Gläubig
ist noch nicht katholisch
Zum
Höhepunkt
des Katholikentages
(Lesen Sie auch Brief 1 und die
Antworten 2 und 3)
In einem Beitrag für „Die Tagespost" hat Leo Kardinal
Scheffczyk
Stellung zum diesjährigen Katholikentag
bezogen
Auf dem vergangenen Katholikentag von Ulm wurde die
Diskussion
zwischen Hans Küng und Kardinal Karl
Lehmann, dem Vorsitzenden der
Deutschen Bischofskonferenz, mehrmals und
betont als „einer der
Höhepunkte der Veranstaltung bezeichnet,
von einem Beobachter sogar
zum „absoluten Höhepunkt erhoben. Ein
Journalist sprach vom
Katholikentag und von dem genannten Disput
als von einem „Ereignis,
auf dem Kirchengeschichte geschrieben
werden soll (was gar nicht als
so abwegig empfunden werden muss, wenn man
die Frage offen lässt, ob
es sich um ein gutes oder um ein schlimmes
Ereignis handelte). Wenn
dem Diskurs eine solche Spitzenstellung
eingeräumt wird, dann darf
man wohl von diesem Gipfel das Ganze
überschauen und beurteilen, auch
das, was auf den niedrigeren Ebenen
geschah, die ja mit dem „Gipfel
in Verbindung stehen. Es bot den Eindruck
einer solchen ungebändigten
Vielfalt, dass man in etwa das Urteil eines
Kirchenmannes verstehen
kann, der von einer allein möglichen
„subjektiven Beurteilung des
Kirchentages sprach. Andererseits sollte
ein christliches Denken doch
die Urteilskraft aufbringen, dieses
Geschehen, bei dem in vielem
tatsächlich der Geist radikaler
Subjektivität aufbrach, am objektiven
Maßstab eines vernunftgemäßen Glaubens zu
messen.
Katholizität als „Stimmung
Unbestreitbar gab es unter den überaus
zahlreichen Veranstaltungen
neben den obligaten sozialpolitischen
Kundgebungen und der
unvermeidlichen Gesellschaftsrhetorik auch
viel Frommes,
Spirituelles, Gläubiges, zumal ja auch
Bischöfe ein authentisches
Zeugnis ablegten. So muss man die Aussage
eines kirchlich gesinnten
Teilnehmers nicht bezweifeln, dass er „auf
seine Kosten gekommen sei.
Aber Frömmigkeit, Spiritualität und
Gläubigkeit allein sind noch
keine Kennzeichen des eigentümlich
Katholischen. Auch Pietisten sind
fromm, religiös bewegt, vom Glauben
existenziell betroffen, aber sie
sind nicht „katholisch im Sinne eines
eindeutigen Lehr- und
Bekenntnisglaubens, der an der Offenbarung
als Inhalt und Wahrheit
festhält. Hier tut sich eine bei den
dauernden Bekundungen der zu
erstrebenden Einheit mit den evangelischen
Christen vergessene
Unterscheidung auf, dass nämlich der
katholische Glaube, anders als
der evangelische, auch Lehrglaube ist und
nicht allein vertrauende
Annahme der Heilszusage Gottes, dass er
deshalb auch an die
Gemeinschaft der Kirche gebunden bleibt.
Viele Aussagen von
Katholikentagsteilnehmern bekunden aber, dass sie
das Treffen, das auch als „Glaubensfest (H.
J. Meyer) ausgegeben
wurde, mehr als Vermittlung von
Erlebnissen, Erfahrungen, Gefühlen
und Stimmungen empfanden, denn als
Bekundung eines eindeutigen
Bekenntnisglaubens. Darum ist die Frage
erlaubt, ob es sich im Blick
auf das Ganze, auf das bestimmende Konzept
und auf die leitende Idee,
nicht doch mehr um die Darstellung einer
„Wohlfühl-Katholizität
handelte als um eine Bekundung des wahren
Glaubens der katholischen
Kirche, zu dem auch die Anerkennung des
Einheitsprinzips der
Catholica gehört, nämlich des universalen
Lehramtes im Zentrum.
Der Pluralismus der „deutschen Wirklichkeit
Hand in Hand mit der Dominanz des
Erlebnisglaubens ging die
Demonstration der Pluralität des
Katholischen, die nicht mehr nur
Verschiedenes und Vergleichbares darbot,
sondern Gegensätzliches und
Widersprüchliches. Von journalistischer
Seite wurde anerkennend
vermerkt, dass es diesem Katholikentag
gelungen sei, das
Protestpotenzial der Kirchenvolksbegehrer,
der „Kirche von unten und
des „alternativen Katholikentags glücklich
einzubinden.
Aber „Einbinden ist eine völlig
unzutreffende Bezeichnung für ein
Geschehen, das der Quadratur des Kreises
gleichzukommen schien: die
Ermöglichung von glaubensfeindlichen
(Drewermann) oder
glaubensgleichgültigen (Gaillot)
Demonstrationen, das anerkannte
Nebeneinander von Glaubenskritikern und
(wenigen)
Glaubensverteidigern, das Zusammensein von
Kirchengegnern und
Kirchentreuen, von amtsbeflissenen
Klerikern und entschiedenen
Vertretern eines Antiklerikalismus, von
ethischen Antipoden (wie
Homosexuellen und Förderern der
christlichen Ehe, wie Bekennern der
permissiven Moral von „Donum Vitae und den
„Helfern für Gottes
kostbare Kinder): alles als gleich gültig
erachtet (und dann im
tieferen Sinne gleichgültig), dennoch mit
deutlicher Schieflage nach
der Seite der Liberalität und Freizügigkeit
hin. Das alles war wohl
mit der Kennzeichnung des Katholikentags
als „Ort des gemeinsamen
Nachdenkens und des freimütigen Dialogs (H.
J. Meyer) auch
intendiert. Aber ein Glaube, der sich
vornehmlich in der Dimension
des Dialogs, im Medium des Hinterfragens
und der Kritik vollzieht,
der keine theologische Unterscheidung
kennt, ist kein eigentlicher
Glaube, sondern allenfalls ein gläubiges
Experimentierfeld. So boten
diese Tage im Zeichen eines unverbundenen
Pluralismus eher das Bild
der von den Soziologen so bezeichneten
„Sektorenkirche, als dass sie
den Eindruck einer im Glauben geeinten
Gemeinschaft (bei legitimer
Vielfalt) hätten vermitteln können. Den
Veranstaltern aber war
offenbar die ebenfalls aus der Soziologie
kommende Einsicht nicht
mehr vertraut, dass der „Pluralismus als
„die eigentliche Ursache der
schwindenden Plausibilität unserer Religion
zu gelten hat.
Die Integrierung dieser Vielfalt konnte
diesem zersplitterten Gemenge
von katholischen Elementen auch deshalb
nicht gelingen, weil ihm die
Ausrichtung auf jene geistige Mitte fehlte,
welche allein die wahre
Katholizität garantiert: die bewusste
Verbundenheit mit dem
universalkirchlichen Lehramt. Diesen Mangel
brachte der ZdK-Präsident
auf den Punkt, wenn er eine
„universalkirchliche Wirklichkeit von
der „deutschen Wirklichkeit abhob. So waren
dann auch eine Vielzahl
von Aktivitäten und Kundgebungen bewusst
von „Vorstellungen und
Wünschen geleitet, die „man in Rom in ihrer
Notwendigkeit und
Berechtigung nicht anerkennt (H. J. Meyer).
Die im Sinne
dieser „deutschen Wirklichkeit
vorgetragenen Reformforderungen
nach „gemeinsamem Abendmahl (wobei schon
die Wortwahl kennzeichnend
ist), nach Laienpredigt und
„Laienpriestertum, nach dem Diakonat der
Frau (aus dem sich wie von selbst das
Verlangen nach der
Frauenordination ergibt), nach Abschaffung
des Zölibats und nach
dem „Abschied von der Kleruskirche
veranlassten einen der
entschiedensten Reformer zu der Voraussage,
dass die Verwirklichung
dieser Reformen die Kirche in
„Zerreißproben hineinführen würde (L.
Karrer).
Demgegenüber bleibt es unverständlich, wie
angesichts solcher Fakten
immer wieder behauptet werden konnte, dass
dieser Katholikentag
Orientierungshilfen geboten und keinerlei
Desorientierung betrieben
habe. Hier bewirkte offenbar das
Eingeschlossensein in die „deutsche
Wirklichkeit eine erhebliche Einschränkung
des Realitätsbewusstseins.
Sieht man diese Forderungen im großen
Zusammenhang der Ereignisse der
Dissoziierung der Kirche in Deutschland vom
Zentrum der Weltkirche
(Streit um „Humanae Vitae, um die Zulassung
von wiederverheirateten
Geschiedenen, um die
Schwangerschaftskonfliktberatung und nun
um „Donum Vitae), so wird man dahinter das
Grundmuster eines
latenten „Febronianismus erkennen und die
Feststellung von Guido
Horst von der „Wirklichkeit einer deutschen
Nationalkirche nicht mehr
als abwegig bezeichnen können.
Lenkt man nun den Blick wieder auf den von
vielen
herausgehobenen „Höhepunkt der ganzen
Veranstaltung, dann lässt sich
zeigen, wie sich in dem Diskurs zwischen
Hans Küng und Kardinal
Lehmann all die genannten Tendenzen
konzentrieren und komprimieren.
Allerdings muss man zum Verständnis der
inhaltlichen Bedeutung dieser
Diskussion eine kurze Darstellung der Lehre
Küngs anhand seiner
Schriften vorausschicken, deren Kenntnis
man bei den
Katholikentagsteilnehmern nicht
voraussetzen konnte.
Diagramm einer Umprägung des katholischen
Glaubens
Den kirchenkritischen Christen ist Küng vor
allem wegen seiner
Leugnung der Unfehlbarkeit von Kirche und
Papst bekannt. Aber schon
dieser Irrtum steht bei dem Autor in einem
größeren Zusammenhang,
welcher der ganzen rhetorischen Theologie
des Schweizers den Stempel
aufdrückt. Es ist die philosophisch
dürftige Ansicht, dass in
menschlichen Aussagen und Sätzen keine
gültige Wahrheit zum Ausdruck
gebracht werden könne. Weil menschliche
Sätze endlich, begrenzt,
geschichtlich bedingt und situationsbezogen
seien, weil in ihnen
Wahrheit und Irrtum zusammengehen, (so dass
Wahrheit im Irrtum und
Irrtum in der Wahrheit steckt), kann der
Glaube nicht von Sätzen
abhängig gemacht werden.
Ungeachtet der Tatsache, dass aufgrund
einer solchen Annahme auch die
eigenen Sätze nicht mehr bewahrheitet
werden können, überträgt der
Autor dieses relativistische Grundkonstrukt
auf die Dogmen der
Kirche. Sie verlieren bei ihm alle ihren
objektiven Wahrheitsgehalt
und werden in subjektive Bedeutungen eines
humanistischen
Christianismus umgemünzt: die Trinität
rückt in die
Nähe „einer ,Göttergeschichte\' zwischen
zwei oder gar drei
Gottwesen, sie ist aus „mythischen
Vorstellungen [erwachsen], die
nicht mehr die unseren sein können. Darum
kommt Christus auch keine
vorweltliche Existenz zu. Der Titel
„Gottessohn meint
einen „persönlichen Botschafter,
Treuhänder, Vertrauten, Freund
Gottes, der als solcher „nicht ein bloßer
Mensch, sondern der wahre
Mensch gewesen sei. So war auch der Tod
Jesu kein Sühneopfer für die
Sünden, sondern ein in der Erinnerung immer
neu aufgehender Impuls
zur Veränderung des Menschen und seiner
Welt.
Der „Auferweckungsglaube ist ... nicht der
Glaube an eine
unverifizierbare Kuriosität ... kein Glaube
an das Faktum der
Auferweckung oder an den Auferweckten
isoliert genommen,
sondern „grundsätzlich Glaube an Gott.
Bezeichnend ist Küngs Umgang mit dem
Mariengeheimnis, das ein
markantes Kennzeichen des katholischen
Christusglaubens ist. Für den
Kirchenreformer ist Maria nicht die Mutter
Gottes, weil „Gott nicht
geboren werden kann. Die Jungfräulichkeit
Marias ist
eine „ätiologische Legende am Rande des
Neuen Testamentes, zu deren
Glaubensannahme niemand verpflichtet werden
kann. Die neuen Dogmen
von der Unbefleckten Empfängnis und der
Aufnahme Marias in den Himmel
sind Produkte der unglücklichen Symbiose
von „Papalismus und
Marianismus bei zwei „absolutistisch
regierenden Päpsten.
Verständlicherweise kann der „bloße, wahre
Mensch Jesus Christus
keine Kirche gegründet haben. Sie stammt
aus dem Glauben der
nachösterlichen Gemeinde. Diese Gemeinde
kannte aber keine
Apostolische Nachfolge in den Bischöfen,
sondern nur im Apostolischen
Dienst der ganzen Kirche. Ziel dieser
Kirche, wie „aller Kirchen, ist
allein die Fortführung der „Sache Jesu
Christi in Ausrichtung
auf „das umfassende Wohl des Menschen.
Darum soll die wahre Kirche
keine Amtskirche sein, sondern nur eine
geistliche Bruderschaft, mit
Leitungsdiensten an Stelle des
Weihepriestertums. Als „Mutter können
wir diese Kirche nicht anerkennen.
Mit diesem Konzept eines völlig verformten
und depotenzierten
katholischen Glaubens versucht der Autor,
das ökumenische Anliegen
voranzubringen, das angeblich keine
wirklichen Probleme mehr bietet.
Aber es bleibt die Frage, ob etwa ein
gläubiges Luthertum diesen
humanistischen Jesuanismus wirklich
annehmen kann. Dennoch behauptet
der Autor, dass die neue Theologie „in den
entscheidenden
Kontroversfragen eine Konvergenz oder gar
Einigung zwischen den
Kirchen aufgewiesen habe. Das eigentliche
Hindernis sei eigentlich
nur das Papsttum, das derzeit einen „Kurs
des unbarmherzigen
Rigorismus verfolge. Der Papst erscheint
als „Wachhund, der seine
katholische ,Herde\' mit drohender und
knurrender Aggressivität zu
bewachen versucht.
Inzwischen aber hat sich das ökumenische
Interesse Küngs auch auf die
Weltreligionen ausgedehnt, zu deren
gegenseitiger „Transformation er
rät. Charakteristisch dafür ist das
Bekenntnis: „Als Christ kann ich
dabei der Überzeugung sein, dass ich, wenn
ich für mein Leben und
Sterben diesen Jesus als den Christus
gewählt habe, seinen Nachfolger
Muhammed, insofern er sich auf den einen
Gott und auf Jesus beruft,
mitgewählt habe. Der von Küng befürwortete
Transformismus der
Weltreligionen ist hier bereits vollzogen
unter Preisgabe des
christlichen Propriums.
Die Kirche hat diese eindeutige
Verfälschung des katholischen
Glaubens schon 1971 zurückgewiesen mit der
an den Autor gerichteten
Mahnung, solche Lehrmeinungen nicht mehr zu
vertreten. Auch die
Deutsche Bischofkonferenz hat an den Autor
in einer Erklärung vom
Jahre 1975 den „dringenden Appell
gerichtet, dass er „die vom
kirchlichen Lehramt mehrfach abgewiesene
Position nicht weiter
vertritt. Die Auseinandersetzung führte im
Jahre 1979 schließlich zu
einem Entzug der Lehrerlaubnis des Tübinger
Professors (der aber
dadurch nicht an der Predigt und am Vollzug
der Eucharistie gehindert
ist, was viele Gläubige als widersprüchlich
empfinden). Der
Betroffene aber hat nie einen Widerruf
geleistet, sondern die irrigen
Thesen seinen Lesern mit allen Mitteln
moderner Propaganda und in
monotonen Wiederholungen immer neu
eingehämmert, stets unter
Aufbietung aller emotionalen Kräfte gegen
die Kirche „wegen ihrer
erneuten Erstarrung, „ihres lernunfähigen
‚Lehramts\' und ihrer
Unterdrückung der Freiheit. Auf die Frage,
warum er in einer solchen
Kirche bleibe, antwortete er mit dem
Hinweis auf sein „Gefühl, das
ihm „den Sprung vom Boot der
Kirchengemeinschaft - für viele ein Akt
der Ehrlichkeit und des Protestes verwehrt
und er sich „zuviel für
die Einigung engagiert habe, allerdings nur
für eine Einigung nach
dem Ermessen seiner Subjektivität.
Mit dem ungebrochenen Selbstbewusstsein des
Dissidenten, der das
Glaubenswidrige seiner Ansichten nicht zu
erkennen vermag, betrat
Küng die Arena des Katholikentages wie ein
Sieger, der keinen
eigentlichen Gegner zu fürchten hatte; denn
auch Kardinal Lehmann,
der es bei dem Diskurs mit der Vornahme
einzelner Ausstellungen an
den nun schon etwas verstaubten Thesen
Küngs bewenden ließ, bekundete
ein weitgehendes Einverständnis, wenn er
sagte: „Ich habe nie einen
Zweifel gelassen, dass ich zwar da und
dort, aber nur an einzelnen
Punkten, nie im Sinne eines totalen
Urteils, etwas anderer Meinung
bin als Hans Küng ... Ich habe auch keinen
Zweifel gelassen an dem,
was er insgesamt theologisch geleistet hat.
Dass dies allein schon im
Hinblick auf den erfolgten Lehrentzug für
den katholischen Glauben
eine (anerkennenswerte) Fehlleistung war,
sagte der Kardinal nicht.
Antikirchliche Visionen
Die Diskussion wurde zunächst an einem
hochtheologischen Aufhänger
festgemacht, der wohl den
wissenschaftlichen Rang des Gespräches
ausweisen sollte: Es ging um die Bedeutung
der ersten drei Kapitel
der „Dogmatischen Konstitution über die
Kirche des Zweiten
Vatikanums. Dabei wurde bald klar, dass
Küng das Konzilsdokument
eklektizistisch und kontrovers anging, so,
wenn er zwischen den
Aussagen über das „Volk Gottes (c. 2) und
denen über die
hierarchische Ordnung der Kirche (c. 3)
einen unheilvollen
Widerspruch klaffen sah, der angeblich
durch die nachkonziliare
Interpretation noch verstärkt wurde.
Für
ihn bedeutete die Anerkennung der „Kirche als Gottesvolk und als
hierarchisch aufgebaute Gemeinschaft einen
Gegensatz, ungeachtet der
Tatsache, dass das Konzil schon in der
Kennzeichnung der Kirche als
Gottesvolk dieses Volk mit dem Hirtenamt,
mit der „heiligen Weihe und
dem „hierarchischen Priestertum
ausgestattet dachte und
als „sichtbaren Verband mit Christus
darstellte, den Christus „durch
den Papst und die Bischöfe leitet und der
„durch die Bande des
Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und
der kirchlichen Leitung
geordnet ist. Für den Reformer aber sollte
die Kirche nur als
Communio und als geistliche Bruderschaft
existieren.
Dazu führte er eine jener typischen
Doppeldeutigkeiten ein, mit denen
er sich als Verteidiger des Amtes in der
Kirche und sogar
des „Pastoralprimats des Papstes ausgeben
konnte, was die arglosen
Zuhörer als mit der kirchlichen Lehre
übereinstimmend empfinden
mussten. Allerdings trug er in der
Diskussion die Ablehnung des Amtes
nicht so eindeutig vor wie an vielen
Stellen seines Gesamtwerkes.
Aber er blieb bei den in den Werken
bekundeten Grundpositionen: Die
Kirche ist nicht „einfach eine „von
Christus gegründete, sie
ist „nicht das Licht der Völker (das ist
nur Christus allein), der
hierarchische Aufbau der Kirche bietet
(nach dem Zweiten
Vatikanum) „das ganz gleiche alte Modell
(gegen das man auf dem
Konzil angeblich angehen wollte); die
Kirche (unter Einschluss der
Bischöfe) ist nur eine „Gemeinschaft von
Brüdern; das Papsttum ist
seit dem elften Jahrhundert gekennzeichnet
durch den „päpstlichen
Absolutismus (der danach den Vergleich mit
dem Kreml ermöglichte); er
wird, in populistischer Diktion, darauf
reduziert, „dass da einer
ist, der das alles selber allein kann.
Kardinal Lehmann bemerkt dazu: „Also
zweifellos haben wir da
verschiedene Akzente, die man sicher noch
lange besprechen kann.
Einem objektiven Beobachter konnte wohl
aber nicht entgehen, dass
Küng eine andere Kirche propagierte. An die
Adresse der „alten Kirche
wurde nur jene geballte Macht von Vorwürfen
gerichtet, welche die
Bücher des Kirchenkritikers erfüllt und nun
das Proprium
der „Volksbegehrer ausmacht: Forderung nach
einer geschwisterlichen
Kirche mit „Gleichberechtigung der Frau,
nach „freier Wahl zwischen
zölibatärer und nichtzölibatärer
Lebensform, nach „positiver
Bewertung der Sexualität in Sachen
Empfängnisverhütung und anderem
und - gegen die gesamte Verkündigung der
Kirche gerichtet: „Frohe
Botschaft statt Drohbotschaft.
Der Kardinal bezeichnete diese auf nicht
gerade hohem theologischem
Niveau stehenden Postulate als
„Tuttifrutti, widerlegte sie aber
nicht, sondern bekundete etwa bezüglich der
„Königsteiner Erklärung
weitgehend sein Einvernehmen. In einer
ernsten theologischen
Diskussion wäre festgestellt worden, dass
die „Königsteiner Erklärung
für gläubige katholische Christen nie
Geltung beanspruchen konnte,
weil sie, gegen den Großteil des
Weltepiskopats und gegen das Lehramt
gerichtet, keine Authentizität besitzt.
Auch musste sich die Freigabe
der so genannten „Gewissensentscheidung
gegenüber dem universalen
Lehramt der Kirche genauso auch gegen
diesen partikularistischen
Spruch der Bischöfe wenden.
Zu der von Küng propagierten „anderen
Kirche gehörte folgerichtig
auch ein „anderer Christus. Hier richtete
der Theologe an das Konzil
den Vorwurf, dass es mit der
„Sakramentalität der Kirche begonnen
habe, wo es hätte „mit Jesus Christus
anfangen müssen. Die Kirche
müsste „allein die Gestalt des Jesus von
Nazareth widerspiegeln. Wie
in den Schriften des Autors, war an die
Menschwerdung und an die
Gottessohnschaft Christi nicht gedacht.
Dieser löst sich in den
humanistischen Jesuanismus auf, trotz
zweideutiger Verwendung mancher
christologischer Titel.
Die Diskussion bot dem Kirchenkritiker die
geschickt genutzte
Möglichkeit, sein Bild einer depotenzierten
Kirche und eines
entleerten Glaubens weiter unter die Leute
zu bringen. Wenn man schon
darüber staunen konnte, dass ein
Katholikentag einem von der Kirche
mit Lehrentzug gemaßregelten Theologen ein
offenes Forum bot, so lag
das noch Erstaunlichere darin, dass die
Gesprächsteilnehmer wie auch
die Zuhörer die irrigen Thesen als
katholisch anerkannten. Offenbar
ist die „deutsche Wirklichkeit so nebulös
geworden, dass man
zwischen „katholisch und „antikatholisch
nicht mehr unterscheiden
kann. Die Moderatorin gab die Küngschen
Deformationen von Kirche und
Glauben als Zeugnis des „gleichen Glaubens
aus. Zu diesen Wirrnissen
passte auch das Segenswort des Bischofs an
den „Kirchenrebellen, den
er eigentlich zuerst hätte zur Bekehrung
rufen müssen. Aber
nicht „Bekehrung war verlangt, sondern
„Treue zum eigenen Anliegen
(L. Karrer) und „revolutionäre Geduld (R.
Laurin).
Glaube statt Illusion
Die zuletzt genannte Schlusstendenz
bestätigt, dass dieser Kundgebung
der „Laienkatholiken eine revolutionäre
Attitüde eignete, die
zugleich etwas Utopisches an sich hatte.
Man konnte den Eindruck
gewinnen, dass dieses
fröhlich-futuristische Gehabe mit ständiger
Berufung auf eine sichere Zukunft der
Kirche angesichts seiner eher
doch bescheidenen geistigen Kräfte sich
überhebt und in Illusionen
abgleitet. Das lässt manche Verantwortliche
gelassen reagieren. Sie
begnügen sich mit dem scheinbar
realistischen Urteil: So ist nun
einmal der Zustand der gegenwärtigen
Kirche. Aber so darf er nicht
bleiben. Die Zukunft kann nicht einer
Kirche gehören, in der der
Glaube vom Unglauben oder „Christus von
Belial nicht mehr geschieden
werden kann. Das gilt konkret auch von der
auf dem Treffen vielfach
unrealistisch beschworenen Ökumene. Hier
gilt es, einzusehen, dass
eine in sich selbst uneinige, im Glauben
zersplitterte Kirche keine
Legitimation und Kraft zur Verwirklichung
einer Einigung mit den
anderen Christen besitzt. Darum fordern die
Erfahrungen des
Katholikentags vor allem, entgegen den
aufgeblähten Revolutionären,
eine neue Konzentration auf den Glauben,
auf
den „göttlichkatholischen Glauben, dessen
innere Mitte der Gottmensch
Jesus Christus ist und dessen sichtbares
Zentrum das Kollegium der
Bischöfe mit dem Haupt im Nachfolger Petri
bleibt.
(Lesen Sie auch Brief 1 und die
Antworten 2 und 3)
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