu erreichen. Entweder man schafft das Weihesakrament ab, oder man weiht alle Männer und Frauen gleich zu Priestern und Bischöfen. Ein konkretes Beispiel solch absurder Überlegungen ist die Meinung, in der Theologenausbildung sei der Wortgottesdienst die Domäne der Pastoralassistenten, die Messe dagegen sei für die Priesteramtskandidaten, so dass sogar schon öfter Laientheologen von der Ausbildungsleitung die Teilnahme an der Eucharistie untersagt worden ist. Bei einer gemeinsamen Veranstaltung von Kaplänen und Pastoralreferenten wird keine Messe gefeiert, weil den letzteren die demütigende Teilnahme an der Messe, wo die Priester am Zuge sind, nicht zuzumuten sei. Ein Workshop für Pastoralreferenten nennt als Thema „Wortgottesdienst oder Hokuspokus?“.
Das Vorbild hierbei ist eine liberal-protestantische Ekklesiologie, wonach die ganze Kirche nur ein einziges Amt hat. Und je nach den gesellschaftlichen Umständen könne sie kraft wandelbaren kirchlichen Rechts verschiedene Funktionsträger ein und desselben Amtes bestimmen und dieses eine Amt in gestückelter Weise ausführen lassen. Der Ort von Bischof und Priester kann aber mit der Raumlehre von oben, unten, hinten, vorne, daneben oder schräg dazu nicht erfasst werden. Diese werden nicht geweiht, um sich selbst in Szene zu setzen, sondern sie werden „als Hirten vom Heiligen Geist eingesetzt, die Kirche Gottes durch das Wort Christi zu weiden“ (vgl. Apg 20, 28; 1 Tim 5, 17; 1 Petr 5, 1–4; Hebr 13, 7.17).
Nicht funktional, sondern sakramental
Im Widerspruch zur Geschichte des katholischen Kirchenverständnisses und zu ihren verbindlichen Glaubensaussagen über die Kirche und das apostolische Amt in den Weihestufen von Bischof, Priester und Diakon stehen in massiver Weise die Doktorarbeit von J. Müller (bei Professor Beinert) und etwas verdeckter die Habilitationsarbeit von G. Bausenhart (bei Professor Hünermann). Unter solchen Voraussetzungen eines funktionalistischen Amtsverständnisses liegt es auf der Hand, die Nichtbeauftragung einer Frau mit dem Pfarramt, die dazu noch als Theologin die fachliche Kompetenz mitbringt, als eine Diskriminierung der Frau zu sehen. Die Empfindung, benachteiligt zu sein, entspringt nicht einer wirklichen Diskriminierung, sondern einer schlechten Ekklesiologie. Das Lamento hat keinen realen, nur einen virtuellen Hintergrund. Christus hat aber nicht den Apostolat eingesetzt, damit einzelne seiner Jünger bestimmte Dimensionen des männlichen Wesens ausfüllen können, sondern weil er durch die dazu erwählten Jünger als der erhöhte Herr und als Haupt und Bräutigam seiner Kirche handeln will. Darum ist die Rede von einer Männerkirche oder einem Männeramt zwar kabarettreif, aber theologisch gedankenleer. Es gibt auch kein na- türliches oder geistliches Recht auf das Weihesakrament. Denn es dient nicht der Selbstverwirklichung, der Entfaltung aller natürlichen Anlagen und übernatürlichen Charismen, sondern dem Aufbau der Kirche durch ein spezifisches, sakramental vermitteltes Handeln Christi (vgl. Lumen gentium 18).
Die katholische Kirche versteht aber die Ämter des Bischofs, Priesters und Diakons als sakramental, das heißt dem Zugriff des rein kirchlichen Rechtes entzogen. Anders verhält es sich bei Ämtern rein kirchlichen Rechtes. Dazu gehören die inzwischen abgeschafften so genannten niederen Weihen, aber auch die heutigen haupt- und ehrenamtlichen kirchlichen Ämter wie das des Pastoralreferenten und andere. In der Geschichte hat die Kirche stets die Bestreitung der Sakramentalität dieser drei Amtsstufen des einen Ordo als häretisch zurückgewiesen. Auch findet sich kein Beispiel einer sakramentalen Auffassung des kirchlichen Amtes der Diakonisse innerhalb der katholischen Kirche des Ostens und des Westens. Wenn es durchaus eine Weihe der Diakonissen und anderer kirchlichen Ämter gegeben hat, so trifft dennoch das Kriterium des Sakramentes im eigentlichen Sinn (vere et proprie; vgl. DH 1601) nicht auf dieses Amt zu. Das Amt der Diakonisse ist immer scharf abgegrenzt worden vom Diakon, der zusammen mit dem Presbyter und dem Bischof der Ordnung des „Sacerdotiums“ angehört. Es gibt gravierende Stimmen der Kirchenväter, welche die Weihe der Frau zum Diakonenamt, das eben nicht mit dem kirchlichen Amt der Diakonisse identisch ist, als häretisch verwerfen. Ebenso urteilen alle maßgeblichen Theologen zur Zeit der Ausbildung des technischen Sakramentenbegriffs ab dem elften Jahrhundert und dann auch in der großen Diskussion im siebzehnten Jahrhundert, als nach der Reformation das Weihesakrament überhaupt zur Debatte stand. Alle diese Autoren repräsentieren das Glaubensbewusstsein der Kirche. Das männliche Geschlecht des Weihebewerbers ist notwendig für die Gültigkeit des Sakraments in den Stufen des Bischofs-, Priester- und Diakonenamtes.
Frau Reininger hat sich auf dem jüngsten Regensburger Kanonistenkongress dahingehend geäußert, dass der historische Tatbestand der Diakonissenweihe unter den Fachleuten kontrovers beurteilt werde. Die einen interpretieren sie als eigenständige Weihestufe, die zum apostolischen Amt gehöre, andere interpretieren sie als nicht-sakramental. Wenn also die Experten das historische Material so oder so interpretieren, dann stehe der Weihe der Frau zum sakramentalen Diakonenamt nichts mehr im Wege. In diesem Amt könnten sich dann die besonderen Gaben der Frau zum (herrschenden?) Dienen ausleben lassen und die Frau hätte endlich in der Kirche den idealen Platz zur Selbstverwirklichung gefunden. Abgewandelt mit dem Psalmisten (Ps 85, 11) möchte man beglückt ausrufen: Katholische Kirche und Frauenbewegung küssen sich. Der historische Befund, den Frau Reininger statt aus den Quellen immer nur zweiter und dritter Hand entnimmt, spricht dennoch eindeutig gegen ein sakramentales Verständnis – vor allem da, wo die Zeitgenossen und die maßgeblichen Vertreter der katholischen Tradition eine sakramentale Interpretation als häretisch zurückgewiesen haben (vgl. G.L. Müller, Der Empfänger des Weihesakraments. Quellen zur Lehre und Praxis der Kirche, nur Männern das Weihesakrament zu spenden, Würzburg: Echter 1999). Und was den Streit der Fachleute betrifft: Wenn zwei Chirurgen sich über eine Operation nicht einig werden, soll man dann dem Pfleger die Entscheidung überlassen? Sollen in der Kirche des 21. Jahrhunderts die theologisch Ahnungslosen gar das letzte Wort haben? Wer glaubt denn, mit Spruchbändern und lila Stolen in und vor den Kirchen dogmatische Fragen auf den Punkt bringen zu können? Kann die Kirche ihr Glaubensbekenntnis und ihre Morallehre an den Evidenzen einer säkularisierten Gesellschaft ausrichten oder gar in neunmalkluger Manier dem diplomatischen Spiel um Image und Macht ausliefern?
Wer hat die letzte Kompetenz in Glaubensfragen?
In göttlicher Weisheit und Voraussicht hat Christus seine Kirche nicht den Gelehrten und Experten ausgeliefert, sondern dem heiligen Petrus mit den Aposteln und ihren Nachfolgern im Bischofsamt anvertraut: „Die Aufgabe aber, das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes verbindlich zu erklären, ist nur dem lebendigen Lehramt der Kirche anvertraut, dessen Vollmacht im Namen Jesu Christi ausgeübt wird“, erklärt in der Dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung (DV 10) das Zweite Vatikanische Konzil selbst (und nicht sein „Wind“, der von ihm ausgeht oder der um es gemacht wird).
Im Einklang mit der Glaubensüberzeugung der ganzen Kirche hat Papst Johannes Paul als oberster Lehrer der Kirche in „Ordinatio sacerdotalis“ (1994) erklärt, dass die Praxis der Kirche, nur Männern die Priesterweihe zu spenden, nicht dem veränderlichen Kirchenrecht zuzuschreiben ist (also disziplinärer Natur sei und insofern diskutierbar hinsichtlich seiner Opportunität), sondern die „göttliche Verfassung der Kirche betrifft und die Kirche keinerlei Vollmacht besitzt, Frauen die Priesterweihe zu spenden und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben“ (OS 4).
Man kann nun mit dem Rückenwind eines kirchenfeindlichen antirömischen Affekts weiter Front machen und Druck ausüben, sich gar noch in dem Irrglauben wähnen, durch die Destruktion kirchlicher Lehrentscheidungen die „Reform“ der Kirche voranzutreiben oder, wie man bei Verkennung des Unterschiedes von Kirche und Politik formuliert, den „Reformstau“ in der Kirche aufzulösen. Aber allerlei Betroffenheitsrituale und Kirchengenörgel, für die man sich dann noch als besonders kritisch gegenüber „Rom“ und unkritisch-konform mit den Romfeinden und Antiklerikalen erweist, bringen uns nicht der Wahrheit Christi näher. Wer die verbindlichen Lehrentscheidungen der Kirche und die göttliche Autorität ihres Lehramtes nicht anerkennt oder sich in Obstruktion gefällt, der ist nicht katholisch und verliert früher oder später den Anschluss. Er kommt einem vor wie der Passagier, der mitten auf dem Ozean vom Dampfer springt und trotzig dem Kapitän zuruft: „Jetzt schwimm ich aber in die Richtung, die ich will.“
Wenn auch in „Ordinatio sacerdotalis“ die sakramentale Stufe des Diakonates nicht ausdrücklich erwähnt ist, so muss jedoch die Frage des gültigen Weiheempfangs gemäß der Lehre von der wesenhaften und inneren Einheit des Weihesakramentes analog auch auf den sakramentalen Diakonat angewendet werden. Wem das noch nicht klar ist, dem kann es das Lehramt noch erklären. Auf jeden Fall werden Glaubensfragen in der Kirche nicht durch Unterschriftenaktionen, Pressekampagnen oder den Aufstand der Besserwissenden nach Zufallsmehrheiten entschieden, sondern nach den Vorgaben der Schrift, der Tradition, der inneren Logik des Glaubens, dem Glaubensinn des Gottesvolkes und letztendlich durch das kirchliche Lehramt.
Den Weiheritus an einem unbefugten Empfänger kann auch der Papst nicht für gültig erklären. Ein katholischer Bischof, der sich dazu überreden oder nötigen oder sich auf der Wolke seiner Selbstgefälligkeit als Frauenfreund anhimmeln ließe, wäre nicht nur ein Schismatiker, sondern auch ein Häretiker am Sakrament der Weihe. Einst wiesen die Apostel das Verständnis der Sakramente als Magie scharf zurück (vgl. Apg 8, 18f). Gottseidank ist die Kirche nicht auf windige Zauberkunststückchen eines Simon Magus und seiner Adepten angewiesen. Jesus Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, hat seine Kirche auf einen Felsen gebaut, auf Simon Petrus, dem er die Schlüssel des Himmelreiches und die Binde- und Lösegewalt anvertraut hat (vgl. Mt 16, 16–19). Die Sakramente sind nicht Eigentum ihrer menschlichen Spender, sondern Sakramente der Kirche. Wer bei der Spendung der Sakramente nicht das tun will, was die Kirche damit tut, der vergreift sich am Eigentum Christi, das der Kirche „zur treuen Bewahrung anvertraut“ (1 Tim 6, 20) worden ist.