Gott segne den Heiligen Vater und unsere Kirche! (Gabriele Kuby)
Rede von Gabriele Kuby bei
„Deutschland pro Papa“ am 11. Juli in München
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Liebe Christen, liebe Freunde des Heiligen Vaters
Papst Benedikt XVI.!
Es ist ein Wunder des Heiligen Geistes, dass so viele Menschen hier
zusammengekommen sind, um in der Heimat Joseph Ratzingers öffentlich ihre
Liebe und Treue zu Papst Benedikt XVI. zu bekunden.
Wir, die wir hier versammelt sind, sind überaus dankbar für die Gnade, dass
Joseph Ratzinger in dieser, von Sturmfluten überschwemmten, Zeit am Steuer
des Schiffes Petri steht. Er schenkt uns und allen, die auf dieser Welt sein
Wort hören, Orientierung und Stärkung zu allererst durch sein Vorbild, durch
die Integrität seiner Person: die Einheit von höchstem Amt und Demut, von
Gelehrtheit und Frömmigkeit, von unerschütterlicher Treue zur Wahrheit und
Verkündigung der Wahrheit in Liebe. Vorbild, Treue, Orientierung und
Stärkung sind väterliche Qualitäten, derer wir dringend bedürfen.
Wir leben in einer Zeit, in der der Mensch keinen Gott und keine absoluten
Werte mehr anerkennen will und sich aufschwingt, im Rausch technologischer
Machbarkeit selbst den Menschen machen zu wollen und über Anfang und Ende
seines Lebens willkürlich zu bestimmen. Papst Benedikt erinnert uns
beständig daran – so auch bei der letzten Generalaudienz in Rom (7. Juli
2010), das „Jesus Christus der Mittelpunkt der Geschichte und des Kosmos
[ist], der unserem Leben Sinn, Würde und Wert verleiht“. Unermüdlich warnt
er vor den zerstörerischen Folgen der Verabsolutierung der Freiheit.
Joseph Ratzinger ist ein Deutscher, ein Bayer. Er ist im Chiemgau
aufgewachsen. Wer je vor dem Häuschen in Hufschlag gestanden hat, der wird
empfunden ha-ben: Der Geist weht, wo er will. Er studierte an der LMU in
München, wurde 1951 in Dom zu Freising zum Priester geweiht, wurde 1977
Erzbischof von München, bis ihn Johannes Paul II. 1981 zum Präfekten der
Glaubenskongregation in Rom berief. Er ist unser Papst. Könnten wir uns doch
so über ihn freuen wie über „unsere Nationalmannschaft“, die „uns“ fast zum
Weltmeister gemacht hat. Könnten wir uns doch so an unserem Papst Benedikt
aufrichten, so an ihm wachsen wie die Polen an ihrem Johannes Paul II. Dass
ein Pole 1978 Papst wurde, elf Jahre bevor der Eiserne Vorhang fiel, war
eine ebenso große Überraschung wie die Wahl eines Deutschen fünfzig Jahre
nach dem Ende der Naziherrschaft. Gott heilt Wunden. Gott vergibt. Gott will
Versöhnung.
Der Besuch Benedikts in seinem geliebten Bayern im September 2006 schien wie
ein Durchbruch. Welche Freude, welcher Glanz lag über unserem Land, als bei
diesem Besuch Papst, Bischöfe, Gläubige in Jesus Christus geeint waren.
Viel-leicht waren Sie dabei beim Gebet an der Mariensäule, wo er „die Großen
und die Kleinen, die Herrschenden und die Dienenden“ einlud, von Maria zu
lernen, denn: „Deine Macht ist die Güte. Deine Macht ist das Dienen.“ Oder
bei der großen Eucharistiefeier in Riem, in der er den Herrn bat, „dass er
unsere Schwerhörigkeit für Gott, für sein Wirken und sein Wort heilt, und
uns sehend und hörend macht.“ Vielleicht haben Sie seine große Vorlesung in
der Universität von Regensburg gehört, in der er sein zentrales Thema
entfaltete: Die wechselseitige Bezogenheit von Vernunft und Glaube, weil
Glaube ohne Vernunft zu Fanatismus werden kann und Vernunft ohne Glauben zur
Selbstzerstörung des Menschen und seiner Umwelt führt.
Es schien, als sei Deutschland von einer chronischen Krankheit geheilt: dem
„antirömischen Affekt“, aber das war nur eine vorübergehende Begeisterung.
Was wurde innerhalb von zwei Jahren aus dem „Hosianna!“? – Hat sich der
Papst gewandelt? Nein, er hält unbeirrt Kurs. Er ist Jesus Christus treu.
Aber den Papstgegnern spielten die Sünder und Sünden innerhalb der Kirche in
die Hände, Vorgänge, die der Papst selbst seit langem kompromisslos zu
bereinigen sucht.
Papsttreue Katholiken waren auch zu früheren Zeiten nicht beliebt, man
nannte sie „ultramontan“. Gemeint waren damit Katholiken, die jenseits der
Berge unter der Peterskuppel ihre wahre geistige Heimat hatten, und deswegen
für Kaiser und Reich als politisch unzuverlässige Gesellen galten, als – wie
das Lexikon für Theologie und Kirche sagt – „kurialistisch,
aufklärungsfeindlich und bigott“. Auch heute werden sie nicht geschätzt,
weil glaubenstreue Katholiken sich zu keiner Zeit vom Mainstream mitreißen
lassen wollen, sei er national, nazistisch oder die schleichende Wende des
linken Liberalismus in einen neuen Totalitarismus, die unter unseren Augen
geschieht.
Heute haben sich die Worte verändert, mit denen Christen diffamiert werden:
sie heißen „fundamentalistisch“, „dogmatisch“, „moralisch“, „intolerant“
„ewig gestrig“, ja, wenn es irgendwie aus der ideologischen Trickkiste
gezaubert werden kann: „rechtsradikal“. Diese Vorwürfe treffen alle
Christen, die dem Evangelium treu sind.
Manch einen verschreckt das verbale Waffenarsenal, und sie lassen möglichst
niemanden merken, dass sie Christen sind. Aber warum eigentlich? Bewährt
sich die große Abkehr von Gott? Sind wir in Deutschland, in Europa, auf
unserer Erde auf einem guten Weg? Ihr, die ihr euch so sicher auf der
richtigen Seite der Mehrheit wisst, zeigt uns doch, dass es sich bewährt,
der Familie die moralischen und materiellen Existenzbedingungen zu
entziehen, die Wirtschaft der hemmungslosen Gier auszuliefern, das
Lebensrecht und die Würde des Menschen dem Recht des Stärkeren zu
unterwerfen! Zeigt uns, dass es sich bewährt, die Zehn Gebote zum alten
Eisen der Geschichte zu werfen!
Ja, wir stehen auf einem Fundament, ja wir haben unser Haus auf Fels und
nicht auf Sand gebaut. Das Fundament heißt Jesus Christus und der Fels heißt
Petrus.
Ja, wir glauben an die Dogmen der Kirche. Es ist großartig, dass wir einer
Kirche angehören, die über zwei Jahrtausende an den unumstößlichen
Wahrheiten des Glaubens festgehalten hat. Wir wünschen uns Bischöfe und
Priester, die die Wahrheit des Glaubens mit ihrem Leben bezeugen und uns in
der Glaubenslehre unterwiesen, damit wir diese Wahrheiten verstehen und
leben können.
Ja, wir sind moralisch. Als Menschen, die als einziges Geschöpf mit Freiheit
begabt sind, müssen wir zwischen gut und böse unterscheiden können. „Weh
denen“, rief schon der Prophet Jesaja aus „die das Böse gut und das Gute
böse nennen, die die Finsternis zum Licht und das Licht zur Finsternis
machen.“ (Jes 5,20) Denn, so sagt Papst Benedikt in seinem Buch Werte in
Zeiten des Umbruchs: „Die Freiheit behält ihre Würde nur, wenn sie auf ihren
sittlichen Grund und auf ihren sittlichen Auftrag bezogen bleibt.“ (Werte,
S. 45) „Sich von den großen sittlichen und religiösen Kräften der eigenen
Geschichte abzuschneiden, ist Selbstmord einer Kultur und einer Nation.“
(Werte, S. 49) Wir sind moralisch, weil wir wissen, wie Papst Benedikt
weiter in diesem Buch sagt, dass „der Irrtum, das irrende Gewissen, nur im
ersten Augenblick bequem [ist]. Dann aber wird das Verstummen des Gewissens
zur Entmenschlichung der Welt und zur tödlichen Gefahr.“ (Werte S. 109)
Nein, wir sind nicht intolerant, denn niemand fordert so radikal zur
Toleranz auf wie Jesus Christus mit seiner Forderung: Liebet eure Feinde.
Aber wir sind nicht bereit, die Wahrheit dem Relativismus zu opfern, denn
wenn es keine absoluten Werte gibt, werden immer weniger Mächtige sich zum
Herrn über immer mehr Ohnmächtige aufschwingen.
Nein, wir sind nicht im Gestrigen gebunden, aber wir können nicht zustimmen,
dass die christlichen Wurzeln der europäischen Tradition abgeschnitten
werden. „Ohne Gedächtnis gibt es keine Zukunft“, rief Papst Benedikt den
Jugendlichen am vorigen Sonntag in Sulmona (4. Juli 2010) zu. Wir haben in
Europa in den letzten vierzig Jahren eine Kultur des Todes geschaffen: Die
europäischen Eingeborenen sind zur aussterbenden Rasse geworden. Dass dem
Gott des Lebens in der europäischen Verfassung nicht die Ehre gegeben wird,
darin sehen wir Ursache und Ausdruck der Kultur des Todes.
Wir sind dankbar, der einen heiligen katholischen Kirche angehören zu
dürfen, die seit zweitausend Jahren den Menschen den Weg zum ewigen Heil
weist. Es ist eine Kirche der Sünder, die sich von den Sündern der Welt nur
dadurch unterscheiden, dass sie bereit sind, ihre Sünden zu erkennen, zu
bereuen, Buße zu tun und umzukehren. Wo sie das nicht sind, unterscheiden
sie sich nicht von der Welt und säkularisieren die Kirche.
In welchem Ausmaß dies heute geschieht, sehen wir am Verfall des Glaubens,
am Schwinden der Gläubigen und am Mangel an Priesterberufungen – in dieser
Reihenfolge. Nur dort, wo der ganze Glaube angenommen und gelebt wird, kann
er aufblühen, nur dort sind die Priesterseminare voll, nur dort gibt es
Nachwuchs in Ordensgemeinschaften. Warum wird die Erfahrung in den
geistlichen Aufbrüchen der Weltkirche nicht in Pläne der Neuevangelisierung
umgesetzt? Mit weltlichen Organisationsmaßnahmen ist die Kirche nicht zu
retten.
Dass das Schiff der Kirche noch nicht untergegangen ist, liegt daran, dass
über zweitausend Jahre immer wieder aus Sündern Heilige und Märtyrer werden,
im letzten Jahrhundert mehr als je zuvor. Sie sind die Blutspender der
Kirche, oft im wahrsten Sinne des Wortes. Die Kirche wird nicht untergehen,
denn Jesus Christus ist ihr Haupt und die Kirche sein Leib.
Wir alle sind zur Heiligkeit berufen. Die Sakramente der Kirche,
insbesondere die Beichte, die Eucharistie, das Ehesakrament sind Brunnen der
Gnade, aus denen wir in unserem Alltag schöpfen können. Wir haben einen
lebendigen Gott, der uns in eine lebendige Liebesbeziehung einlädt. Wer
liebt, der hat Zeit für den anderen, der spricht mit der geliebten Person.
Das gilt auch für Gott. Wir nennen es Gebet.
Es gibt keine Predigt, keine Rede, kein Schreiben des Heiligen Vaters, in
dem er diese Einladung in die persönliche Beziehung zu Jesus Christus nicht
immer wieder neu ausspricht, wissend, dass nur der Heilige Geist dies
bewirken kann. Der heilige Paulus formuliert es so: „Keiner kann sagen:
Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet.“ (1 Kor
12,3)
Wir werden diese Nähe zu Jesus Christus brauchen. In vielen Ländern der Welt
werden Christen bis aufs Blut verfolgt. Bei uns beginnen Ausgrenzung,
Schmä-hung, Gewissenskonflikte im Beruf, der Griff der Mächte der Welt nach
den Kindern und Jugendlichen. Wir werden nur dann bereit sein und die Kraft
haben, Opfer zu bringen, wenn wir im Innersten erkannt haben, dass wir ohne
Jesus Christus nicht leben können. Er ist der Weg, die Wahrheit und das
Leben. Nur Er wird uns durch die Zeit der großen Not tragen, die vor uns
liegen könnte.
Papst Benedikt hat in seiner ersten Predigt als Papst eine Bitte an uns
gerichtet. Sie lautet: „Liebe Freunde! Betet für mich, dass ich euch – die
heilige Kirche, jeden einzelnen und alle zusammen – immer mehr lieben lerne.
Betet für mich, dass ich nicht furchtsam vor den Wölfen fliehe. Beten wir
für einander, dass der Herr uns trägt und dass wir durch ihn einander tragen
lernen.“
Der Papst flieht nicht vor den Wölfen. Manchmal scheint es, als wäre er von
ganzen Rudeln umstellt. Wir danken dir dafür, Heiliger Vater. Wir beten für
dich.
Wir bitten auch unsere Bischöfe, uns vor den Wölfen zu schützen, denn – wie
im ersten Petrusbrief zu lesen – „unser Widersacher, der Teufel, geht wie
ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann.“ (1 Petr 5,8)
Wir brauchen Hirten, an deren Sein, deren Wort und deren Handeln wir Jesus
erkennen können; Hirten, die vorbehaltlos hinter dem Papst stehen, damit
auch wir vorbehaltlos hinter ihnen stehen können; Hirten, die uns vor
Irrlehrern bewahren, welche uns auf den breiten Weg führen und verbergen,
dass er ins Verderben führt. Wir brauchen mutige Hirten, die Gott mehr
fürchten als die Medien.
Wir wissen, dass in der heutigen Zeit von uns allen, von unseren Bischöfen
und Priestern und vom ganzen Volk Gottes die Bereitschaft verlangt wird, mit
Christus und für Christus zu leiden. Jesus hat uns darüber nicht im Unklaren
gelassen. Er sagt: „Wenn die Welt euch hasst, dann wisst, dass sie mich
schon vor euch gehasst hat.“ (Joh 15,18)
Würde es unsere Kirche wirklich stärken, wenn die Ehelosigkeit der Priester
aufgegeben würde? Oder wird die Kirche nur dann neu erstarken, wenn das Volk
Gottes, die Priester und die Gläubigen, stark genug sind, die Reinheit des
Herzens und die Keuschheit zu leben, um den Höhenweg der Liebe zu gehen, zu
dem Gott uns berufen hat? Wir danken jedem Priester, der Zeugnis dafür gibt,
in der Ganzhingabe an die Liebe Jesu Christi Erfüllung zu finden und daraus
die Kraft zu schöpfen, „allen alles“ (1 Kor 9,22) zu sein. Wir danken jedem
Priester, jedem Bischof, dem Papst, der uns vorausgeht auf dem schmalen Weg,
denn nur er führt ins Himmelreich.
Zum Schluss möchte ich Ihnen noch eine Anekdote erzählen von meiner
persönlichen Begegnung mit Kardinal Ratzinger. Es war im Jahr 2004 beim
Kongress Freude am Glauben in Fulda, bei dem wir uns hoffentlich dieses Jahr
Ende August wiedersehen. Kardinal Ratzinger hatte die Abschlussmesse
zelebriert. Am Abend gab es ein festliches Abendessen zu seinen Ehren, an
dem ich teilnehmen durfte. Es wurden Tischreden gehalten. Mir schoss eine
Idee in den Kopf, was ich gern sagen wollte. Mit klopfendem Herzen schlug
ich mit dem Löffel an mein Glas und stand auf. Ich sagte: „Ich gehöre zu der
Generation, die Autorität systematisch zertrümmert hat. Ich bin dankbar,
dass ich nun zu einer Kirche gehören darf, deren führende Männer ich lieben
kann. Ich habe nur eine Sorge: Wer wird der nächste Papst?“
Eigentlich wollte Kardinal Ratzinger endlich in seinem Haus in Pentling
Bücher schreiben. Gott wollte es anders: Er hat dem Bären des Korbinian die
größte Last auferlegt, die er überhaupt zu vergeben hat: Das Amt des Petrus,
und hat ihm außerdem die Kraft geschenkt, das Buch über Jesus zu schreiben,
auf dessen
zweiten Band wir mit Freude warten.
Lieber Heiliger Vater, wir danken dir dafür, dass du das Licht Christi in
der Fins-ternis dieser Welt leuchten lässt.
Gott schütze Papst Benedikt! Gott segne den Heiligen Vater und unsere
Kirche!