Warum werden wir nicht katholisch? Aus dem Buch vom ehemaligen Pastor Andreas Theuerer
Ich trete mit voller Zustimmung in die katholische Kirche ein
Hintergrund: Evangelischer Pfarrer will zur katholischen Kirche wechseln
Warum werden wir nicht katholisch?
'Sola scriptura' oder Apostolizität?
Was bedeutet 'Apostolische Sukzession'?
Die evangelische Lehre vom 'Allgemeinen Priestertum aller Gläubigen'
Warum sind wir noch protestantisch? 500 Jahre Trennung sind genug!
Ich trete mit voller Zustimmung in die katholische Kirche ein
Interview mit Andreas Theurer, Pfarrer der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, über seinen kommenden Eintritt in die katholische Kirche - Von Roland Noé Linz-Seewald (kath.net/rn)
KATH.NET: Sie haben diese Woche den Übertritt von der Evangelischen Landeskirche in Württemberg zur katholischen Kirche angekündigt. Was war der wichtigste Grund für diese Entscheidung?
Andreas Theurer: Diese Entscheidung hat keinen bestimmten Grund, sondern ist das Ergebnis einer jahrelangen Beschäftigung mit den kirchentrennenden Lehren, die mich schließlich zu der Einsicht geführt hat, dass an allen strittigen Punkten die katholische Lehre mit dem Glauben der Apostel übereinstimmt. Irgendwann kam ich dann zu dem Punkt, an dem mir klar wurde, dass es für mich keinen Grund mehr gibt, nicht katholisch zu werden und dann musste ich natürlich auch endlich einmal die Konsequenz ziehen. Ich trete also nicht aus Frust über die evangelische Kirche aus dieser aus, sondern mit voller Zustimmung in die katholische ein.
KATH.NET: Wie waren die ersten Reaktionen Ihrer Gemeinde und wie war auch die Reaktion des Oberkirchenrats?
Andreas Theurer: An Reaktionen aus der Gemeinde habe ich bisher natürlich verschiedenes erlebt: einerseits freundliches Verständnis und die Zusage, weiterhin mit uns befreundet bleiben zu wollen, andererseits wird mir auch "Verrat" vorgeworfen. Der OKR hat - vor allem wegen meines Buches - ziemlich schroff reagiert und mich nach einer kurzen Phase der Gespräche ohne weitere Vorwarnung amtsenthoben. Das finde ich persönlich sehr schade und belastend, weil es meiner Gemeinde und mir das Abschiednehmen sehr erschwert und weil ich gerne auch meine Amtsgeschäfte sinnvoll abgeschlossen und geordnet übergeben hätte.
Auch eine Abschiedspredigt hätte ich gerne noch gehalten, was mir jedoch verwehrt wird. Freilich kann ich auch verstehen, dass die Kirchenleitung um ihre Glaubwürdigkeit fürchtet, wenn sie mich noch eine Weile weiterarbeiten lässt.
Kein Verständnis habe ich allerdings dafür, dass man oft tatenlos zusieht, wie manche landeskirchlichen Amtsträger nahezu jeden Satz des Glaubensbekenntnisses leugnen, man aber nicht ertragen kann, dass ich, der ich mich zu allen gesamtchristlichen Glaubensbekenntnissen und zur ganzen Heiligen Schrift bekenne, Positionen vertrete, die zwar bis 1517 dem Glauben der ganzen Christenheit entsprachen, seither aber eben in manchen Punkten dem Protestantismus widersprechen. Das wirft m.E. auch ein bezeichnendes Licht auf manche wohlfeilen ökumenischen Verlautbarungen.
Übrigens gehört zum lutherischen Bekenntnis auch die Auffassung, dass die Alte Kirche rechtgläubig war! Da fände ich es schon interessant, ob und wie man die inhaltlichen Vorwürfe gegen mein Buch begründen will, beispielsweise hinsichtlich der Heiligen- und Marienverehrung, von der ja inzwischen historisch nachgewiesen ist, dass sie zum Glauben der Alten Kirche dazugehörte.
KATH.NET: Wie geht es jetzt mit Ihnen weiter? Was werden Sie jetzt beruflich machen?
Andreas Theurer: Ich werde im Seelsorgeamt des Bistums Augsburg ab November eine Stelle bekommen, wofür ich sehr dankbar bin.
KATH.NET: Was erwartet Sie in der katholischen Kirche und was erwarten Sie sich von der katholischen Kirche?
Andreas Theurer: Erstmal freue ich mich einfach nur, dass ich katholisch werden und meinen Glauben offen leben kann. Meine Erwartungen für mich persönlich sind schon mehr als erfüllt. Schön fände ich es aber, wenn überall in Deutschland die katholische Kirche für die bibel- und glaubenstreuen Christen, die eine innere Heimat suchen, die Arme und Türen weit öffnen und signalisieren würde: ihr seid - gerade auch als Konvertiten - herzlich willkommen!
KATH.NET: Theoretisch könnten Sie in der katholischen Kirche sogar noch katholischer Priester werden. Streben Sie das an bzw. wär diese ein Denkmöglichkeit?
Andreas Theurer: Das ist gegenwärtig tatsächlich mein Wunsch, und wenn sich in den vorgeschriebenen drei Jahren Prüfungs- und Bewährungszeit zeigt, dass dieser Weg für mich auch aus Sicht der Kirche richtig ist, dann werde ich ihn im Vertrauen auf Gottes Hilfe auch gerne gehen.
KATH.NET: Papst Benedikt XVI. ist quasi ab sofort Ihr neuer "Chef". Was ist Ihre Meinung zum Oberhaupt der katholischen Kirche?
Andreas Theurer: Aus meiner Sicht ist er der beste Papst, den die Kirche in den letzten Jahrhunderten je hatte, und ich hoffe, dass er uns noch sehr lange erhalten bleibt.
KATH.NET: Herzlichen Dank für das Interview
Hintergrund: Evangelischer Pfarrer will zur katholischen Kirche wechseln
Württembergischer Oberkirchenrat reagiert mit Suspendierung
Stuttgart/Seewald (kath.net/idea) Ein evangelischer Pfarrer, der katholische Lehren für biblischer hält als evangelische Überzeugungen, ist vom württembergischer Oberkirchenrat in Stuttgart mit sofortiger Wirkung suspendiert worden. Andreas Theurer habe die für die Evangelische Landeskirche in Württemberg geltenden Bekenntnisse verlassen und könne deshalb nicht mehr Pfarrer von Seewald-Göttelfingen sein, heißt es in einer Mitteilung der Kirchenleitung. Sie begründet die Entscheidung mit dem angekündigten Übertritt zur katholischen Kirche sowie seines vor zwei Wochen erschienenen Buchs „Warum werden wir nicht katholisch? – Denkanstöße eines evangelisch-lutherischen Pfarrers“.
Der 45-jährige Theologe wird nach Augsburg ziehen und ab November am dortigen (katholischen) Institut für Neuevangelisierung arbeiten. Auch seine Ehefrau, die der theologisch konservativen Bewegung „Lebendige Gemeinde“ angehörende Landessynodale Gudrun Theurer, will sich der katholischen Kirche anschließen.
Die Vollmacht der Apostel
Gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea führte Andreas Theurer seinen Entschluss mit der „langsam gewachsenen Überzeugung“ zurück, „dass katholische Lehren in vielen Fragen eher der Bibel entsprechen als protestantische“.
Beispielsweise bewirke die evangelische Überzeugung „Allein die Schrift“, wonach in der Kirche ausschließlich die Bibel als Glaubensgrundlage zu gelten habe, dass zahlreiche Informationen aus der kirchlichen Praxis der apostolischen Zeit aus dem Blick gerieten. Ebenso falsch sei für ihn das Postulat vom Priestertum aller Glaubenden. An zahlreichen Stellen berichte das Neue Testament, dass den Aposteln besondere Aufgaben aufgetragen seien. So hätten beispielsweise nur sie die Vollmacht erhalten, den Heiligen Geist weiterzugeben, während Diakone sich auf das Taufen beschränken mussten.
Laut Theurer lassen sich auch das katholische Amtsverständnis ebenso wie die Heiligenverehrung und die Überzeugung, dass Maria leiblich in den Himmel aufgefahren sei, mit dem biblischen Zeugnis vereinbaren. Nach Angaben des landeskirchlichen Medienreferenten, Kirchenrat Dan Peter (Stuttgart), sind in Württemberg Übertritte evangelischer Geistlicher zur katholischen Kirche sehr selten.
Er selbst könne sich an keinen Fall erinnern. 1982 wechselte Pfarrer Richard Baumann zur katholischen Kirche, nachdem er 1953 wegen katholischer Ansichten aus dem Pfarrdienst entlassen worden war.
„Lebendige Gemeinde“: Bedauern und Respekt
In einer Stellungnahme der „Lebendigen Gemeinde“ heißt es, dass die Synodalgruppe den geplanten Übertritt seines Mitglieds Gudrun Theurer zur katholischen Kirche bedauere und zugleich respektiere. Es handele sich um eine „in einem langen persönlichen Prozess getroffene Entscheidung“. Man bleibe „über die Konfessionsgrenzen hinweg im Glauben an Jesus Christus verbunden“. Für die Synodalgruppe gelte, dass man „aus voller Überzeugung evangelisch“ sei und sich an dem Schatz des Glaubens freue, so ihr Sprecher, Pfarrer Steffen Kern (Walddorfhäslach bei Reutlingen).
Leseproben aus seinem Buch "Warum werden wir nicht katholisch? Denkanstöße eines evangelisch-lutherischen Pfarrers, Augsburg 2012 (2. Aufl.)"
Warum werden wir nicht katholisch?
„Dürfen wir uns einfach damit abfinden, dass die Christenheit zerteilt ist?“ Andreas Theurer, bis vor kurzem evangelischer Pfarrer, schrieb das aufsehenerregende Buch: „Warum werden wir nicht katholisch?“
Stuttgart-Augsburg (kath.net) Andreas Theurer (Foto) war bisher evangelischer Pfarrer und bereitet sich aktuell mit seiner Frau darauf vor, in die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche aufgenommen zu werden. In seinem Buch gibt er Rechenschaft über die theologischen Fragen seiner Entscheidung.
Würde einem evangelischen Christen, der bewusst und entschieden protestantisch denkt, diese Frage gestellt, so wüsste er wahrscheinlich eine ganze Reihe Themen und Argumente, warum er oder sie sich auf keinen Fall vorstellen könnte, katholisch zu werden. Viele davon würden ihm vielleicht sogar spontan einfallen, so tief verwurzelt sind sie im evangelischen Bewusstsein. Zwar wird er wohl zugeben, dass es in der katholischen Kirche durchaus auch gläubige Christen gibt und beide Konfessionen sich in vielem einig sind. Letztlich wird er aber überzeugt sein, dass doch viel zu viel Trennendes bleibt, um eine Kircheneinheit auch nur ernsthaft in Betracht ziehen zu können. Mehr als gelegentliche gemeinsame Aktionen oder ökumenische Gottesdienste scheinen einfach nicht drin zu sein, solange die katholische Kirche und der Papst an ihren „unbiblischen Lehren“ festhalten und durch ihre strengen „antiökumenischen Erlasse“ das Fortschreiten einer Einigung behindern.
„Warum bist du nicht katholisch?“ Tatsächlich wird diese Frage aber wohl nur höchst selten gestellt. Und viele evangelische Christen haben sich wohl noch nie wirklich mit ihr beschäftigt. Klaglos wird hingenommen, dass es in Deutschland eben zwei große Volkskirchen gibt, als sei das das Selbstverständlichste auf der Welt. Allenfalls Menschen, die in sogenannten „Mischehen“ – also konfessionsverschiedenen Ehen – leben, leiden spürbar unter diesem Zustand, den meisten anderen scheint es dagegen nicht viel auszumachen.
Dabei ist die fehlende Einheit der Christen ein Skandal!
Es ist ein Skandal, dass die Christenheit seit Jahrhunderten zerteilt ist und es nach menschlichem Ermessen noch weitere Jahrhunderte bleiben wird, weil kaum jemand bereit ist, nicht nur die Positionen der Gegenseite, sondern auch die eigenen kritisch zu überprüfen und ernsthaft in Frage zu stellen.
Es ist ein Skandal, weil es dabei um den Leib Christi geht, und es der Herzenswunsch des Herrn ist, dass sein Volk eins ist im Glauben und in der Anbetung, eins im Bekenntnis und im Dienst für die Notleidenden.
Trotzdem geben sich die meisten Evangelischen damit zufrieden, die Trennung zu akzeptieren, die Schuld daran den Katholiken zuzuweisen und vielleicht sogar die Vielfalt der christlichen Kirchen – der Buntheit der Schöpfung vergleichbar – als ein besonderes Wunder Gottes zu verklären.
Sonderbar!
Warum werden wir nicht katholisch? Ja, warum eigentlich nicht? Dürfen wir uns einfach damit abfinden, dass die Christenheit zerteilt ist und aufgrund unserer Gleichgültigkeit gegenüber dem Schmerz Christi diese Zertrennung noch immer wieder weiter befestigt wird? Oder sind wir als Jünger Jesu in der Nachfolge nicht geradezu verpflichtet, die Gründe für die anhaltende Trennung daraufhin zu überprüfen, ob sie wirklich gewichtig genug sind, um diese Trennung angesichts der fortschreitenden Entchristlichung und Antichristianisierung unserer Welt beizubehalten? Haben wir ausreichende Gründe, nicht katholisch zu sein?
Dieses Büchlein wendet sich in erster Linie an Protestanten, denen ihr Glaube wertvoll ist und die diesen ihren Glauben bewusst an die Autorität der Heiligen Schrift binden wollen. Solchen evangelischen Christen will es die Glaubensaussagen der römisch-katholischen Kirche erklären und gleichzeitig danach fragen, ob die Spaltungen der Christenheit vielleicht Schritt für Schritt geheilt werden können – damit in Erfüllung geht, worum Jesus seinen himmlischen Vater im sogenannten hohepriesterlichen Gebet gebeten hat: „Ich will, dass alle eins seien“ (Joh 17,21)!
„Schaue die Zertrennung an,
der kein Mensch sonst wehren kann!
Sammle großer Menschenhirt,
alles was sich hat verirrt!
Erbarm dich, Herr!“
(Evangelisches Gesangbuch 262,3; [kath.] Gotteslob 644,3)
'Sola scriptura' oder Apostolizität?
„Die Kirche ist gebaut auf dem Fundament der Apostel und Propheten.“ Andreas Theurer, bis vor kurzem evangelischer Pfarrer, schrieb das aufsehenerregende Buch: „Warum werden wir nicht katholisch?“
Stuttgart – Augsburg (kath.net) Andreas Theurer (Foto) war bisher evangelischer Pfarrer und bereitet sich aktuell mit seiner Frau darauf vor, in die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche aufgenommen zu werden. In seinem Buch „Warum werden wir nicht katholisch?“ gibt er Rechenschaft über die theologischen Fragen seiner Entscheidung.
Die Bibel (Altes und Neues Testament) gilt uns als Wort Gottes, als Heilige Schrift. Sie gibt uns Einblicke in die Art und Weise, wie Menschen Verheißungen Gottes empfangen und mit ihnen gelebt haben. Sie enthält aber nicht jede Information, die uns heute interessieren würde.
Nehmen wir ein Beispiel: Ich habe gerne die Fotoalben meiner Großmutter angeschaut. Viele Bilder waren für mich sehr interessant, weil sie Menschen zeigten, von denen ich zwar gehört, die ich aber nicht selbst gekannt hatte. Aber ohne die Beschreibungen und Erklärungen meiner Großmutter, die dabei war, als die Fotos geschossen wurden, hätte ich die meisten Bilder nicht verstehen und schon gar nicht erkennen können, wie und warum sie entstanden sind. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, ich könnte aufgrund der wenigen Fotos beschreiben, wie es damals wirklich war und wie die abgebildeten Familienfeste, Reisen oder gar Lebensgeschichten verlaufen sind.
Das Neue Testament ist wie ein altes Fotoalbum, in dem Momentaufnahmen aus dem Gemeindeleben der ersten Christen enthalten sind. Die Bilder sind alle echt und zeigen wahrhaftig, wie es war. Aber aus diesen Bildern allein können wir nicht die ganze Wirklichkeit der Urkirche in allen Details beschreiben. Wir brauchen dazu die apostolische Überlieferung (=Tradition), die uns die fehlenden Hintergründe und Zusammenhänge berichtet und Details mitteilt, die wir den Bildern nicht entnehmen können.
Die Idee, dass allein die Bibel der Maßstab für die kirchliche Lehre sein solle, entstand erst im Hochmittelalter als Reaktion auf mancherlei kirchliche Missstände. Das reformatorische Prinzip „sola scriptura“ (allein die Schrift) ist auch aus den Zuständen der Reformationszeit verständlich.
In den Schmalkaldischen Artikeln schrieb Luther: „Gottes Wort soll Artikel des Glaubens stellen und sonst niemand, auch kein Engel.“
Aber ich denke, aus dem bisher Geschriebenen wurde deutlich: das „sola scriptura“ als theologisches Grundprinzip blendet wichtige Teile der göttlichen Wahrheit aus.
Ein besseres Kriterium für die Wahrheit und Richtigkeit der kirchlichen Lehre sehe ich in der „Apostolizität“. Das für alle Kirchen verbindliche Glaubensbekenntnis von Nicäa und Konstantinopel hält fest: „Ich glaube … die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“.
Die Kirche ist gebaut auf dem Fundament der Apostel und Propheten (Eph 2,20). Das bedeutet, sie muss inhaltlich übereinstimmen mit der Lehre der Apostel. Kirche muss apostolisch sein, damit sie überhaupt Kirche Jesu Christi ist.
Nicht die Frage, ob jede kirchliche Handlung in der Bibel detailliert beschrieben ist, ist demnach der entscheidende Maßstab, sondern ob sie mit dem übereinstimmt, was die Apostel in ihren Gemeinden gelehrt und praktiziert haben. Es darf nicht sein, dass im Laufe der Zeit neue Lehren entstehen, von denen die Apostel nichts wussten, oder schlimmer noch: die dem entgegenstehen, was die ersten Christen glaubten. Dieser Gedanke liegt übrigens nicht nur der römisch-katholischen Theologie zugrunde, sondern auch für die Reformatoren Luther, Melanchthon und ihre Anhänger war das selbstverständlich.
Nach katholischer Auffassung gilt: „Die Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift bilden den einen der Kirche überlassenen heiligen Schatz des Wortes Gottes“. Schrift und Tradition widersprechen sich nicht, sondern ergänzen sich. Das bis heute für die katholische Lehre höchst bedeutsame Trienter Konzil (1545-63) erklärte nur jene Traditionen als glaubensverbindlich, die die Apostel von Christus empfangen haben und die bis heute überliefert worden sind. Nach der apostolischen Zeit aufgekommene Lehren können demnach auch in der katholischen Kirche niemals zur Glaubensgrundlage für die ganze Christenheit werden. Neue Lehren kann es nicht geben, wohl aber kann sich die Lehre entfalten, so wie ein Baum zwar identisch mit dem Samenkorn ist, aber doch viel ausdifferenzierter im Detail.
Was bedeutet 'Apostolische Sukzession'?
Andreas Theurer, bis vor kurzem evangelischer Pfarrer, schrieb das aufsehenerregende Buch: „Warum werden wir nicht katholisch?“ – Leseprobe 3
Stuttgart – Augsburg (kath.net) Andreas Theurer (Foto) war bisher evangelischer Pfarrer und bereitet sich aktuell mit seiner Frau darauf vor, in die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche aufgenommen zu werden. In seinem Buch „Warum werden wir nicht katholisch?“ gibt er Rechenschaft über die theologischen Fragen seiner Entscheidung.
Nach heutigem katholischen und orthodoxen Verständnis wird jeder Priester von einem Bischof geweiht, der selbst von einem oder mehreren (normalerweise drei) Bischöfen geweiht wurde, die wiederum auch auf dieselbe Weise ihre Vollmacht empfangen haben usw. – bis zurück zu den Aposteln, die im Abendmahlssaal von Jesus persönlich eingesetzt wurden.
Das ist für Katholiken und Orthodoxe deshalb so wichtig, weil sie davon ausgehen, dass nur derjenige mit Vollmacht lehren, leiten und heiligen kann, der diese Vollmacht über die Vermittlung der Bischöfe und Apostel von Jesus Christus selbst empfangen hat.
Eine Abendmahlsfeier, die von einem evangelischen Pfarrer oder einer Pfarrerin geleitet wird, der bzw. die nicht in dieser ununterbrochenen Segens- bzw. Bevollmächtigungskette steht, wäre demnach allenfalls eine fromme Handlung, hätte aber keinerlei verwandelnde Kraft und Wirkung auf Brot und Wein, wäre also „ungültig“.
Die protestantische Kirchenverfassung dagegen beruht auf dem Prinzip vom „Allgemeinen Priestertum aller Gläubigen“. Nach Luther sind alle geistlichen Vollmachten bereits in der Taufe enthalten. Nach evangelischer Auffassung ist deshalb eine seit den Aposteln ununterbrochene Weitergabe des Amtes und seiner Vollmacht unnötig, da die Amtsträger Vollmacht und Segen direkt von Gott selbst bekommen. Außerdem sind protestantische Amtsträger nicht Träger einer besonderen Amtsgnade, sondern handeln im Auftrag der Gemeinde, indem sie predigen, Sakramente austeilen und gemeinsam mit dem Kirchengemeinderat oder Presbyterium die Gemeinde leiten. Folgerichtig wird hier nur die ordentliche Berufung und Einsetzung eines Amtsträgers verlangt, aber keine Weihe, die dem Träger besondere göttliche Vollmachten oder gar ein unverlierbares „Amts-Charisma“ verleiht.
Betrachten wir nun die theologischen Hintergründe und die jeweiligen Begründungen für diese unterschiedlichen Auffassungen und beginnen mit dem protestantischen „Priestertum aller Gläubigen“.
Die evangelische Lehre vom 'Allgemeinen Priestertum aller Gläubigen'
„Das ganze Volk soll heilig, d.h. Gott geweiht sein. Andreas Theurer, bis vor kurzem evangelischer Pfarrer, schrieb das aufsehenerregende Buch: „Warum werden wir nicht katholisch?“
Stuttgart – Augsburg (kath.net) Andreas Theurer (Foto) war bisher evangelischer Pfarrer und bereitet sich aktuell mit seiner Frau darauf vor, in die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche aufgenommen zu werden. In seinem Buch „Warum werden wir nicht katholisch?“ gibt er Rechenschaft über die theologischen Fragen seiner Entscheidung.
Das sogenannte „Priestertum aller Gläubigen“ wird üblicherweise aus einer Stelle im 1. Petrusbrief abgeleitet. Dort heißt es: „Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht“ (1 Petr 2,9). Schauen wir uns diese Bibelstelle etwas genauer an:
Sie ist ein direktes Zitat aus dem Bericht von der Gesetzesoffenbarung am Sinai. Dort lässt Gott durch Mose den Israeliten verkünden: „Werdet ihr nun meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern; denn die ganze Erde ist mein. Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein.“ (2 Mose 19,5-6).
In ihrem ursprünglichen Zusammenhang, im 2. Buch Mose, macht diese Bibelstelle deutlich, dass Gott sich das Volk Israel ausgewählt und ausgesondert hat, damit sie sein heiliges Volk sein sollen. Sie sollen Ihm gehören und vor allen anderen Völkern eine herausgehobene, ja abgesonderte Rolle spielen. Das ganze Volk soll heilig, d.h. Gott geweiht sein. An das ganze Volk stellt Gott den Anspruch der kultischen Reinheit. Das Volk Israel soll aller Welt das Heil Gottes zeigen und vermitteln (im Sinne der Verheißung Gottes an Abraham: In dir sollen gesegnet sein alle Völker auf Erden).
Keinesfalls ist dabei jedoch an ein allgemeines Priestertum aller Israeliten im Sinne eines für alle gleichen Amtes zu denken – im Gegenteil! Mirjam verkündete: „Redet denn der Herr allein durch Mose? Redet er nicht auch durch uns?“ (4 Mose 12,2). Für diese Worte wurde sie mit Aussatz bestraft und erst nach Moses Fürbitte wieder geheilt. Und die „Rotte Korach“ aus dem Stamm Levi empörte sich gegen Mose und Aaron mit Argumenten, die der modernen Rede vom „allgemeinen Priestertum“ erschreckend ähneln: „Die ganze Gemeinde, sie alle sind heilig, und der Herr ist unter ihnen. Warum erhebt ihr euch über die Gemeinde des Herrn?“ Moses Antwort war: „Ist’s euch zu wenig, dass euch der Gott Israels ausgesondert hat aus der Gemeinde Israel, ihm zu nahen, damit ihr euer Amt ausübt an der Wohnung des Herrn und vor die Gemeinde tretet, um ihr zu dienen? … Sucht ihr nun auch das Priestertum?“ Bekanntlich nahm die „Rotte Korach“ in dieser Geschichte ein grässliches Ende (4 Mose 16, bsd. V. 3 und 9-10).
Eine Deutung des Wortes vom königlichen Priestertum im Sinne des lutherischen „allgemeinen Priestertums aller Gläubigen“, ist also im Zusammenhang des Alten Testaments völlig unmöglich.
Und wie sieht es im Neuen Testament, im 1. Petrusbrief, aus? Auch hier ist von einem allgemeinen Priestertum im Sinne eines Ausschlusses eines „besonderen“ Priestertums nichts zu erkennen. Die aus dem 2. Buch Mose zitierte Stelle fügt sich nahtlos ein in den Gedanken der Berufung der Kirche als Ekklesia, d.h. Herausgerufene, aus der Welt Ausgesonderte, ja als neues Gottesvolk. Der Verfasser – nach urkirchlicher Tradition der Apostel Petrus selbst – spricht in Kapitel 5 sogar ausdrücklich von Presbytern (=„Ältesten„ im Sinne von „Gemeindeleitern„), die die Herde, die ihnen anbefohlen ist, wie gute Hirten ordentlich weiden sollen (1 Petr 5,1-4). Hirten und Herde – dieses Bild passt m.E. nicht zu einem „allgemeinen Priestertum“, bei dem jeder die Vollmacht zur Gemeindeleitung hätte. Der Hirte bekommt vom Besitzer der Schafe das Amt und die Vollmacht, die Tiere zu weiden, also ihnen zu dienen. Keineswegs bestimmt die Herde, wer ihr Hirte sein soll oder ermächtigt ihn dazu.
Warum sind wir noch protestantisch? 500 Jahre Trennung sind genug!
Beim Deutschlandbesuch von Papst Benedikt XVI. im September 2011 wurden von evangelischer Seite teilweise hohe Erwartungen genährt, dass der Papst dem Protestantismus entgegenkommen und sie endlich als Kirche anerkennen könnte. Das ging so weit, dass er sich in Erfurt genötigt sah, darauf hinzuweisen, dass theologische Fragen keine Verhandlungsgegenstände sein können, bei denen man Kompromisse schließen und sich irgendwo in der Mitte treffen könne. Vielmehr kann Kircheneinheit nur mithilfe eines ernsthaften Ringens um die Wahrheit gefunden werden. Dabei ist es nicht hilfreich, wenn wir Evangelischen immer neue Sonderlehren und Abweichungen von der apostolischen und altkirchlichen Lehre in unseren Gemeinden einführen. Der Papstbesuch hat es wieder neu deutlich gemacht: die größten Hindernisse für die Ökumene liegen heute nicht (mehr) bei der katholischen Kirche und beim Papst, sondern bei uns! Wir sind selbst schuld, dass uns „Rom“ nicht als Kirche im Vollsinn anerkennen kann.
Zu einigen Problemen, die wohl die wichtigsten Unterschiede in Lehre und Praxis zwischen dem Protestantismus und der katholischen Kirche betreffen, habe ich versucht, in diesem Büchlein Denkanstöße für evangelische Leser und Leserinnen zu geben. Ich hoffe, es ist mir gelungen, deutlich zu machen, dass die Kircheneinheit auch auf der theologischen Ebene möglich wäre, wenn wir Evangelischen nur wollten! Aber dazu müssten wir auf manche liebgewonnene Rechthaberei und einige Irrtümer verzichten.
Warum werden wir nicht katholisch? – Das war die Ausgangsfrage. Man kann sie auch andersherum stellen: Welche katholischen Glaubensaussagen sind so furchtbar falsch und heilsgefährdend, dass es gerechtfertigt ist, um ihretwillen den Leib Christi zu zerreißen? Verleugnen wir Christus, wenn wir den Papst als das irdische Oberhaupt der Christenheit anerkennen? Oder wenn wir zugeben, dass es erlaubt ist, auch die vor Gottes Thron stehenden Heiligen um ihr fürbittendes Gebet zu bitten? Müssen wir als Evangelische um Christi willen die Kircheneinheit verhindern, damit wir weiterhin unsere Sonderlehren beibehalten können, mit denen wir uns sowohl von der biblisch-apostolischen Lehre wie auch von allen katholischen, orthodoxen und altorientalischen Kirchen weltweit absetzen?
Im Jahre 1517 entzündete sich die Reformation an den Fragen des Ablasshandels und der Rechtfertigungslehre. Der Ablasshandel ist schon lange abgeschafft, und im Jahr 1999 wurde schließlich in einer in einer Gemeinsamen Erklärung des Lutherischen Weltbundes und des Päpstlicher Rates zur Förderung der Einheit der Christen festgestellt, dass auch in der Rechtfertigungslehre kein wirklicher Dissens mehr besteht und die gegenseitigen Verurteilungen aus der Reformationszeit den heutigen Positionen der Gesprächspartner nicht mehr gerecht werden.
Nun nähert sich mit dem Jahr 2017 das 500-jährige Reformationsjubiläum und immer deutlicher wird auf protestantischer Seite das Bemühen, die seither hinzugekommenen Unterschiede zu betonen und sich damit als „Kirche der Freiheit“ gegenüber dem dogmatisch und ethisch festgelegten Katholizismus zu profilieren. Dass die Spaltung der Christenheit dadurch nur noch immer mehr vertieft wird und der Protestantismus sich selbst immer weiter von seinen einstmals in Bibel und Bekenntnis gegebenen Grundlagen entfernt, wird dabei unsererseits zumeist achselzuckend in Kauf genommen.
Ich bin sicher: Wäre Luther eine katholische Kirche entgegengestanden, wie wir sie heute kennen, so hätte er gewiss nicht die Kirchenspaltung riskiert, und es wäre auch kaum ein wirklich frommer Mensch auf die Seite der Reformation getreten. Was uns heute trennt, ist auf katholischer Seite nicht so gravierend, dass es die Spaltung wert ist.
Wenn wir aber das einsehen und erkennen, kann es doch für gläubige Evangelische nur eine Konsequenz geben: die Trennung muss beendet werden! Es gibt keinen Grund, uns weiterhin von der Gemeinschaft mit dem Papst und der Katholischen Kirche fernzuhalten.
500 Jahre sind genug!
Wir sollten vielmehr dem Wort Jesu trauen, der zu Petrus, dem Amtsvorgänger der römischen Päpste, sagte:
„Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.“ (Lk 22,31).
Ich bin überzeugt: Es ist soweit. Wir brauchen diese Stärkung im gemeinsamen Eintreten für das Evangelium unseres Herrn Jesus Christus!