Tim feiert seinen 9. Geburtstag
Als "Oldenburger
Baby" erlangte Tim vor neun Jahren traurige Berühmtheit. Als in der 26.
Schwangerschaftswoche das Down-Syndrom diagnostiziert wurde, sollte er
abgetrieben werden. Doch Tim überlebte, obwohl seine Körpertemperatur
auf 28 Grad abgesunken war und er rund zehn Stunden darauf warten
musste, bis das Klinikpersonal lebenserhaltende Maßnahmen einleitete. Es
gilt als sicher, dass Tim durch die unterlassene Hilfeleistungen mit
zusätzlichen Behinderungen leben muss.
Heute feiert Tim seinen 9. Geburtstag. In einem Gespräch mit
Tim`s (Pflege-)Vater Bernhard Guido am heutigen Abend erzählt dieser, dass
Tim noch mit seinen Geschwistern und Freunden im Garten feiere.
Nein, der Geburtstagskuchen habe Tim nicht interessiert, da Tim zwar
Fortschritte mache, aber noch per Magensonde ernährt werden müsse. Auch
die Kerze auf den Geburtstagskuchen habe seine Begeisterung nicht
geweckt. Das sei mit der Frisbee-Scheibe, die er zum Geburtstag bekommen
habe, ganz anders gewesen. Mit der sei er ganz glücklich abgezogen.
Überhaupt glücklich. "Tim ist ein überaus glückliches und zufriedenes
Kind", meint Bernhard Guido. Und das, obwohl sein Lebensbeginn extrem
hart gewesen sei. Auf die Frage, warum die Familie Tim vor über acht
Jahren als Pflegesohn aufgenommen hat, meint Bernhard Guido: "Wissen
Sie, wir hatten unheimliches Glück, schon zwei gesunde Söhne zu haben
und wollten noch ein weiteres. Das sollte aber ein Pflegekind sein".
Deshalb seien seine Frau und er nach Oldenburg gefahren und hätten sich
um ein Pflegekind beworben. Dort hätte man ihnen Tim "angeboten".
"Wir wollten erst nicht, denn wir hatten Angst das nicht zu schaffen mit
einem so schwer behinderten Kind. Doch als wir ihn sahen, war es Liebe
auf den ersten Blick". Rund drei Monate dauerte es, bis sie Tim, der
damals noch beatmet wurde, mit nach Hause nehmen durften. "Damals ist
meine Frau jeden Tag zu ihm ins Krankenhaus gefahren".
Auch heute noch muss Tim mit den Folgen der unterlassenen Hilfeleistung
nach seiner Geburt kämpfen. Drei Delfintherapien hätten große
Fortschritte gebracht. "Seit der letzten im März kann er alleine laufen.
Das war vorher nur an der Hand möglich. Wanderungen möchte ich mit ihm
aber noch nicht machen", schmunzelt Guido. Jetzt beginne Tim, der eine
Sonderschule besuche, auch zunehmend zu sprechen. Aber ausdrücken, was
er will, kann er verbal noch nicht. Das zeigt er auf andere Art und
Weise".
Auf die Frage ob Tim wisse, wie tragisch sein Leben begonnen habe, oder
ob er es eines Tages gesagt bekäme, meint sein Pflegevater: "Wir waren
viel in den Medien, unter anderem auch im Fernsehen. Was Tim mitbekommen
hat, wissen wir nicht. Manchmal sind wir positiv überrascht, wie er
reagiert; manchmal wissen wir auch nicht, was er tatsächlich versteht
und umsetzen kann. Wenn es an der Zeit ist, hat er das Recht auch das zu
erfahren". Er ergänzt: "Wir sind übrigens bewusst an die Öffentlichkeit
gegangen, um zu zeigen wie viel Lebensqualität ein Leben mit
Behinderungen und mit Menschen mit Behinderungen hat. Wir wollen
schlicht und einfach Mut machen".
Auf die Frage, ob er und seine Familie es je bereut hätten, Tim
aufgenommen zu haben, meint Guido: "Es war manchmal unheimlich hart,
besonders am Anfang, wenn Tim wegen Lungenentzündungen oft ins
Krankenhaus musste. Aber bereut, nein nicht eine einzige Minute. Tim
bringt soviel Lebensfreude in unsere Familie".
Während des Gespräches macht Bernhard Guido nicht einen Moment lang den
Eindruck, für die Presse ein überzeichnet positives Bild vom Leben mit
Tim gezeichnet zu haben. Und um allen eventuellen Skeptikern zuvor zu
kommen: Seit zwei Jahren gibt es eine weitere Pflegetochter in der
Familie Guido. Es ist die jetzt 6-jährige Lizzy. Und die lebt mit dem
Down-Syndrom.
(Von
kobinet-Redakteurin Elke Bartz
http://www.kobinet-nachrichten.org/06.07.2006
- 21:00)